Vorschadensproblematik – wichtiges Urteil des OLG München

Am 27.01.06 hat das OLG München zum AZ: 10 U 4904/05, abgedruckt in NZV 06, S. 261, sinngemäß folgendes Urteil verkündet:

"1. In Fällen eines zunächst verschwiegenen, mit dem geltend gemachten Schaden ganz oder teilweise deckungsgleichen Vorschadens besteht ein Ersatzanspruch insoweit, als der geltend gemachte Zweitschaden technisch und rechnerisch eindeutig zum Vorschaden abgrenzbar ist (gegen OLG Köln, VersR 99, S. 865).

2. Die Kosten eines Privatgutachtens sind grundsätzlich auch dann zu ersetzen, wenn es sich später als unrichtig erweist, sofern die Unrichtig-keit nicht auf falschen Angaben des Auftraggebers oder einem kollusiven Zusammenwirken mit dem Gutachter beruht."

Sachverhalt:

Der Kläger erlitt mit seinem PKW Mercedes einen Unfall, für den die Beklagte dem Grunde nach einschränkungslos eintrittspflichtig ist.

Das LG München hat dennoch die Klage auf Ersatz von Reparaturkosten, Wertminderung und Sachverständigenkosten sowie Nutzungsausfall-schaden in vollem Umfang abgewiesen. Bei Abweisung des Anspruches auf Reparaturkostenersatz hat sich das LG München auf OLG Köln berufen; ein verschwiegener Vorschaden ließe sich nicht von den streitgegenständlichen trennen.

Die Berufung des Klägers zum OLG München war zum Teil erfolgreich.

Das OLG München hält die Entscheidung der Vorinstanz aus mehreren Gründen für falsch.

Unrichtig sei schon die Annahme, Zweit- und Erstschaden ließen sich nur möglicherweise trennen. Vielmehr sei die erforderliche Trennbarkeit zu bejahen, wenn ein SV eine Trennung von Vor- und Nachschaden vornehmen kann.

Außerdem, so das OLG, sei das Landgerichtsurteil in rechtlicher Hinsicht fehlerhaft, weil die Bedeutung des § 287 ZPO verkannt wurde. Die vom LG herangezogene Entscheidung OLG Köln, NZV 96, S. 241 passe schon aus tatsächlichen Gründen nicht. Wenn überhaupt, so könne OLG Köln, NZV 99, 378 und die auf dieses Urteil zurückgehende Spruchpraxis die vollständige Klageabweisung tragen. Dieser Rechtsprechung könne jedoch, so das OLG München, nicht gefolgt werden.

Bestätigt hat das OLG aber die Aberkennung von Sachverständigenkosten, denn der Kläger hatte es unterlassen, den von ihm beauftragten SV über vorhandene Vorschäden zu informieren.

Folgen für die Praxis:

Es trifft zu, dass die strenge Kölner Linie (ebenso OLG Hamburg und OLG Nürnberg) verfehlt ist.

Das OLG München-Urteil hilft allen Geschädigten bei Auseinandersetzungen um die leidige Vorschadensfrage.

In punkto Sachverständigenkosten ist bemerkenswert, dass das OLG von einer Falschangabe des Geschädigten ausgeht und damit die Pflicht bejaht, den beauftragten Gutachter auf Vorschäden hinzuweisen. Das zu tun ist für manche Geschädigte mitunter schon aus praktischen Gründen nicht so leicht (keine Kenntnis vom Vorschaden, kein persönlicher Kontakt zum Werkstatt vermittelnden Gutachter, Krankenhausaufenthalt nach dem Verkehrsunfall usw.).

Praxistipp:

Geschädigte sollten Kfz-SV immer auf ihnen bekannte Vorschäden am Fahrzeug hinweisen.

SV sollten bei der Schadensaufnahme immer nach Vorschäden fragen und dieser Thematik in ihren Gutachten mehr Raum und Bedeutung beimessen.

Versicherer sehen sich nun mit einer erleichterten Beweisführung der Geschädigten nach § 287 ZPO belastet.

Wird die Vorschadensproblematik schon bei der Unfallschadensaufnahme offen angesprochen und wird der Vorschaden im Gutachten verlässlich bewertet und berücksichtigt, so vermeiden Geschädigte auf diese Art und Weise, dass ihnen hinterher nicht die Regulierung des Unfallschadens gänzlich verweigert wird.

Gerade der Vorschaden macht deshalb das fundierte Sachverständigengutachten unerlässlich, um zu einem gerechten Schadensersatz zu kommen.

Mitgeteilt von Peter Pan im Oktober 2006

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1 Antwort zu Vorschadensproblematik – wichtiges Urteil des OLG München

  1. Leser sagt:

    Gewinn von Banken und Versicherungen ist all das, was man nicht irgendwie anders verbuchen kann:

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