Zwischendurch einmal ein Urteil zum Kaufrecht mit Verschweigen einer reparierten Lackbeschädigung (OLG Hamm Berufungsurteil vom 15.12.2014 – I-2 U 97/14 ).

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

zum Wochenende als entsprechende leichte Lektüre und zur Abwechslung stellen wir Euch hier einmal ein Urteil zum Kaufrecht mit Verschweigen einer reparierten Lackbeschädigung vor. Da werden einige „Gebrauchtwagenratten“ wieder Morgenluft wittern, nehmen wir an. Aber auch in Anbetracht der vielzähligen Wünsche auf Rückgabe von Dieselfahrzeugen der Marken VW, Skoda etc. ist die Entscheidung interessant, wie wir meinen. Bekanntlich hat die Zivilkammer des LG Bochum die manipulierten Abgaswerte bei einem VW-Diesel als gravierenden Mangel bezeichnet, tendiert aber offenbar dahin, diesen Mangel als nicht zur Wandlung berechtigend anzusehen, da der Mangel mit geringen Mitteln beseitigt werden könne. Ob dem so ist, hat VW noch nicht bewiesen. Aber lest selbst das Urteil des OLG Hamm vom 15.12.2014 und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab. 

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker

I-2 U 97/14
3 0 289/13
Landgericht Essen

Oberlandesgericht Hamm

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Es ist beabsichtigt, die Berufung des Klägers durch Beschluss, § 522 ZPO, zurückzuweisen. Die Berufung hat – ohne dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beikommt, ohne dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und ohne dass eine mündliche Verhandlung geboten ist – keine Aussicht auf Erfolg.

I.

Der Kläger begehrt Rückabwicklung eines PKW-Kaufvertrages. Dazu hat er behauptet, die Beklagte habe ihm einen – reparierten – Schaden arglistig verschwiegen. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen. Wegen der dem zu Grunde liegenden Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Damit macht er im Wesentlichen geltend: Die Beklagte habe um die Nachlackierungen gewusst bzw. darum wissen müssen und nicht darauf hingewiesen. Aus dem Wissen der Beklagten um die Nachlackierungen habe sich deren Verpflichtung ergeben, nachzuprüfen, was für ein Schaden vorgelegen habe. Das sei nicht geschehen. Einen sich aus den Nachlackierungen ergebenden Verdacht eines Unfallschadens hätte die Beklagte mitteilen müssen. Dass sie das unterlassen habe, begründe Arglist.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

1.
Der Rücktritt des Klägers ist unberechtigt. Es fehlt, wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist, an einem zum Rücktritt berechtigenden Mangel.

a.
Eine Nachlackierung bedeutet, soweit sie fachgerecht durchgeführt worden ist, keinen Mangel im Sinne des § 434 I 2 Nr. 2 BGB, BGH VIII ZR 191/07. Für die Frage, ob eine Nachlackierung an sich einen Mangel bedeutet, macht es, anders als die Berufung möglicherweise meint, keinen Unterschied, ob dem Verkäufer die Nachlackierung bekannt war oder nicht. Dafür, dass die Nachlackierung nicht fachgerecht durchgeführt worden wäre, ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.

b.
Der Wagen ist auch kein Unfallwagen. Vielmehr ist es – anderes ist jedenfalls nicht feststellbar – zu einer Beschädigung durch einen Transport gekommen. Ob eine derartige – reparierte – Beschädigung ebenso, wie Unfallwageneigenschaft zur Annahme eines Mangels führt, mag dahin stehen. Ein Mangel ist – wie bei der Frage der Unfallwageneigenschaft, Reinking/Eggert, Autokauf, 12. Auflage, Rz. 3097, jedenfalls nur dann gegeben, wenn die – reparierte – Beschädigung als erheblich anzusehen ist. Davon kann bei den von der Zeugin … geschilderten, minimalen Dellen nicht die Rede sein.

c.
Ein bloßer Mangelverdacht, der sich nach dem Vorbringen des Klägers im Hinblick auf einen relevanten Vorschaden aus der Nachlackierung ergeben soll, bedeutet im Grundsatz keinen Mangel, Reinking/Eggert, a.a.O. Rz. 3287. Ein Mangelverdacht vermag nur in besonderen Fällen einen Mangel begründen. Voraussetzung dafür ist jedenfalls, dass der Mangelverdacht nicht ausgeräumt werden kann. So liegt die Sache hier nicht. Der Verdacht eines relevanten Vorschadens war durch Untersuchung der Nachlackierungsbereiche auszuräumen. Entsprechend hat der Sachverständige im Beweissicherungsverfahren auch nichts gefunden, was auf einen relevanten Vorschaden hindeutet. Vielmehr hat er in seinem zweiten Ergänzungsgutachten vom 08.07.2013 im Beweissicherungsverfahren ausgeführt: Ersatz von Anbauteilen sei nicht erfolgt, Richtarbeiten seien nicht vorgenommen worden; Anhaltspunkte für den vorgetragenen Unfallschaden im Dachbereich seien den zur Verfügung stehenden Anknüpfungstatsachen nicht zu entnehmen; festzustellen sei lediglich, dass das Fahrzeug nachlackiert gewesen sei.

d.
Da ein Mangel nicht festzustellen ist, kann es nicht um dessen Verschweigen (durch Täuschung, was den Verjährungseinwand der Beklagten überwinden könnte) gehen. Darauf hat die Beklagte bereits in erster Instanz zutreffend hingewiesen.

2.
Unabhängig von der Frage eines Mangels kann eine Täuschung über relevante Umstände eine Anfechtung der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung des Käufers begründen, § 123 BGB, bei deren Berechtigung nach Bereicherungsrecht rückabzuwickeln ist. Dabei wird eine Täuschung über relevante Umstände möglicherweise bereits dann angenommen werden können, wenn der Verkäufer Anhaltspunkte für einen möglicherweise relevanten Schaden ohne Prüfung verschweigt.

a.
Um zu einer Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht zu kommen, bedarf es
zunächst einer Anfechtungserklärung. Eine solche lässt sich dem Klägervortrag nicht
entnehmen.

b.
Um zu einer Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht zu kommen, bedarf es zudem eines Anfechtungsgrundes. Der Kläger führt mit seiner Berufung dafür an, die Beklagte habe ihn über den sich aus der Nachlackierung ergebenden Mangelverdacht relevanter Vorschäden nicht informiert. Dem ist nicht zu folgen. Unzureichende Information – wobei die weiteren Voraussetzungen einer Täuschung dahin gestellt sein mögen – ist der Beklagten nur vorzuwerfen, wenn sie den Verdacht hatte, der Nachlackierung lägen relevante Schäden zu Grunde. Das ist nicht festzustellen. Nach den Angaben der Zeugin … hat diese der Beklagten – was von dieser auch nicht mehr in Abrede gestellt wird – berichtet, mit der Lackierung seien kleinere Beschädigungen beim Transport beseitigt worden. Ein Mangelverdacht dahingehend, dass der Wagen weitere Beschädigungen erlitten hatte, ergab sich für die Beklagte demnach gerade nicht.

Hamm, 15.12.2014
Oberlandesgericht
2. Zivilsenat

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4 Antworten zu Zwischendurch einmal ein Urteil zum Kaufrecht mit Verschweigen einer reparierten Lackbeschädigung (OLG Hamm Berufungsurteil vom 15.12.2014 – I-2 U 97/14 ).

  1. Zwilling sagt:

    Die Kernfrage kann doch nur sein:
    Liegt ein offenbarungspflichtiger Schaden vor oder nicht ?

    Offenbarungspflichtig ab 738€ (1500 DM) Nettoreparaturkosten wenn keine Beschädigung im Blech vorliegt.
    Ansonsten hilft VIII ZR 330/06 weiter.

  2. Wertminderungsspezialist sagt:

    @
    „Um zu einer Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht zu kommen, bedarf es zudem eines Anfechtungsgrundes. Der Kläger führt mit seiner Berufung dafür an, die Beklagte habe ihn über den sich aus der Nachlackierung ergebenden Mangelverdacht relevanter Vorschäden nicht informiert. Dem ist nicht zu folgen. Unzureichende Information – wobei die weiteren Voraussetzungen einer Täuschung dahin gestellt sein mögen – ist der Beklagten nur vorzuwerfen, wenn sie den Verdacht hatte, der Nachlackierung lägen relevante Schäden zu Grunde. Das ist nicht festzustellen.“

    Thema verfehlt setzen sechs.
    Da wird sogar noch ein gerichtlich bestellter SV beauftragt, den möglichen Umfang der behobenen Vorschäden /Lackschäden festzustellen, obwohl das laut WM Studie HTS gar nicht nötig gewesen wäre.
    Je nach Fahrzeugtyp, Marktverbreitung und Marktgängigkeit, spielt auch ein nur leicht behobener Vorschaden beim Verkauf eine Rolle.
    100% aller geneigten Autokäufer ziehen ein unfallfreies Fahrzeug allen anderen Fahrzeugen vor.
    84% aller geneigten Autokäufer würden nie ein Unfall/Lack instandgesetztes Fahrzeug erwerben.
    Und 16% aller Käufer würden Fahrzeuge ab € 8.000.- Schadenhöhe auch nicht mehr kaufen.
    Warum will also der Kläger dieses streitgegenständliche Fahrzeug nicht ? Das liegt doch auf der Hand, weil er sich bei vorhandener Offenbarung der behobenen Schäden das Fahrzeug gar nicht, oder nur zu einem erheblich reduzierten Preis gekauft hätte.
    Deshalb ist aus sachverständiger Sicht die Erheblichkeit eines behobenen Fahrzeugschadens so zu definieren:
    Ein Vorschaden, welcher Marktteilnehmer/Marktbildner veranlassen würde, Preisreduzierungen zu fordern, oder die Kaufbereitschaft für solche Fahrzeuge herabzusetzen oder und mit der Folge längerer Standzeiten bis es zu einem Verkauf kommt, ist als erheblich einzustufen.
    Nicht die Meinung des zu erkennenden Gericht , oder die eines technischen Sachverständigen sollte hier zählen, sondern das Marktverhalten der Marktbildner Käufer/Verkäufer.
    Und hier liegt schon die erste Verkaufshemmung zu 100% vor, bei der Wahl zwischen Unfallfrei und behobenen Schaden.
    Warum hat sich das Gericht nicht die Frage gestellt, oder der Klägervertreter dem Gericht, warum der behobene Schaden nicht offenbart sondern verschwiegen wurde.
    Vielleicht wäre man auch selbst darauf gekommen, dass es mit der Kaufabneigung der Käufer zu tun hat und nicht mit guter oder schlechter Lackierung verbunden mit kleinen Beulen.

  3. Gottlob Häberle sagt:

    Warum spielt der SV den Schaden herunter?
    Bekommt dieser etwa Aufträge von dem Autohaus?
    Besteht vielleicht sogar ein „Gebrauchtwagenzertifikat“ einer SV – Organisation welcher womöglich der Gerichts-SV angehört?

  4. Hans-Jürgen S. sagt:

    Achtung! Auch reine Nachlackierungen sind auch aus technischer Sicht erheblich wertminderungsrelevant!
    Warum?
    Weil die Durchrostungsgarantie des Herstellers für dieses Bauteil (i.d.R. 10-12 Jahre) damit zu Recht erloschen ist!

    Was ist der technische Hintergrund?
    Die, mittlerer weile sehr großzügige, Durchrostungsgarantie der Hersteller basiert praktisch ausschließlich auf einer einwandfreien KTL-BESCHICHTUNG der Karosseriebauteile. In wie weit beim Anschleifen der zu lackierenden Flächen diese möglicherweise beschädigt wurde, steht in den Sternen! Von Zertifizierung des Reparaturbetriebes nach Herstellervorgaben und der Unterwerfung im Innenverhältnis zum Hersteller mittels Händlervertrag ganz zu schweigen.

    Die Offenbarung vermindert also den ursprünglichen Gewährleistungsanspruch des Käufers von ehemals 10-12 Jahren deutlich auf (i.d.R. 2-3 Jahre)) gegenüber dem ausführenden Reparaturbetrieb!
    Die Nichtoffenbarung reduziert das aber noch einmal weiter auf nur 1 Jahr bei Gebrauchtwagenkauf!
    (Alleine das wäre ausreichender Grund und Recht auf Wandlung!)

    Alleine die Tatsache der Nichtoffenbarung ist absolut ausreichendes Indiz für qualitative Minderwertigkeit als wohl nicht sach- und fachgerechte Ausführung.

    @Wertminderungsspezialist:
    Summa cum laude mit Doppelpfeil nach oben für Ihre (erkennenden) Ausführungen.

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