AG Achern urteilt zu den Kosten einer Stellungnahme zu einem Prüfbericht (1 C 135/11 vom 20.09.2011)

Das Amtsgericht Achern urteilt unter dem Aktenzeichen 1 C 135/11 (verkündet am 20.09.2011) zu den Kosten einer Stellungnahme zu einem Prüfbericht:

Bevor nun das eigentliche Urteil kommt, müssen noch ein paar klärende Worte dazu, da der SV vordergründig nur zum Teil Recht erhalten hat. Die Klage erfolgte durch den SV aus abgetretenem Recht. Die Abtretzung war „neuer“ Art, also der Art und der Höhe nach bestimmt. Der Beklagten-Vertreter versuchte zwar noch die Abtretung gemäß BGH-Rechtsprechung für ungültig erklären zu lassen, ist damit jedoch gescheitert.

Problem des SV und seines RA war, dass nicht bekannt war, dass der Schaden am Fahrzeug des Geschädigten durch ein zulassungsfreies Fahrzeug entstanden ist, das im Rahmen einer betrieblichen Versicherung versichert war, sodass kein Direktanspruch auf die Versicherung stattfinden konnte. Zunächst wurde jedoch – aus bestimmten Gründen – die Versicherung alleine verklagt. Erst im Verlauf des Rechtstreits erklärte dann der Beklagten-Vertreter, dass gar kein direkt Direktanspruch bestehe. Deshalb wurde die Klage dann auf den VN ausgeweitet.

Ich erkläre das nur deshalb, dass andere Kollegen vor der Klage gegen einen Versicherer immer noch einmal prüfen, dass ein direkter Anspruch auch gegeben ist. Denn es gibt Umstände, aus denen ein Anspruch gegen den VN nur bedingt sinnvoll ist…

So, nun aber das Urteil:

Aktenzeichen:
1 C 135/11

Amtsgericht Achern

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Sachverständiger – Kläger –
Prozesebevollmächtigte:
Rechtsanwälte AWK

gegen

1) Versicherung
– Beklagte –

2) Versicherter
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
AWK

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Achern

durch den Direktor des Amtsgerichts …

am 20.092011 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO

für Recht erkannt:

1. Der Beklagte zu 2 wird verurteilt an den Kläger 154,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 17.3.2011 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 39 Euro zu bezahlen.

2. im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Gerichtskosten hat der Kläger und der Beklagte zu 2 jeweils die Hälfte zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers hat der Beklagte zu 2 50% zu tragen. Im Übrigen behält der Kläger seine außergerichtlichen Kosten auf sich. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 hat der Kläger zu tragen. Der Beklagte zu 2 behält seine außergerichtlichen Kasten auf sich.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Absatz 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert die Klage nicht an § 1 SchlG BW. Im vorliegenden Fall ist gemäß § 1 Abs, 3 SchlG BW trotz des an sich unter das Schlichtungsgesetz fallenden Streitwertes ein vorhergehender Einigungsversuch nicht erforderlich, weil die beiden Beklagten ihren Wohnsitz bzw. Sitz nicht in demselben oder in benachbarten Landgerichtsbezirken haben. Der Beklagte zu 2 hat seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Baden-Baden, die Beklagte zu 1 ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts Stuttgart. Beide Landgerichtsbezirken grenzen auch nicht aneinander an.

Die Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat aus abgetretenem Recht gegenüber der Beklagten zu 1 keine Ansprüche auf Ersatz der Gutachterkosten. Der Beklagte zu 2 ist jedoch verpflichtet, die entstandenen Gutachterkosten nebst den Nebenforderungen auszugleichen.

1) Der Kläger hat aus abgetretenem Recht gegenüber der Beklagten zu 1 keinen Anspruch. Zwar ist die Abtretung vom 1.2.2011 (Anlage K 3) wirksam, da sie die Anforderungen des Bundesgerichtshofs an die inhaltliche Bestimmtheit einer Abtretungserklärung im Hinblick auf die abgetretene Forderung (BGH, NJW 2011, 2713 ff.) erfüllt, Abgetreten sind nicht sämtliche Ansprüche aus dem Unfallereignis, sondern ganz konkret bezeichnet die Ansprüche des Geschädigten auf Ersatz der Gutachterkosten. Insofern liegt nicht nur eine Beschränkung der Höhe nach vor.

Dennoch hat der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1, da kein Pflichtversicherungsfall vorliegt, bei dem der Geschädigte Direktansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung nach §§ 113, 114, 115 VVG hat Die Beklagte zu 1 ist lediglich im Rahmen einer gewerblichen Haftpflichtversicherung regulierungspflichtig. Es ist von Klägerseite nichts dazu vorgetragen und auch nichts dafür ersichtlich, dass es sich bei diesem Versicherungsverhältnis um eine Pflichtversicherung im Sinne von § 113 VVG handelt.

2) Der Kläger hat jedoch aus abgetretenem Recht gegenüber dem Beklagten zu 2 Anspruch auf Ersatz der angefallenen weiteren Gutachterkosten. Unstreitig wurde vom Kläger ein weiteres Gutachten erstellt. Dies lässt den Schluss darauf zu, dass insoweit ein gesonderter Auftrag erteilt wurde. Einer Beweisaufnahme hierzu bedurfte es nicht.

Die Kosten für diese ergänzende Stellungnahme des Klägers sind erstattungsfähig.

Grundsätzlich sind die Kosten eines Sachverständigengutachtens als unmittelbar mit dem Schaden verbundene Kosten ein auszugleichender Vermögensnachteil, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Es kommt darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte. Es entspricht einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall nicht gehalten ist, sich auf die Begutachtung des Sachschadens durch die Versicherung zu verlassen. Vielmehr kann der Geschädigte selbst dann ein eigenes Sachverständigengutachten in Auftrag geben, wenn er weiß, dass die Versicherung einen eigenen Sachverständigen beauftragt hat (OLG Stuttgart, Urt. v. 30.1.1974 – 13 U 125/73, NJW 1974, 951; KG, Urt. v. 26.4.1976 -12 U 2992/75, DAR 1976, 241 f., juris Rn. 54; KG, Urt. v. 1.7.1976 – 12 U 268/76, DAR 1977, 16, juris Rn. 40; LG Mannheim, Urt. v. 30.5.1980 – 20  194/79, ZfS 1980, 266M LG Essen, Urt. v. 14.1.1981 – 1 S 570/80, DAR 1981, 224; LG Stuttgart, Urt. v. 19.11.1971 – 6 S 237/71, VersR 1972, 698 f.; Meine! , VersR 2005, 201). Aus dem Grundsatz der „Waffengleichheit“ folgt im Gegenteil, dass gerade bei einer Beauftragung eines Sachverständigen durch die Versicherung der Geschädigte das Recht behalten muss, das Gutachten eines Sachverständigen „seines Vertrauens“ einzuholen (so ausdrücklich OLG Stuttgart, Urt. v. 30.11974 – 13 U 125/73, NJW 1974, 951, juris Rn. 37 a.E.). Dieser sog. Grundsatz der Waffengleichheit gilt nicht nur im Schadensrecht, sondern ganz allgemein und besagt, dass die Kosten für die Beauftragung von Privatgutachten stets dann als erforderlich und damit auch erstattungsfähig angesehen werden müssen, wenn einer Partei mangels eigener Sachkunde die Beurteilung eines rechtserheblichen Sachverhaltes nicht möglich ist (AG Achern, 1 C 281/08 – Urteil vom 18.06.2010; OLG Brandenburg, Urt. v. 9.4.2008 – 4 U 102/07, juris Rn. 54; VGH München, Urt. v. 5.11.2007 – 23 C 07.2664, juris Rn. 6; OLG Jena, Besohl. v. 3.11.2005 – 2 W 509105, juris Rn. 5; OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.10.2002 – 18 W 216/02; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.7,2003 – 21 W 33/03; OLG Saarbrücken, Besohl. v. 28.7.2004 – 2 W 181/04; OLG Braunschweig, Beschl. v. 27.3.2002 – 2 W 95/02, JurBüro 2003, 311 f.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.2.1996 – 4 W 3/96, RuS 1996, 332; LG Hamburg, Beschl. v. 31.10.2002 – 315 O 475/01, JurBüro 2003, 511). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn es für den Geschädigten darum geht, sich mit Einwendungen des Schädigers gegen das von ihm bereits eingeholte Gutachten auseinanderzusetzen. Es ist vom den Beklagten nichts dafür vorgetragen und auch nichts dafür ersichtlich, dass der Geschädigte ohne weitere Einschaltung des Gutachters in der Lage gewesen wäre, sich mit den Einwendungen der Beklagtenseite gegen das bereits vorliegende Gutachten auseinanderzusetzen.

Der Kläger hat daher Anspruch auf Ersatz der sich aus der Rechnung vom 1.2.2011 ergebenden Gutachterkosten in Höhe von 154,70 E.

3) Die zugesprochenen Nebenforderungen rechtfertigen sich aus Verzug, §§ 286 ff. BGB.

4) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nummer 11, 711, 713 ZPO.

Es bleibt nunmehr noch zum Schluss zu erwähnen, dass die Versicherung der Meinung war, dass die Kosten für die Stellungnahme bereits deshalb nicht erstattungsfähig sind, weil die Geschädigte trotz der Stellungnahme auf ein Einklagen des noch offenen Schadenersatzes verzichtet hat. Das ist natürlich eine sinnfreie Begründung, aber diese ist in der täglichen Praxis häufiger anzutreffen.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter Abtretung, Haftpflichtschaden, Sachverständigenhonorar, Stellungnahme, Württembergische Versicherung abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

1 Antwort zu AG Achern urteilt zu den Kosten einer Stellungnahme zu einem Prüfbericht (1 C 135/11 vom 20.09.2011)

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Andreas,
    schönes Urteil, das mal wieder der Versicherung zeigt, dass der „Prüfbericht“ eigentlich nicht das Papier wert ist, auf dem er geschrieben ist. Leider sehen manche Richter diesen von den Versicherungen bei Dienstleistern in Auftrag gegebenen Kürzungsbericht als „Gutachten“ an. Aus dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit absolut richtig. Wie soll der Geschädigte als technicher und schadensrechtlicher Laie zu dem Kürzungsbericht Stellung nehmen? Der eintrittspflichtige Versicherer fordert doch mit den unberechtigten Kürzungen, seien es Stundenverrechnungssätze oder Verbringungskosten oder Ersatzteilaufschläge, die notwendige gutachterliche Stellungnahme des Schadensgutachters heraus. In den Augen des Geschädigten muss sich der Gutachter doch zu den von der Versicherung gemachten Kürzungen äußern. Erst dann stellt der Geschädigte fest, dass von den Kürzungen nichts übrig bleibt und er den Differenzbetrag einklagen muss. Die hier dargestellten Urteile zeigen dann auch, dass regelmäßig die Kürzungen in den Prüfberichten rechtswidrig sind. DEKRA, Control-Expert und andere fungieren als Erfüllungsgehilfen der Versicherer. Auch dieses Urteil verdient es, einem breiten juristischen Publikum bekannt gegeben zu werden. Ob Juris das auch veröffentlicht?
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert