„Aktives Schadenmanagement“ ordnungswidrig – Bußgeld bis 50.000 Euro

Mit seinem Gesetz vom 29.7.2009 („Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen“, siehe PDF) hat der Gesetzgeber einer EU-Richtlinie folgend den Tatbestand wettbewerbswidriger Telefonwerbung konkretisiert und zugleich Strafvorschriften in das Gesetz eingefügt.

Die entscheidenden Paragrafen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) lauten nun:

§ 7 Unzumutbare Belästigungen
(1) Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.
(2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen
2. bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung oder gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung,

§ 20 Bußgeldvorschriften
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 7 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung mit einem Telefonanruf wirbt.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.
(3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen.

Für das „aktive Schadenmanagement“ im allgemeinen und für die „Direktvermittlung“ im besonderen dürfte nach Einführung dieser Regelungen folgendes gelten:

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG wird ein Verbraucher in unzumutbarer Weise durch einen werbenden Telefonanruf belästigt, wenn er dem Anruf nicht zuvor ausdrücklich zugestimmt hat (OLG Frankfurt/Main, NJW-RR 2005, 1400; BGH, GRUR 1995, 220 – Telefonwerbung V; vgl. Köhler, UWG 27. Auflage, § 7 Rn 142 ff). Eine Briefwerbung kann – auch ohne Widerspruch des Empfängers – als unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 1 UWG angesehen werden, wenn sie so gestaltet ist, daß sich der Empfänger erst näher mit ihr auseinandersetzen muß, um den werblichen Charakter zu erkennen (BGH, GRUR 1973, 552 – Briefwerbung). Das Angebot zur Direktvermittlung muß daher als unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 UWG aufgefasst werden (vgl. schon Schlüszler, zfs 2007, 123).

Ruft ein Versicherungsunternehmen den Anspruchsteller an, ohne daß er seine ausdrückliche Zustimmung erteilt hat, verstößt das Erbieten von Regulierungsdienstleistungen, etwa das Anbieten der Vermittlung eines Ersatzfahrzeuges gegen die Regelungen von § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG und erfüllt damit zugleich den Ordnungswidrigkeitentatbestand nach § 20 UWG. Der Tatbestand ist auch dann erfüllt, wenn die Werbung nicht zum Erfolg geführt hat (vgl. Köhler, UWG 27. Auflage, § 7 Rn 142).

Das Gesetz sieht bei Verstoß gegen § 20 UWG auch eine Geldbuße von bis zu fünzigtausend Euro vor, § 17 Absatz 4 OWiG lässt auch ein über diesen Betrag hinausgehendes Bußgeld zu. Anzeigen darf den Verstoß jeder, es ist nicht notwendig, daß der Anzeigende durch die Ordnungswidrigkeit in seinen Interessen beeinträchtigt worden ist (Göhler-Seitz, Ordnungswidrigkeitengesetz, 13. Auflage, vor § 59, Rn 31). Das heißt, die Anzeige der Ordnungswidrigkeit kann durch Autovermieter, Sachverständige, Rechtsanwälte, Geschädigte sowie Dritte gleichermaßen vorgebracht werden.

Die Anzeige kann formfrei bei der Bundesnetzagentur

Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas,
Telekommunikation, Post und Eisenbahnen
Nörderltstraße 5
59872 Meschede

eingereicht werden.

Die Bundesnetzagentur stellt aber auch ein Formular bereit, mit dem die typischen UWG-Verstöße angezeigt werden können.

Weil der Gesetzgeber bei der Neuregelung das „aktive Schadenmanagement“ offenkundig nicht als typischen Fall im Blick hatte, mag der vorliegende Text (hier als PDF) die Ordnungswidrigkeitenanzeige verdeutlichen.

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6 Antworten zu „Aktives Schadenmanagement“ ordnungswidrig – Bußgeld bis 50.000 Euro

  1. Babelfisch sagt:

    Ein höchst interessanter Beitrag, Herr Schüszler, erlaubt er doch möglicherweise einen weiteren Angriffspunkt gegen das „aktive Schadensmanagement“. Ergänzend dazu wäre vielleicht noch der Hinweis, dass nach § 10 UWG eine Gewinnabschöpfung möglich wäre und dass der Anspruch auf Unterlassung, Schadensersatz und das Gebot der Abmahnung nach 6 Monaten verjähren.

  2. Boris Schlüszler sagt:

    Der Vorteil ordnungsrechtlicher Verfolgung rechtswidrigen Verhaltens liegt darin, daß der Antragsteller nicht mit einem Kostenrisiko behaftet ist.

    Die zuständige Behörde ist verpflichtet, den Sachverhalt zu überprüfen. Welche Maßnahmen die Behörde verhängt, liegt in ihrem Ermessen. Gehen bei der Behörde ständig Anzeigen gegen einen bestimmten Versicherer ein, steigt die Wahrscheinlichkeit, daß das (Ordnungs-)Recht zuletzt durchgesetzt wird.

    Wir haben hier erstmals eine realistische Möglichkeit, daß Schadenmanagement ohne riskante Wettbewerbsverfahren einzudämmen (nachdem der OWi-Paragraph aus dem RDG entfernt wurde)… wenn fleißig angezeigt wird — und die Behörde davon überzeugt werden kann, daß Schadenmanagementaktivitäten § 7 UWG unterfallen.

    Vielleicht mag ein Berufener (Peter Pan?) ein Formular entwerfen, daß besser geeignet ist, „aktives Schadenmanagement“ anzuzeigen als das Formular der Bundesnetzagentur?

    Es sei daran erinnert, daß die Strafprozessordnung in weiten Teilen auch für das Ordnungswidrigkeitenrecht gilt. Mich belebt die Phantasie, daß bei der Bundesnetzagentur wegen der flutartigen Menge der Schadenmanagement-Anzeigen eine eigene Abteilung gegründet wird, die zum Beispiel Hausdurchsuchungen und Tatwerkzeug-Beschlagnahmen bei Versicherungsunternehmen durchführt! Das wäre höchst unterhaltsam! 😎

    Also Leidensgenossen… frisch ans Werk: anzeigen, anzeigen, anzeigen.

  3. Hunter sagt:

    Wer weiß, vielleicht geht das Gesetz noch in die Geschichte ein?

    „DEVK Gesetz“ analog „Porsche-Urteil“.

    Von wegen unter Schock stehende Geschädigte direkt an der Unfallstelle am Handy „behämmern“, auf dem Nachhauseweg belästigen oder spätestens gleich zu Hause mit dem aktiven Schadenmanagement „zutexten“.

    Beweisnot wird es auf alle Fälle keine geben. Die angeblichen „Abmachungen“ werden ja seitens der DEVK stets schriftlich bestätigt.

    Wer läuft eigentlich ins strafrechtliche Messer? Der Sachbearbeiter, die Versicherung, oder beide?

    Volldampf voraus ! Und nicht nur bei der DEVK.

  4. WESOR sagt:

    Wenn man die Weisungswut der Versicherungen damit eindämmen könnte , wäre für die Geschädigten viel gewonnen.

    Wie hat es der Amtsrichter in Frankfurt/Oder formuliert;
    Der Versicherer wird und muss dem Geschädigten nicht in allen Rechtspositionen aufklären. Dazu soll sich der Geschädigte des eigenen Gutachter und Rechtsanwaltes auf Kosten des Verursachers bedienen!
    Für falsche Meinungsäusserung kann der Verursacher nicht bestraft werden, auch wenn es eine Versicherung ist.

    Oder hat man hier vielleicht Erfolg damit.

  5. Willi Wacker sagt:

    Hallo Herr Schlüszler,
    ein recht interessanter Beitrag, den Sie hier eingestellt haben. Ist der § 7 jetzt doch Angriffspunkt für Beschwerden und Anzeigen gegen Versicherungen und deren Mitarbeiter, die im Auftrage der Versicherung unberechtigter Weise anrufen. Unberechtigt ist dies, wenn praktisch noch am Unfallort der Geschädigte angerufen wird. Unberechtigt wohl auch dann, wenn der Geschädigte angerufen wird und ihm mitgeteilt wird, dass das Fahrzeug durch einen SV der Versicherung besichtigt würde. Unberechtigt immer auch dann, wenn ohne Zustimmung fernmündlich Kontakt zum Geschädigten gesucht wird.
    Der Aufruf an die Unfallgeschädigten kann daher nur immer wieder wiederholt werden: Eigenen Anwalt seiner Wahl und eigenen SV sofort beauftragen.
    Wichtig ist auch, sich den Namen des anrufenden Sachbearbeiters angeben zu lassen. Bußgeldpflichtig wird der SB als unberechtigter Anrufer. Aber man sollte auch die Arbeitgeberin des SB anzeigen, da der SB sich mit Sicherheit darauf beruft, von der Abteilungsleitung pp. dazu angehalten worden zu sein. Letztlich ist aber der SB der Dumme, der das Bußgeld einstecken muss, weil er der Betroffene des Bußgeldverfahrens ist.
    Noch einen schönen Sonntag
    Willi Wacker

  6. Willi Wacker sagt:

    Hallo Peter Pan,
    ich bin auch der Auffassung, dass Du als Mitgründer dieses Blogs dazu berufen bist, hier entsprechend dem Vorschlag des Herrn Schlüszler tätig zu werden. Ich warte auf Deinen Kommentar.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi Wacker

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