AG Calw verurteilt Württembergische Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (7 C 761/09 vom 29.12.2009)

Mit Urteil vom 29.12.2009 (7 C 761/09) hat das Amtsgericht Calw die Württembergische Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 338,79 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht wendet die Schwacke-Liste an, die Fraunhofer Tabelle wird abgelehnt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Bezahlung von 338,79 € aus §§ 7, 17 StVG i.V.m § 115 VVG, §§ 823, 249 BGB.

Nach der Rechtsprechugg kann der Geschädigte vom Schädiger gemäß § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH NJW 2007, 2916 m.w.N.). Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erfor­derlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehe­­bung zu wählen. Dies bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlan­gen kann.

Allerdings verstößt der Geschädigte noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Fahrzeug zum Unfallersatztarif anmietet, der ge­genüber einem „Normaltarif“ teurer ist, soweit die Besonderheit des Tarifs mit Rück­sicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarff höheren Preis rechtfer­tigt, weil er auf Leistungen des Vermieters beruht, die durch die besondere Unfallsi­tuation veranlasst sind und in Folge dessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind.

Das Gericht folgt der bisherigen Rechtsprechung des Landgerichts Tübingen und des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart ( Urteil vom 10.6.2009, Aktenzei­­chen 3 U 30/09), wonach der in Ansatz zu bringende Normaltarif unter Heranziehung des Schwacke-Mietpreisspiegels für das Jahr 2008 ermittelt werden kann. Der BGH hat eine Schätzung auf dieser Grundlage wiederholt ausdrücklich gebilligt ( BGH NJW 2009, 58; 2008, 2910; 2007, 3782).

Im vorliegenden Fall hält das Gericht auch einen Aufschlag auf den Normaltarif in Höhe von 18 % wie geltend gemacht für ersatzfähig. Der Unfall erfolgte an einem Samstag gegen 13.30 Uhr, also einem Zeitpunkt, an dem im Raum Calw die poten­tiellen Autovermieter bereits ihr Geschäft geschlossen haben. Das Autohaus X hatte daher zusätzliche Aufwendungen wegen der Anmietung außerhalb der Geschäftszeit. Da der Mietpreis für das Fahrzeug nicht sofort bei Anmietung entrich­tet wurde, sondern von der Vermieterkette kreditiert wurde, erscheint ein weiterer Aufschlag gerechtfertigt, da der Autovermieter hier das Risiko des Zahlungsausfalls bzw. der verspäteten Zahlung trägt.

Die geltend gemachten Kosten für Winterreifen hält das Gericht ebenfalls für erstat­tungsfähig. Es kann einem Unfallgeschädigten in der Gegend von Calw nicht zuge­mutet werden im Januar mit einem Mietfahrzeug ohne Winterreifen zu fahren.

Eine Abrechnung der Mietwagenkosten nach der Schwacke-Liste 2007 mit einer Wo­chenpauschale von 470,95 € bei Mietwagenklasse 3 ist nach Ansicht des Gerichts nicht zu beanstanden. Allerdings sind die Preise aus der Schwacke Liste bereits mit der Mehrwertsteuer berechnet, so dass die Mehrwertsteuer nicht extra hinzu gerech­net werden kann. Insoweit ist von der Rechnung ein Abzug von 176,38 € vorzuneh­men.

Auch die weiteren Einwendungen der Beklagtenseite gegen die Anwendbarkeit der Schwacke Liste greifen nicht durch. Für das erkennende Gericht erscheint es zwei­felhaft, ob der Mietpreisspiegel des Fraunhofer-Instituts, dessen Werte nach der An­sicht der Beklagten den wirklichen Werten auf dem Mietwagenmarkt entsprechen, eine geeignete Schätzungsgrundlage bilden kann. Das Fraunhofer Institut hat sich bei der Recherche nach den marktüblichen Preisen auf Internet-Recherchen und dort auf Internet-Portale beschränkt, die eine verbindliche Buchung erlauben, und sich damit auf die vorhandenen namhaften und großen Anbieter beschränkt. Außerdem beschränkt sich diese Untersuchung auf zweistellige, hinsichtlich der telefonischen Erhebung sogar auf einstellige Postleitzahl-Bereiche, so dass die Gefahr besteht, dass regionale Besonderheiten nicht ausreichend berücksichtigt werden. Es kommt hinzu, dass eine Vorbuchungszeit von einer Woche, die Grundlage der Erhebungen des Fraunhofer Instituts war, regelmäßig bei der Anmietung eines Fahrzeugs aus Anlass eines Unfalls nicht eingehalten werden kann und daher in solchen Fällen die Ausnahme bildet. Schließlich handelt es sich um eine von der Versicherungswirt­schaft in Auftrag gegebene Studie, deren Unabhängigkett und Neutralität in Frage gestellt werden kann (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 10.6.2009, Aktenzeichen 3 U 30/09).

Soweit die Beklagte vorträgt, dass der Kläger bei Avis oder Europcar einen Mietwa­gen zu erheblich günstigeren Konditionen hätte mieten können, ist zu bemerken, dass es sich bei den vorgelegten Angeboten um Internet Angebote handelte.

Es ist im Übrigen gerichtsbekannt, dass Buchungen im Internet nur mit Kreditkatten möglich sind. Bei der Versendung von Kreditkartendaten besteht ein erhebliches Ri­siko. Es besteht in diesen Fällen die konkrete Gefahr, dass Dritte sich diese Daten verschaffen und zu unlauteren Zwecken missbrauchen. Wer freiwillig den Weg wählt, eine solche Transaktion vorzunehmen, der trifft die Entscheidung unter Abwägung der bestehenden Risiken. Nach Ansicht des Gerichts kann es einem Unfallge­schädigten aber nicht zugemutet werden, diese Risiken gezwungenermaßen einzu­gehen und Buchungen über das Internet vorzunehmen, wenn er das eigentlich gar nicht möchte oder gar nicht im Besitz einer Kreditkarte ist.

Ein Abzug für ersparte Eigenkosten ist im vorliegenden Fall nicht vorzunehmen, nachdem der Kläger ein Fahrzeug angemietet hat, das eine Stufe niedriger einzustu­fen ist, als das beschädigte Fahrzeug.

Damit sind Mietwagenkosten in Höhe von 928,29 € berechtigt. Darauf hat die Beklag­te 589,50 € bezahlt, so dass noch ein Betrag von 338,79 € zur Zahlung offen steht.

Der Anspruch auf die nicht anrechenbaren außergerichtlichen Anwaltskosten folgt aus §§ 286, 280 BGB. Auch durch die Reduzierung der begründeten Forderung auf 338,79 € sind Gebühren in dieser Höhe angefallen.

Der Klage war daher vollumfänglich stattzugeben.

Soweit das AG Calw.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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