AG Diez verurteilt die bei der VHV versicherte Unfallverursacherin mit Urteil vom 5.4.2016 – 3 C 131/15 – zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten, nachdem die VHV vorgerichtlich nicht vollständigen Schadensersatz geleistet hat.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

nach dem heute morgen veröffentlichten Schrotturteil des AG Bochum stellen wir Euch hier – quasi als Kontrastprogramm dazu – ein positives Urteil des AG Diez zu den restlichen Sachverständigenkosten gegen die bei der VHV Versicherung versicherte Unfallverursacherin vor. Zu Recht hat der von dem Kläger eingeschaltete Rechtsanwalt den Schadensersatzanspruch gegen die VHV Versicherung nicht weiterverfolgt, sondern statt dessen die Schädigerin persönlich wegen des Restschadensersatzes in Anspruch genommen. Bei dem vom Kläger beauftragten Anwalt handelt es sich übrigens um einen im Verkehrsrecht sehr erfahrenen Anwalt, der auch bereits veröffentlichte juristische Beiträge mitverfasst hat. Weil die Klage schlüssig dargestellt wurde, konnte das angerufene Gericht ohne jeglichen Bezug auf die BGH-Rechtsprechung und ohne Bezug auf die Angemessenheitsliste des BVSK auskommen. Wir finden, dass die erkennende Amtsrichterin des AG Diez ein sauberes Urteil verfasst hat. Lest aber selbst das Urteil vom 5.4.2016 und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Aktenzeichen:
3 C 131/15

Verkündet am 05.04.2016

Amtsgericht Diez

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

In dem Rechtsstreit

des Herrn M. K. aus N.

Kläger –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte I. & P. aus A.

gegen

Frau O. K. aus K.  (bei der VHV- Versicherung Versichterte)

Beklagte

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt U.  Z. aus K.

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Diez durch die Richterin am Amtsgericht W. am 29.03.2016 mit Zustimmung der Parteien ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:

1.     Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 202,02 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.08.2015 zu zahlen.

2.     Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3.     Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.     Die Berufung wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

Die Parteien streiten vorliegend um restliche Schadensersatzansprüche betreffend Sachverständigenkosten aufgrund eines Verkehrsunfalls in Nassau am 27.02.2015 Langenauerstraße Höhe Hausnummer 12. Die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls weitere 202,02 € Sachverständigenkosten zu zahlen.

Der Schädiger hat grundsätzlich die tatsächlich angefallenen Sachverständigenkosten zu ersetzen, soweit diese aus Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich sind. Hinsichtlich der hier nur noch streitgegenständlichen Kosten ist dabei maßgeblich, ob sich die an den Sachverständigen gezahlten Kosten im Rahmen des Erforderlichen halten, d.h. die Kosten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und erforderlich erachtet. Dies ist hier der Fall. Der Kläger ist nicht verpflichtet zunächst eine Marktforschung zu betreiben, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu finden. Die Abrechnung des hier beauftragten Sachverständigen entspricht auch nach ständiger Rechtsprechung einer rechtlich zulässigen Preisgestaltung. Ein Preisvergleich ist einem Geschädigten in der Regel nicht möglich und nicht zuzumuten. Der Streit über die Höhe der Gutachterkosten kann nicht auf dem Rücken der Geschädigten ausgetragen werden.

Etwas anderes kann nach Rechtssprechung des erkennenden Gerichts und auch der zuständigen Berufungskammer beim Landgericht Koblenz immer nur dann gelten, wenn der Geschädigte sich im Einzelfall eine Verletzung der Schadensminderungspflicht entgegenhalten lassen muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn dem Geschädigten auf den ersten Blick hätte auffallen müssen, dass das Honorar des Sachverständigen nicht einer üblichen Vergütung nach § 632 BGB und der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspricht und deutlich erkennbar überhöht ist. Dies ist vorliegenden offensichtlich nicht der Fall.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind diesem Honorar die geltend gemachten Nebenkosten für Schreibauslagen und Kopien hinzuzusetzen. Inwieweit die genannten Kosten für übersetzt angesehen werden, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Im Übrigen gilt hier auch das oben Gesagte.

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

Die Zinsentscheidungen folgen aus §§ 288, 247 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 ZPO nicht vorliegen.

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2 Antworten zu AG Diez verurteilt die bei der VHV versicherte Unfallverursacherin mit Urteil vom 5.4.2016 – 3 C 131/15 – zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten, nachdem die VHV vorgerichtlich nicht vollständigen Schadensersatz geleistet hat.

  1. Kfz.-Sachverständigenbüro Dipl.-Ing. Harald Rasche sagt:

    Guten Morgen, Willi Wacker,
    im Zuge von rechtswidrigen Honorarkürzungen wird versicherungsseitig der Geschädigte diskriminiert als ein nicht verständiger und nicht wirtschaftlich denkender Mensch. Einer solchen Verunglimpfung ist jedoch die Richterin W. am AG Dietz nicht gefolgt, sondern hat folgerichtig nach dem Gesetz ausgeführt:

    „Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls weitere 202,02 € Sachverständigenkosten zu zahlen.

    Der Schädiger hat g r u n d s ä t z l i c h die t a t s ä c h l i c h angefallenen Sachverständigenkosten zu ersetzen, soweit diese aus Sicht des Geschädigten i m Z e i t p u n k t der Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich sind.“

    Also auch hier pflichtbewusst Wahrung einer schadenersatzrechtlich bedeutsamen Maxime: 100 % Haftung bedingen auch 100 % Schadenersatz, wenn man Sinn und Zweck des § 249 S.1 BGB nicht zu unterlaufen beabsichtigt.

    Diese Richterin hat bei der Person des Geschädigten, fern jedweder Diskriminierung, auch einen verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen unterstellt, denn schadenersatzrechtlich gibt es in der Regel auch keine tragfähigen Gründe, von einer ehrabschneidenden Bewertung auszugehen.

    Klar und eindeutig auch:

    „Die Abrechnung des hier beauftragten Sachverständigen entspricht auch nach ständiger Rechtsprechung einer rechtlich zulässigen Preisgestaltung. Ein Preisvergleich ist einem Geschädigten in der Regel nicht möglich und nicht zuzumuten. Der Streit über die Höhe der Gutachterkosten kann nicht auf dem Rücken der Geschädigten ausgetragen werden.“

    Hinsichtlich der bestehenden Schadenersatzverpflichtung insoweit auch unmissverständlich:

    „Etwas anderes kann nach Rechtssprechung des erkennenden Gerichts und auch der zuständigen Berufungskammer beim Landgericht Koblenz immer nur dann gelten, wenn der Geschädigte sich im Einzelfall eine Verletzung der Schadensminderungspflicht entgegenhalten lassen muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn dem Geschädigten auf den ersten Blick hätte auffallen müssen, dass das Honorar des Sachverständigen nicht einer üblichen Vergütung nach § 632 BGB und der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspricht und deutlich erkennbar überhöht ist. Dies ist vorliegenden offensichtlich nicht der Fall.“

    Ja, „auf den ersten Blick“ und „im Zeitpunkt der Beauftragung“ sind schadenersatzrechtlich beurteilungsrelevante Randbedingungen aus der ex ante Position des Geschädigeten unter Berücksichtigung seiner Sichtweite und Sichtweise. Eine andere Sichtweise aus einer ex post Perspektive
    eines Schädigers oder Gerichts steht hingegen nicht im Fokus. Deshalb handelt es sich hier auch um ein verständliches Urteil, das im Dschungel hierzu ansonsten angestellter Überlegungen und Interpretaionen Bestand hat und somit Beachtung verdient.

    Dipl.-Ing. Harald Rasche
    Bochum & Tangendorf

  2. Jens v. B. sagt:

    Die Prüfung der Frage, ob die Preisbestimmung billigem Ermessen entspricht, zielt nicht darauf ab, einen „gerechten Preis“ von Amts wegen zu ermitteln. Vielmehr geht es darum, ob die getroffene Bestimmung sich noch in den Grenzen der Billigkeit hält (BGH, LM § 315 BGB Nr. 12 = BB 1971, 1175 [1176]; LM LuftVZO Nr. 5/6 = WM 1978, 1097 [1099]). Erst wenn der Berechtigte die ihm durch die Billigkeit gesetzten Grenzen bei der Preisbemessung überschritten hat, ist die Bestimmung durch die Entscheidung des Gerichts zu ersetzen (§ 315 III 2 BGB), nicht aber bereits dann, wenn das Gericht eine andere Festsetzung für besser hält (BGH, NJW-RR 1991, 1248; vgl. auch Staudinger/Rieble, § 315 Rn. 128; Gottwald, in: MünchKomm, § 315 Rn. 29 f.).
    J.v.B

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