AG Dortmund verurteilt in einem Schadensersatzprozess mit einem mehr als kritisch zu betrachtendem Urteil vom 23.8.2017 – 404 C 488/17 – den Schädiger persönlich nur zu einem der eingeklagten, erfüllungshalber abgetretenen restlichen Sachverständigenkosten.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

heute stellen wir Euch ein Urteil des Amtsgerichts Dortmund in einem Schadensersatzprozess vor. Geklagt hatte die Sachverständigen-GmbH aus abgetretenem Recht unmittelbar gegen den Unfallverursacher, nicht gegen den kürzenden Kfz-Versicherer. Insoweit wären die Grundzüge des BGH-Urteils VI ZR 225/13, bei dem es auch um die Schadensersatzklage gegen den Schädiger persönlich ging, zur Anwendung zu bringen gewesen. Aber das Gericht prüft im Rahmen des § 287 ZPO die (werkvertragliche ) Angemessenheit der berechneten Kosten, wobei sich die Frage stellt, ob diese Norm überhaupt zu Lasten des Klägers hätte angewandt werden dürfen? Nach der Ansicht der überwiegenden BGH-Zivilsenate stellt § 287 ZPO eine Darlegungs-. und Beweiserleichterungsnorm zugunsten des Klägers dar. Lediglich der VI. Zivilsenat räumt als Mindermeinung dem Tatrichter eine Kürzungsmöglichkeit ein. Maßgeblich kommt es jedoch im Schadensersatzprozess nicht auf die werkvertragliche Angemessenheit i.S. d. §§ 631, 632 ff. BGB an, sondern um die Wiederherstellung des vor dem Schadensereignis bestehenden Zustandes, § 249 I BGB. Dabei wirkt der vom Geschädigten hinzugezogene Sachverständige bei der dem Schädiger obliegenden Herstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes als Erfüllungsgehilfe des Schädigers (vgl. OLG Naumburg DS 2006, 283 = NJW-RR 2006, 1029) mit. Dass der Sachverständige den Schadensersatzanspruch des Geschädigten erfüllungshalber geltend macht, ändert den Schadensersatzanspruch nicht. Der Zessionar (sprich: der klagende Sachverständige) erwirbt die Forderung in der Form, wie sie zuvor in der Person des Zedenten (sprich: Schädigers) bestanden hat (vgl. BGH VI ZR 491/15 Rn. 22). Daher bleibt auch nach der Abtretung der Schadensersatzanspruch ein Schadensersatzanspruch und wandelt sich nicht in einen Werklohnanspruch um. Insoweit handelt es sich bei dieser Leistung der erkennenden Amtsrichterin um eine nicht mehr brauchbare juristische Leistung. Was denkt ihr? Gebt bitte Eure Kommentare ab.  

Viele Grüße
Willi Wacker

404 C 4888/17

Amtsgericht Dortmund

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

der … GmbH ,

Klägerin,

gegen

Herrn … ,

Beklagten,

hat das Amtsgericht Dortmund
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
23.08.2017
durch die Richterin am Amtsgericht B.

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 32,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.3.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 63 % und der Beklagten zu 37 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Ohne Tatbestand gemäß § 313 a ZPO

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zum Teil begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf restlichen Schadensersatz aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall in Höhe von 32,11 Euro. In dieser Höhe hat die Beklagte die zu erstattenden Sachverständigenkosten zu Unrecht gekürzt:

Das Gericht legt der vorzunehmenden Schätzung nach § 287 ZPO die nach der BSVK Umfrage angemessenen Grundgebühren (Der Sachverständige berechnet keine Gebühren; Gemeint sind wohl -kosten!; Anm. des Aurors!) zuzüglich der Nebenkosten, die ohne Aufschlag nach dem JVEG berechnet werden, zugrunde.

Danach durfte der Sachverständige ein Grundhonorar von bis zu 320,- Euro
verlangen.

Für Porto und Telefon kann er eine Pauschale von 15,- Euro einsetzen.

Für den ersten Satz Fotografien sind 10×2,- Euro zu berechnen. Die Zahl der notwendigen Lichtbilder bestimmt grundsätzlich der Sachverständige, der dafür zu sorgen hat, dass sein Auftraggeber später nicht in Beweisnot gerät.

Für die Kopien der Fotos sind jeweils 0,50 Euro anzusetzen, also 5,- Euro.

Die Schreibkosten werden auf 9,- Euro geschätzt, was einer Anschlagszahl von 10.000 entspricht. Die weiteren in der Rechnung des Sachverständigen enthaltenen Kostenpositionen sind im JVEG nicht aufgeführt und deshalb nicht erstattungsfähig.

Einen Grund für einen Aufschlag auf die Beträge des JVEG kann das Gericht nicht erkennen, zumal hier der Höchstbetrag des zulässigen Grundhonorars angesetzt wurde.
Damit sind 369,- Euro netto anzusetzen zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer, also 439,11 Euro. Die Beklagte hat aber nur 407,- Euro erstattet, das sind 32,11 Euro zu wenig.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 708, 713 ZPO.

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9 Antworten zu AG Dortmund verurteilt in einem Schadensersatzprozess mit einem mehr als kritisch zu betrachtendem Urteil vom 23.8.2017 – 404 C 488/17 – den Schädiger persönlich nur zu einem der eingeklagten, erfüllungshalber abgetretenen restlichen Sachverständigenkosten.

  1. G.v.H. sagt:

    Lieber Willi Wacker,
    sehr geehrte CH-Redaktion,

    dieses Urteil des AG Dortmund ist eines der schlampigsten und unqualifiziersten Urteile zum bekannten Thema, die je hier auf captain-huk.de veröffentlicht wurden. Die Bewertung als „Schrotturteil“ wäre noch die mildeste Form der Einordnung. Da sieht man mal wieder, wie eine unvollständige und verantwortungslose Honorar“befragung“ interpretiert wird. Man sollte die Dortmunder Tagespresse in gebührender Form davon informieren und das Bundeskartellamt eindringlichst um ein Tätigwerden ersuchen. Diese Richterin hat offenbar nicht Hirn, sondern Honig im Kopf und nahezu null Ahnung.
    G.v.H.

  2. Bodo von K. sagt:

    Hi, Willi Wacker,

    „Maßgeblich kommt es jedoch im Schadensersatzprozess nicht auf die werkvertragliche Angemessenheit i.S. d. §§ 631, 632 ff. BGB an, sondern um die Wiederherstellung des vor dem Schadensereignis bestehenden Zustandes, § 249 I BGB.

    Dabei wirkt der vom Geschädigten hinzugezogene Sachverständige bei der dem Schädiger obliegenden Herstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes als Erfüllungsgehilfe des Schädigers (vgl. OLG Naumburg DS 2006, 283 = NJW-RR 2006, 1029) mit.

    Dass der Sachverständige den Schadensersatzanspruch des Geschädigten erfüllungshalber geltend macht, ändert den Schadensersatzanspruch nicht. Der Zessionar (sprich: der klagende Sachverständige) erwirbt die Forderung in der Form, wie sie zuvor in der Person des Zedenten (sprich: Schädigers) bestanden hat (vgl. BGH VI ZR 491/15 Rn. 22). Daher bleibt auch nach der Abtretung der Schadensersatzanspruch ein Schadensersatzanspruch und wandelt sich nicht in einen Werklohnanspruch um.“

    Auszugsweise ist Dein vorstehender Kommentar zu diesem Urteil wieder einmal beispielgebend verständlich.
    Vielen Dank für Dein Engagement und die damit verbundene Mühe.

    Aber aus den Entscheidungsgünden ergibt sich auch etwas Positives, wenn die Richterin darin angemerkt hat:

    „Die Zahl der notwendigen Lichtbilder bestimmt grundsätzlich der Sachverständige, der dafür zu sorgen hat, dass sein Auftraggeber später nicht in Beweisnot gerät.“

    Die Handhabung der Schadenersatzbestimmung ist komplett auf dem falschen Gleis gelaufen und man fragt sich da schon, wie die Klägerin schadenersatzrechtlich vorgetragen hat, was aus den Entscheidungsgründen leider nicht herauszulesen ist.

    Der übergangslose Rückgriff auf eine Schätzung gemäß § 287 ZPO ist angesichts einer vorliegenden Rechnung ebenso unverständlich wie die Vernachlässigung der schadenersatzrechtlich nur maßgeblichen Gesamtkostenbetrachtung und die Honorarbefragung eines Berufsverbandes ist nun einmal keine „Gebührenordnung“, wobei unabhängig davon ein Mix von einer solchen Honorarbefragung und dem JVEG sowieso ein no go ist. Mir scheint, das einige Richterinnen und Richter geradezu außerirdisch motiviert sind, ihre Kompetenz zu einer vergleichenden Berechnung unter Beweis zu stellen. Da haben wir also auch hier eine Richterin mehr, die ihre Aufgabenstellung gründlichst auf Kosten des Unfallopfers verkennt. Geradezu schändlich und eine Beleidigung ist die Behauptung „Im Namen des Volkes“ und da muss man sich nicht wundern, dass es in unserem Lande eine Schar von Reichsbürgern und eine AfD gibt. Dennoch ist das Volk nicht so blöd, wie diese Richterin offenbar unterstellt.
    Da fällt mir noch mit folgendem Vers Eugen Roth ein:

    Ein Mensch denkt logisch, Schritt für Schritt.
    Jedoch er kommt nicht weit damit.
    Ein andrer Mensch ist besser dran:
    Er fängt ganz schlicht zu glauben an.
    Im Staube bleibt Verstand oft liegen-
    Der Glaube aber kann auch fliegen !

    BODO v. K.

  3. Iven Hanske sagt:

    Das ist verboten willkürlich und realitätsferne Rechtsprechung!

  4. Luis J. sagt:

    @G.v.H.
    @Willi Wacker

    Dieser themaverfehlende Prüfungswahn verschlägt einem die Sprache. Gerichte, die nur gekürzten Schadenersatz t e i l w e i s e normativ zubilligen, sind etweder hochgradig unqualifiziert oder/und nicht unabhängig.

    Das Gericht ist in einer schadenersatzrechtlichen Auseinandersetzung kein Gesetzgeber und die hier verantwortliche Richterin ignoriert schlichtweg, diesem Umstand mit den Entscheidungsgründen Rechnung zu tragen. Außerdem kann die Beklagtenseite der Klägerin auch nur das vorhalten, was sie dem Geschädigten vorhalten könnte. Das ist jedoch keine werkvertraglich ausgerichtete pauschal behauptete „Überhöhung“, sondern allenfalls ein von der Beklagtenseite dezidiert zu begründendes Auswahlverschulden und ggf. darauf abgestellt, ein Verstoß gegen die Schadengeringhaltungspflicht, wobei ein zuvor eingetretener Schaden logischerweise nicht mehr gemindert werden kann und zwar allein vor dem Hintergrund, dass die Beklagtenseite in jedweder Form das Prognoserisiko zu tragen hat und ein Gericht nicht legitimiert ist, in gesetzgeberischer Funktion ex post einen „gerechten“ Preis festzulegen. Sollte es denn tatsächlich so schwierig sein, zwischen werkvertraglichen Randbedingungen und schadenersatzrechtlichen Beurteilungskriterien zu unterscheiden, wäre der insoweit offensichtlich uninformierten Richterin dringend eine qualifizierte Nachschulung zu empfehlen, denn die maßgeblichen BGH Grundsatzentscheidungen zu dieser Thematik hat sie einfach weggebügelt. Die selektierte Anleihe an die BGH-Rechtsprechung ist außerdem verfehlt, weil dem Vorgang insgesamt eine Abtretung an Erfüllung statt zu Grunde lag und Möglichkeit einer Generalisierung ergibt sich auch aus anderen Gründen nicht.

    Jeder auch nur halbwegs informierte Mensch weiß außerdem, dass die tatsächlichen Betriebskosten für ein Kraftfahrzeug pro Kilometer in etwa um das Zwei- bis Fünffache höher liegen können, als nach dem bis heute immer noch nicht abgelösten „Entschädigungsprinzip“ des JVEG. Insoweit genügt beispielsweise allein schon ein Blick in die Erhebungen des ADAC. DAS ist die Lebenswirklichkeit in Bezug auf einen zu unterstellenden vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Menschen, dem fiktiven Dritten!

    Selbst ein klar denkender Kostenbeamte bei Gericht wird beim JVEG den Zeitaufwand für die Erstellung einer qualifizierten Fotodokumentation nicht in Frage stellen oder gar den Fahrzeitaufwand neben den Betriebskosten. Wie leichtfertig hier die besagte Richterin sich nahezu sklavisch an eine Honorarbefragung klammert, trägt dem Verantwortungsbewustsein, das dieser Berufsstand repräsentieren sollte, nicht einmal ansatzweise Rechnung. Das ist deshalb deutlich mehr als nur bedauerlich.-

    Luis J.

  5. virus sagt:

    Wer aufgrund von rechtsbeugenden Urteilen gezwungen wird, einen Teil seines fremd verschuldeten Schadens rechtswidrig und damit verfassungsfeindlich selbst zu tragen, dem steht als Justizopfer Schadensersatz von Seiten des Staates zu.

  6. Jörg sagt:

    Da haben wir es wieder – eine R i c h t e r i n. Sie können es halt einfach nicht. –> 3/4 aller Schrotturteile stammen von Richterinnen. Warum ?? Irgend etwas ist da verkehrt.

  7. Bösewicht sagt:

    Ich kann hier mitteilen, dass wirklich gut vorgetragen wurde.
    Allerdings scheint hier am AG Dortmund ohne eigene Überlegung dem LG Dortmund mit seiner völlig irrigen Rechtssprechung gefolgt zu werden. Mal sehen ob das OLG Hamm die Sache in der Zukunft mal „begradigen“ kann!?

    Beste Grüße
    Der Bösewicht

  8. Iven Hanske sagt:

    # Luis
    Beschwere dich bei den Wegweiser Wellner und Co., wo der Verstand vom GDV, der HUK und den BLD Advokaten anscheinend über Seminare und Ausflüge gekauft wurde. Das der restliche 6. Senat diese gekauften und gestreuten Verwirrungen unterstützt, beweist nur die unsouveränen Haltung. Denn bisher hat der 6. Senat keinen Fehler gemacht sondern nur die Klarstellung der beiden Abtretungsformen verweigert und damit bewusst diesen Rattenschwanz erzeugt. Ein Professor sagte dazu Bauernschläue obwohl ich das gegenüber den Bauern auch nicht schön finde.

  9. Iven Hanske sagt:

    # Virus
    Rechtsbeugung gibt es doch nur auf dem Papier, was hier auf CH teilweise zu lesen ist, ist Rechtsbeugung auf höchsten Niveau. Jedoch wird es mit Rechtsansichten, teilweise aus dem römischen Reich (z.B. Dolo agit) verschleiert. Also wie willst du den Schadensersatz beweisen, wenn der Menschenverstand zur Lachnummer konstruiert wird? Es fehlt in Deutschland heutzutage an seriöse Persönlichkeiten und dessen Entfaltungsmöglichkeiten in einer korrupten Gesellschaft. So sind auch die Wahlen verständlich. Für kinderlose Richter und Lobbyisten mag es in Ihrem Leben okay sein, aber dieser schrecklich egoistische Verlauf schadet der nächsten Generation g e w a l t ig.

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