AG Frankfurt-Höchst verurteilt HUK-Coburg Versicherung zur Erstattung der Markenwerkstattlöhne

Mit Entscheidung vom 10.06.2010 (381 C 3638/09 (37)) wurde die HUK Coburg Allgemeine Versicherung AG durch das Amtsgericht Frankfurt am Main, Außenstelle Höchst, zur Erstattung von Stundenlöhen der markengebundenen Fachwerkstatt im Rahmen der fiktiven Abrechnung verurteilt. Seitens der HUK  wurde zur Gleichwertigkeit der genannten „freien Werkstätten“ – analog den Vorgaben des „VW-Urteils“ des BGH VI ZR 53/09 vom 20.10.2009 – nicht ausreichend substantiiert vorgetragen. Die blose Existenz der benannten Werkstätten sei als Nachweis zur Gleichwertigkeit kein ausreichendes Argument.

Aus den Gründen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 722,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinsaatz seit dem 27.01.2010 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,67 € zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 37 % und die Beklagte 63 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es bleibt den Parteien nachgelassen, die Vollstreckung der jeweiligen Gegenpartei gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Restzahlung von Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.

Der Kläger ist Eigentümer eines Pkw der Marke Audi A4 mit dem amtlichen Kennzeichen WI…. . Das Fahrzeug wurde am XX.XX.2002 erstmals zugelassen. Am 12.09.2009 wies es einen Kilometerstand von 163.846 km auf. Hinsichtlich der genaueren Fahrzeugdaten wird auf die Angaben des Ingenieurbüros G. auf Seite 1 und 2 des Privatgutachtens verwiesen (Bl. 23 u. 24 d. A.). Das klägerische Fahrzeug wurde zuvor nicht ausschließlich in einer markengebundenen Fachwerkstatt in Stand gesetzt und gewartet.

Der Kläger wurde mit seinem Fahrzeug am 12.09.2009 in einen Verkehrsunfall in Hofheim a. Ts. verwickelt. Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, eines Herrn P. . Unstreitig hat die Beklagte 100 % des beim Kläger eingetretenen Schadens zu ersetzen. Streit herrscht lediglich hinsichtlich der Höhe der ansetzbaren Kosten.

Die Beklagte zahlte auf den klägerischen Schaden zum einen die Unkostenpauschale von 20,00 € sowie Sachverständigenkosten von 499,85 €, Auf die Reparaturkosten zahlte sie 2.862,82 €. Der Kläger hatte hinsichtlich der Reparaturkosten das Ingenieurbüro G. mit einer Schätzung beauftragt. Dieses schätzte die Reparaturkosten unter Zugrundelegung der Preise von Vertragswerkstätten auf netto 3.335,33 € (vergl. Bl. 16 ff. d. A.). Darüber hinaus wird darin eine merkantile Wertminderung von 250,00 € angesetzt (vergl. Bl. 14 d. A.).

Der Kläger ist der Auffassung, dass er gemäß dem Privatgutachten G. noch die Differenz von 2.862,82 € auf die Nettoreparaturkosten von 3.336,33 € verlangen könne, mithin noch 492,51 €. Weiterhin könne er eine merkantilen Minderwert von 250,00 € geltend machen.

Nachdem zunächst vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 643,59 € geltend gemacht wurden (vergl. Bl. 1 d. A.), wurde diesbezüglich die Klage mit Schriftsatz vom 11.01.2010 auf einen Betrag von 120,87 € reduziert (Bl. 47 d. A.). In der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2010 wurde noch der Zinsantrag zur Hauptsacheforderung ergänzt.

Der Kläger beantragt daher nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 722,81 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Weiterhin beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, außergerichtlich entstandene Gebühren in Höhe von 120,67 € an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Kläger angesichts des Alters des Fahrzeuges keinen Anspruch habe, seiner Abrechnung die Kosten der Reparatur in einer Vertragswerkstatt zugrunde zu legen, Es könne auf die Kosten von alternativen, nicht markengebundenen Werkstätten verwiesen werden. In der Klageerwiderung werden fünf Reparaturbetriebe genannt; Karosseriebau S. in M., Auto H. in M., Autolackiererei E. in W., H. & M. in H. und Karosseriebau F. in W. . Diese Reparaturbetriebe könnten zu den von der Beklagten in ihrer Abrechnung genannten Kosten eine sach- und fachgerechte Reparatur des Fahrzeuges des Klägers unter Verwendung von Originalersatzteilen nach Herstellervorgaben durchführen und dies sei gleichwertig zu einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt. Diese Reparaturbetriebe würden sich 0 – 10 km in der Nähe des klägerischen Wohnortes befinden. Die Stundenverrechnungssätze für Arbeitslohn würden 86,00 € betragen und für Lackierlohn 21,20 €. Diese Stundenverrechnungssätze seien jedermann zugänglich.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im verbliebenen Umfang erfolgreich.

Der Kläger kann von der Beklagten nach den §§ 7,17 StVG i. V. m. § 115 VVG bzw. §§ 823, 249 ff. BGB noch Zahlung der begehrten 722,51 € sowie hierauf entfallende vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten verlangen.

Zum einen kann er die Wertminderung von 250,00 € ansetzen. Vom Privatgutachter wird ausgeführt, dass in dieser Höhe eine Wertminderung festzustellen wäre. Bei dem klägerischen Fahrzeug handelt es sich zwar um einen bereits zum Unfallzeitpunkt sieben Jahre alten Pkw mit einer Lauflleistung von 153.000 km. Hinsichtlich des diesbezüglichen klägerischen Vortrages ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Kläger als Anlagen Ausführungen des Ingenieurbüros G. beifügt, die hierauf genauer eingehen (vergl. Bl. 14 d. A.). Zum einen wurde gerade wegen des Alters nur eine Wertminderung von 250,00 € angesetzt. Zum anderen kann bei einem Audi A4 durchaus davon ausgegangen worden, dass trotz des Alters des Fahrzeuges und der erheblichen Laufleistung zumindest in dieser Höhe eine Wertminderung eingetreten ist. Diesem substantiierten und sehr fundierten Klagevortrag setzt die Beklagte keine hinreichend qualifiziertes Bestreiten entgegen. Der notwendige Bestreitensvortrag der Beklagten kann auch nicht dadurch ersetzt angesehen werden, dass der Kläger der Vollständigkeit halber das Schreiben der Beklagten vom 16.10.2009 mit dem DEKRA-Gutachten als weitere Anlage der Klageschrift beifügte. Daher kann dem Kläger diese Wertminderung zugesprochen werden.

Darüber hinaus kann der Kläger mangels unzureichenden Beklagtenvortrages die Differenz von 492,51 € auf die Nettoreparaturkosten von 3.355,33 € gemäß Feststellungen des Privatgutachters G. ersetzt verlangen. Die Beklagte hat diesbezüglich nicht hinreichend umfänglich vorgetragen. In der Klageerwiderung wird insbesondere nicht ausgeführt, dass es sich bei den alternativen Werkstätten um Fachwerkstätten handelt. Alleine aus der Firma und ihrer Existenz heraus kann dies nicht abgeleitet werden. Der Bundesgerichtshof verlangt zumindest gleichwertige Fachbetriebe. Es ist nicht ersichtlich, ob als Personal dieser alternativen Werkstätten z. B. Meistsr beschäftigt werden. Der Beklagtenvortrag hatte spätestens nach der Replik von Klägerseite mit Schriftsatz vom 26.03.2010 in diese Richtung weiter vertieft werden müssen. Dies ist auch im Schriftsatz vom 07. April 2010 nicht geschehen. Die darin enthaltenen Ausführungen rechtfertigen keine andere Bewertung und sind insbesondere nicht als hinreichend substantiierter Vortrag zur Fachlichkeit dieser alternativen Werkstätten anzusehen. Im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.10.2000 (NJW 2010 Seite 606 ff.) wird ausdrücklich von einer „freien Fachwerkstatt“ gesprochen. Die Anforderungen an die Beschreibung dieser Fachlichkeit mögen nicht überspannt werden dürfen. Zumindest rudimentärer Vortrag zu dieser Fachlichkeit ist jedoch vonnöten.

Daher war die Klage auch insofern erfolgreich.

Die Zinsansprüche ergeben sich aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten haben in der Höhe von 120,67 € ihre Grundlage in den eingangs zitierten haftungsrechtlichen Vorschriften.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 269 Abs, 3 Satz 2 ZPO. Die teilweise Klagerücknahme hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten führt zur Kostenquotelung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Höhe des zurückgenommenen Teiles von 422,92 € nicht mehr um Nebenforderungen im Sinne des § 4 Abs. 1, 2. Halbsatz ZPO handelte. Daher greift nicht die Vorschrift des § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Volistreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu AG Frankfurt-Höchst verurteilt HUK-Coburg Versicherung zur Erstattung der Markenwerkstattlöhne

  1. F-W Wortmann sagt:

    Das Amtsgericht Frankfurt Außenstelle Höchst hatte vor kurzem bereits der Bruderhilfe ins Versicherungsbuch geschrieben, dass eine Verweisung unzumutbar ist, weil die Kriterien der qualitativen Gleichwertigkeit nicht nur dargelegt werden müssen, sondern auch zu beweisen sind (vgl. AG Frankfurt Außenstelle Höchst Urt. vom 14.4.2010 – 386 C 2602/09 (80)– ). Für HUK & Co ist Höchst kein gutes Pflaster.

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