AG Gardelegen (Sachsen-Anhalt) verurteilt Versicherungsnehmerin der HUK-COBURG zur Zahlung restlichen Schadensersatzes in Form der Sachverständigenkosten und restlicher Reparaturkosten mit Urteil vom 25.9.2014 – 31 C 78/14 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

heute geben wir Euch ein Urteil vom 25.9.2014 der Amtsrichterin H. des Amtsgerichts in Gardelegen in Sachsen-Anhalt bekannt. Um nicht auf berechtigten Schadensersatz verzichten zu müssen, klagte das Unfallopfer den restlichen Schadensersatz bei dem zuständigen Amtsgericht Gardelegen ein. Der Unfall wurde von dem bei der HUK-COBURG versicherten LKW verursacht. Die HUK-COBURG regulierte allerdings – trotz der einhundertprozentigen  Haftung – nicht vollständig. So wurden restliche Sachverständigenkosten und restliche Reparaturkosten bei konkreter Schadensabrechnung nicht ersetzt. Das Unfallopfer verklagte mit dem Restbetrag die Unfallverursacherin persönlich. Die HUK-Coburg stellte nur ihre Rechtsanwälte der beklagten Versicherungsnehmerin zur Seite. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker

Amtsgericht Gardelegen

verkündet am: 25.9.2014

Geschäfts-Nr. : 31 C 78/14

IM  NAMEN  DES  VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

der Frau A. W. aus G-J.

– Klägerin –

g e g e n

Frau B. G. aus G. (VN der HUK-COBURG)

– Beklagte –

hat das Amtsgericht Gardelegen auf die mündliche Verhandlung am 12.6.2014 durch die Richterin am Amtsgericht H. für Recht erkannt:

1.  Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 356,49 € nebst Zinsen daraus i.H.v. 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 16.3.2012 zu zahlen.

2.  Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 39,– € netto nebst Zinsen daraus i.H.v. 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 3.4.2012 zu zahlen.

3.  Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.

4.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5.  Die Berufung wird nicht  zugelssen.

Tatbetand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Klägerin hat gemäß §§ 7, 18 StVG einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf Erstattung von unstreitig von ihr ausgeglichenen weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 184,43 € aufgrund eines Verkehrsunflles, für den die Beklagte zu 100 % haftet.

Von den Sachverständigenkosten in Höhe von 586,43 € regulierte die Beklagte bzw. ihre Haftpflichtversicherung  bisher lediglich 402,– €.

Die Klägerin darf einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe ihres  durch den Unfall beschädigten Lkw beauftragen und von der Beklagten nach § 249 II 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (BGH VersR 2013, 1544 Rn. 26; BGH VersR 2013, 1590 Rn. 27; BGH Urt. v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – = NJW 2014, 1947). Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (BGH NJW 2014, 1947 m.w.N.). Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens an dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf 242 BGB zurückgehenden Rechtsgdanken des § 254 II 1 BGB unter dem Bilickpunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (BGH aaO.). Das Gebot zur wirtschaftlich vernünftigen   Schadensbehebung verlangt jedoch von dem Geschädigten nicht zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jdem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGHZ 115, 364; BGHZ 154, 395, 398). Denn in letzterem Fall wird der Geschädigte nicht selten Verzichte üben oder Anstrengungen machen, die sich im Verhältnis zum Schädiger als überobligatorisch darstellen und dieser daher vom Geschädigten nicht verlangen kann. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierrung des Restitutionsbedarfes darf auch im Rahmen von § 2249 II 1 BB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrit aus den Augen verloren werden, dss nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGHZ 115, 364, 369; BGHZ 115, 375, 378). Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben.

Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslaast zur Schadenshöhe regelmäßig durch die Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schdensbseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bilde bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages i.S.d. § 249 II 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (vgl. BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90). Letztlich sind allerdigs nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne des § 249 II 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend (BGHZ 132, 373, 381). Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zu Grunde liegenden getroffenen Preisvereinbarun, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeitendes Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensbeseitigungsaufwands gemäß § 249 II 1 BGB eine maßgebende Rolle (vgl. BGH Urt. v. 15.10.2013 – VI ZR 471/12 – und BGH VI ZR 528/12 -). Ein einfaches  Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht alleerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe infrage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (BGHZ 132, 373, 381 ff.).

Mit diesen Grundsätzen sind auch im Rahmen der freieren Stellung bei der Schadensbemessung nach § 287 I ZPO Erwägungen nicht vereinbar, die die vom Schadensgutachter in Rechnung gestellten Kosten allein auf der Grundlage einer Honorarumfrage eine Sachverständigenverbandes zu kürzen. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH Urt. v. 15.10.2013 – VI ZR 528/12 -).

Die Höhe des vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Grundhonorars ist nicht zu beanstanden. Im Streit steht die Höhe der Nebenkosten. Dass der Kläger von vornherein hätte erkennen können, dass der Sachverständige nach der Behauptung der Beklagten überhöhte Nebenkosten ansetzen würde, wird im Rechtsstreit nicht behauptet.

Zu einer Recherche nach einem Schverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot war der Kläger gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet. Dem Kläger muss auch nicht das Ergebnis der Umfrage bei den Mitgliedern des Sachverständigenverbandes über die Höhe der üblichen Honorare bekannt sein. Damit fallen die geltend gemachten Kosten nicht von vornherein aus dem Rahmen des für die Behebung des Schadens erforderlichen Geldbetrages nach § 249 II 1 BGB (BGH Urt. v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – = BGH DS 2014, 90 = NJW 2014, 1947 = DAR 2014, 194 = MDR 2014, 401).

Der Schädiger ist jedoch nicht verpflichtet, dem Geschädigten die Rechnungsbeträge der von diesem im Rahmen der Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Fachunternehmen ohne Möglichkeit der Nachprüfung vollzu ersetzen. Dem Schädiger  verbleibt in jedem Fall die Möglichkeit darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 II 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte. Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter abgerechneten Nebenkosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, rechtfertigt die Annahme eines solchen Verstoßes des Klägers für sich allein allerdings noch nicht.

Zur Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Geschädigten hat die Beklagte in Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung des BGH nichts vorgetraen, obwohl sie nicht davon ausgehen konnte, dass das Gericht die Gutachterkosten schon nicht in vollem Umfang für erforderlich i.S.d. § 249 II 1 BGB halten würde.

Daraus ergibt sich vorliegend, dass die von der Klägerinals Schadensersatz verlangten Gutachterkosten grundsätzlich zu erstatten sind.

Da es kein Regelwerk zur Bemessung der Nebenkosten gibt, ist die Grenze der Erforderlichkeit dahin mit sachverständiger Hilfe oder im Wege der Schadensschätzung nach § 287 ZPO zu klären. Es sind mithin die Nebenkosten als nicht erstattungsfähig anzusehen, deren Unangemessenheit von dem Geschädigten entweder bei Abschluss der Honorarvereinbarung oder jedenfalls bei Erhalt der Honorarabrechnung erkannt werden konnten.

Da die Höhe der Schreibkosten von 3,– € pro Seite und der Kosten von -.75 € pro Kopie sind nicht offensichtlich unangemessen; diese wurden bereits in einem anderen Verfahren gutachterlich überprüft und als üblicheVergütung bestätigt, wobei die Ergebnisse der Honorarbefragung mit berücksichtigt wurden. Sofern die Beklagte bestreitet, dass das Fertigen von 50 Kopien erforderlich gewesen sei, so ergibt sich bereits aus der vorgelegten Rechnung (Bl. 36 d.A.), dass lediglich 40 Kopien gefertigt wurden. Weitere Einwendungen hat die Beklagte nicht vorgebracht, so dass die Gutachterkosten insgesamt zu werstatten sind. Die weiteren Nebenkosten sind als erforderlich anzusehen (vgl. LG Stendal Urt. v. 13.3.2014 – 22 S 81/13 – ).

II.

Die Klägerin hat darüber hinaus einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 5,– €, denn die zu erstattende Unkostenpauschale beträgt nach ständiger Rechtsprechung des streitentscheidenden Gerichts 25,– €, die ggemäß § 287 ZPO geschätzt werden. Von denenen hat die hinter der Beklagten stehende Versicherung bisher lediglich 20,– € ausgeglichen.

III.

Die Klägerin hat darüber hinaus einen Schadensersatzanspruch gemäß der §§ 7, 18 StVG auf Erstattung von 167,06 € Reparaturkosten.

Die Klägerin hat ihr Fahrzeug nach dem Unfll instandsetzen lassen und für die Reparatur tatsächlich 1.795,29 € bezahlt. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten (die HUK-COBURG) hat lediglich 1.504,27 € erstattet, so dass ein Betrag von 291,02 € offen ist. Aufgrund der abzusetzenden Wertverbesserung i.H.v. 104,17 € nebst Mehrwertsteuer i.H.v. 19,79 € verbleibt ein nicht ausgeglichener Schaden in Höhe von 167,06 €.

Sofern die Beklagte den Ausgleich mit der Begründung verweigert hat, dass der zunächst vorgelegte Kostenvoranschlag für die Reparatur des Fahrzeugs der Klägerin überprüft wurde und verschiedene Positionen in Abzug gebracht wurden, so verkennt die Beklagte, dass die Reparaturkosten nicht aufgrund von kalkulierten Reparaturkosten auf Gutachtenbasis erfolgte, sondern dass Grundlage der Geltendmachung die tatsächliche Reparatur war, mithind die Rechnung der Werkstatt (bl. 37 ff. d.A.).

Verbringungskosten und Aufschläge auf Ersatzteile gehören, wenn sie tatsächlich angefallen sind, auch zu den erstattungsfähigen Schadenspositionen.

Im Übrigen hat die Beklagte die Höhe der geltend gemachten weiteren Reparaturkosten i.H.v. 167,06 € nicht mehr bestritten und damir der Höhe nach anerkannt.

IV.

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 286, 288 BGB.

V.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 11, 713, 511 ZPO. Da die Klägerin die Klage in Höhe von 123,96 € zurückgenommen hat, waren ihr insoweit die Kosten  des Rechtsstreites aufzuerlegen.

H. (Richterin am Amtsgericht)

Soweit das Urteil des AG Gardelegen in Sachsen-Anhalt. Und nun bitte Eure Kommentare.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu AG Gardelegen (Sachsen-Anhalt) verurteilt Versicherungsnehmerin der HUK-COBURG zur Zahlung restlichen Schadensersatzes in Form der Sachverständigenkosten und restlicher Reparaturkosten mit Urteil vom 25.9.2014 – 31 C 78/14 -.

  1. Vaumann sagt:

    Wieviel hat es eigentlich gekostet,bis dieses Gericht damit begonnen hat,entsprechend der Rechtslage zu entscheiden?
    Wieviele Gutachten,wieviele Berufungen,wieviele Rügen?
    Im Fachanwaltshandbuch kann man nachlesen:
    „Der Geschädigte trage das Risiko,einen zu teueren Sachverständigen zu beauftragen,AG Gardelegen SP 2011,197.
    Dieser Auffassung hat sich der BGH zu Recht ausdrücklich entgegengestellt.“
    Vieviele Fehlurteile mit welchem Gesamtschaden wurden hier „Im Namen des Volkes“ verbrochen bis die Einsicht bei Gericht aufkam,die Rechtsauffassung des BGH könnte doch zutreffen?
    Aber bei aller berechtigter Kritik:
    Ein Gericht,das in der Lage ist,die eigene verfestigt falsche Rechtsansicht überhaupt zu verlassen,verdient dafür Anerkennung!
    Weiter so!

  2. Agent sagt:

    Hei Vaumann,
    der Dank gebührt dann auch dem Anwalt, dem es jetzt gelungen ist, die Rechtsprechung gerade zu rücken.

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