AG Hagen bestätigt Porsche-Urteil des BGH vom 29.04.2003 – 19 C 369/06

Mit Urteil vom 15.01.2007 – 19 C 369/06 – hat das Amtsgericht Hagen – diesmal der Zürich Versicherungs AG – ins Stammbuch geschrieben, dass der Geschädigte auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens auch die fiktiven Reparaturkosten ersetzt verlangen kann. Die geschädigte Klägerin hatte nach einem Verkehrsunfall aufgrund eines Sachverständigengutachtens die beklagte Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung auf Zahlung der fiktiven Reparaturkosten in Höhe von 3.627,09 € netto in Anspruch genommen. Die Schadensberechnung der Klägerin basierte auf Verrechnungssätzen der Werkstatt, in welcher das beschädigte Fahrzeug durch den durch die Klägerin beauftragten Sachverständigen besichtigt wurde. Die beklagte Haftpflichtversicherung zahlte allerdings nur einen anteiligen Betrag in Höhe von 2.788,43 €, wobei sie diejenigen Kosten zugrunde legte, die bei einer Reparatur in der von ihr benannten Alternativwerkstatt angefallen wären. Mit der Klage beanspruchte die Klägerin die Differenz. Das Amtsgericht Hagen gab ihr in vollem Umfange recht. In den Urteilsgründen hat das Amtsgericht Hagen kurz und knapp wie folgt ausgeführt:

„Die Klägerin kann die objektiv erforderlichen Reparaturkosten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB in Höhe des im Sachverständigengutachten genannten Betrages verlangen, abzüglich der bereits gezahlten 2.799,43 €. Ein Verstoß gegen ihre Schadensminderungspflicht liegt nicht vor. Der Ansicht der Beklagten, dass der Klägerin nur die Kosten der Reparatur in der kostengünstigeren Alternativwerkstatt zu erstatten seien, kann nicht gefolgt werden. Denn die Tatsache, dass die Reparatur in der Alternativwerkstatt lediglich kostengünstiger ist, kann keine Berücksichtigung finden. Dem Geschädigten kann nämlich nicht vorgeschrieben werden, in welcher Werkstatt er sein Fahrzeug nach einem Unfall reparieren lassen soll. Schließlich wird dem Geschädigten in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Möglichkeit eröffnet, die Schadensbehebung in eigener Regie vorzunehmen (vgl.Porsche-Urteil des BGH vom 29.04.2003 – VI ZR 398/02 -). Zwar ist der Geschädigte gehalten, im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenen Kosten beeinflussen kann. Doch dazu genügt im Allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden.Diesen Anforderungen ist die Klägerin nachgekommen. Substantiierte Einwende gegen das Gutachten an sich wurden von Beklagtenseite nicht vorgetragen…!“

Damit hat das Amtsgericht Hagen die Gründe des sog. Porsche-Urteils vom 29.04.2003 des VI. Zivilsenates des BGH strikt umgesetzt. Denn Ziel des Schadensersatzes ist die Totalreparation, wobei der Geschädigte nach schadensrechtlichen Grundsätzen, sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung, als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes völlig frei ist. Dies gilt auch für die fiktiven Reparaturkosten. Auch bei fiktiver Schadensberechnung ist grundsätzlich Maßstab das Verhalten eines wirtschaftlich vernünftig denkenden Geschädigten zum Zwecke der Schadensbehebung. Dazu gehört auch die Entscheidung des Geschädigten, sein Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren zu lassen. Würde man der Argumentation der Versicherungswirtschaft folgen, würde die dem Geschädigten in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eröffnete Möglichkeit der Schadensbehebung in eigen Regie in einer mit dem Gesetz nicht zu vereinbarenden Weise eingeschränkt. Dies gilt im Hinblick auf die dem Geschädigten zustehende Dispositionsfreiheit, die der Bundesgerichtshof immer wieder hervorgehoben hat, auch dann, wenn der Geschädigte das Fahrzeug unrepariert weiter veräußert, wie in dem Porsche-Urteil, oder gar nicht repariert, wie das Amtsgericht Hagen zu entscheiden hatte. Nur dann, wenn versierte Anwälte in Kenntnis der Rechtsprechung den Geschädigten entsprechend leiten können, sind die Versuche der Haftpflichtversicherer, die Geschädigten um ihre berechtigten Schadensersatzansprüche zu prellen, zum Scheitern verurteilt.

Gruß Willi Wacker

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8 Antworten zu AG Hagen bestätigt Porsche-Urteil des BGH vom 29.04.2003 – 19 C 369/06

  1. Franz511 sagt:

    Es ist immer wieder erstaunlich, dass Versicherungen versuchen, BGH-Urteile die zu ihrem Nachteil ausgefallen sind, in Frage zu stellen.

    Schlaue Leute haben längst erkannt, dass zwischenzeitlich selbst AG-Urteile in dieser Richtung des BGH ausfallen. Immer wieder wird jedoch versucht, die Grundlage unserer Rechtsprechung mit zweifelhaften Argumenten in den Schmutz zu ziehen.

    Wann begreifen die Vorstände eigentlich ihr skrupeloses Vorgehen gegen das Gesetz und die Geschädigten.

  2. Frank sagt:

    Vorstände??

    Skrupelos??

    Welcher Vorstand hat noch Skrupel??

    Skrupel gegen Gesetzbruch?? Gibt es scheinbar nicht mehr bei bestimmten Personen.

    Aber „Raffgier“ und Abzocke sind doch In hoch 10

    Harz gibt Verdienstkreuz zurück. Wann macht das Hönen??

  3. RA Schepers sagt:

    Verkehrte Welt:

    Die Überschrift lautet „AG Hagen bestätigt Urteil des BGH“.

    Eigentlich geht das umgekehrt, da bestätigt der BGH die unteren Gerichte.

  4. RA Schepers sagt:

    P.S.

    Da kann der BGH ja froh sein, daß er damals mit dem Porsche-Urteil alles richtig gemacht hat.

  5. Frank sagt:

    Hallo „nur mal so“,

    Frage: was ist der Unterschied zwischen Harz und Hönen?

    Na ???

  6. Gladel sagt:

    @nur mal so: Sie Schreiben

    „Es gibt jedenfalls eine große Anzahl von erstinstanzlichen Urteilen, die das Porsche-Urteil wie folgt auslegen (Literaturangaben können bei bedarf nachgeliefert werden):
    Danach dürfen Versicherer sehr wohl Verletzung der Schadenminderungspflicht einwenden, wenn eine konkrete Reparaturwerkstatt benannt wird. “

    Haben die Geschädigten nach diesen Urteilen aufgegeben oder ging es in die nächste Instanz? Und wie war der Bestand dieser Urteile?

    Im übrigen ist es ein sehr heißes Eisen. In D. wird das Eigentumsrecht sehr hoch geschätzt und zu dazu gehötr auch das alleinige Verfügungsrecht eines Eigentümers an seinem Eigentum. Gerichte beschränken dies sehr selten, d.h. ob, wann und wie ein Fahrzeug repariert wird ist Sache des Eigentümers. Alles was diese Entscheidungsfreiheit einschränkt wird immer mit äußerster Vorsicht angewendet.

    Das ist vermutlich der Grund für das Urteil, nicht der schlechte Anwalt der Versicherung.

  7. Ad Ministrator sagt:

    Noch einmal für alle:

    Die provozierenden und rechtsverdrehenden Kommentare aus den Reihen der Versicherungswirtschaft werden grundsätzlich gelöscht!

    „nur mal so“ ist ein Kandidat aus diesem Lager (Victoria-Versicherung)!!

    Wir sind eine Info-Plattform für die Belange der Geschädigten und bieten keinen Raum für die Vertretung rechtswidriger Ansichten bezahlter Provokateure.

    Unbelehrbare aus der Versicherungswelt erhalten stets die richtige Antwort bei den unzähligen Gerichtsprozessen.

    Deshalb die Empfehlung an die Versicherungsposter:

    Anstatt hier unnötige Zeit zu vergeuden mit dem Versuch Unsinn zu posten, besser fundierte Rechtsprechung lesen – insbesondere die des BGH !!!!

    Und vor allem – auch daran halten !!!!!

  8. Siehe dazu mein Bericht vom 28.08.07 Diese Auslegung ist eindeutig.

    Gleichfalls beachten wir den Aufsatz von Herrn Dr. Reinhold Weber, Vorsitzender Richter am BGH a. D., Karlsruhe

    VersR 1990 Heft 25 Seite 934 bis 946

    Auf Seite 935 wird deutlich, dass der §249 eindeutig vor dem §251 steht. Bei dem §249 handelt es sich um die Berechtigung, nicht nur den Sachwert, sondern seine konkrete Zusammensetzung soll erhalten, wiederhergestellt werden. Es wird von Restitution gesprochen, indem das Integritätsinteresse befriedigt werden soll. Während der §251 ausschließlich den Ersatz des Sachwertes in Geld bedeutet, also eine reine Kompensation darstellt.

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