AG Hamburg-St. Georg verurteilt HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG zur Zahlung restlicher, erfüllungshalber abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 7.10.2015 – 925 C 162/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

nach den freien Weihnachtstagen veröffentlichen wir für Euch wieder Urteile zum Schadensersatzrecht des Unfallgeschädigten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall. Auf diesen Schadensersatzanspruch aus der Sicht des Geschädigten kommt es entscheidend an. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Schadensersatzanspruch abgetreten ist. Denn durch die Abtretungsvereinbarung – die Abtretung ist ein Vertrag – ändert sich der Rechtscharakter der abgetretenen Forderung nicht. Schadensersatz bleibt Schadensersatz, auch wenn er abgetreten worden ist. Insofern ist die Begründung des Urteils vom Grundsätzlichen her nicht zu beanstanden. Was allerdings zu beanstanden ist, ist die Tatsache, dass das erkennende Gericht wieder die Angemessenheit an der BVSK-Honorarumfrage misst. Es kommt nicht auf die Angemessenheit, sondern auf die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB  an. Leider nimmt die Bezugnahme auf BVSK vermutlich noch zu, wenn der Hinweisbeschluss des OLG München vom 14.12.2015  – 10 U 579/15 – durch den GDV veröffentlicht ist. Denn nach dem bisher noch unveröffentlichen Beschluss des OLG München kann nach Ziffer 4 des Beschlusses, bei einem Standardgutachten zur Feststellung eines Kfz-Schadens nach Auffassung des Senats gemäß § 287 I ZPO die BVSK-Honorarbefragung 2015 als übliche Vergütung herangezogen werden, wobei das OLG München meiner Meinung nach verkennt, dass es nicht auf die Üblichkeit, sondern die Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten ankommt. Lest aber selbst das positive Urteil aus Hamburg-St. Georg zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG und gebt dann bitte Eure Kommentare ab. Das Urteil wurde erstritten und der Redaktion eingereicht durch Frau Rechtsanwältin Synatschke-Tchon aus 22041 Hamburg.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Hamburg-St Georg
Az.: 925 C 162/15

Endurteil

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand: Dr. Wolfgang Weiler, Wolfgang Flaßhoff, Stefan Gronbach, Klaus-Jürgen Heitmann, Dr. Hans Olav Heroy, Jörn Sandig, Nagelsweg 41-45, 20097 Hamburg

– Beklagte –

erkennt das Amtsgericht Hamburg-St. Georg – Abteilung 925 – durch die Richterin am Amtsgericht Dr. S. auf Grund des Sachstands vom 07.10.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht:

1.         Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 84,14 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.12.2014 zu zahlen.

2.         Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 70,20 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.07.2015 zu zahlen.

3.         Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4.         Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen weiteren Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus §§ 7 StVG, 115 WG, 249, 398, 823 BGB.

Die Haftung dem Grunde nach ist unstreitig, die Parteien streiten allein um die Höhe der Sachverständigenkosten. Die Sachverständigenkosten sind generell erstattungsfähig, der Geschädigte kann einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen und von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (vgl. BGH, NJW 2014, 1947 m.w.N).

Der Kläger ist aktivlegitimiert. Der Kläger macht Ansprüche geltend, die ihm von dem Geschädigten … wirksam abgetreten wurden (Anlage K1). Der Kläger macht daher als Sachververständige den Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht selbst geltend.

Der Geschädigte hat mit dem Kläger einen Sachverständigenauftrag mit konkreter Honorarvereinbarung getroffen. Nach der Anlage K1 erfolgt die Abrechnung nach der als Anlage K2 eingereichten Preisliste. Für die Frage der Erstattungspflicht kommt es darauf an, ob das Entgelt „deutlich erkennbar“ (vgl. BGH, NJW 2014, 1947, 1948) bzw. „erkennbar erheblich“ (vgl. BGH, NJW 2014, 3151, 3153) über den üblichen Preisen liegt. Danach ist das geforderte Entgelt erstattungsfähig. Die ortsübliche Vergütung schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO nach dem Mittelwert des Korridor V der BVSK-Honorarbefragung 2013. Die Vergütung nach der BVSK-Honorarbefragung bemisst sich aus einer Grundgebühr und Nebenkosten. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Auch die Abrechnung einer Pauschale für Nebenkosten ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Höhe der als Anlage K4 eingereichten Rechnung des Klägers vom 31. Oktober 2014 überschreitet die nach dem Mittelwert des Korridor V der BVSK-Befragung 2013 geschätzte ortsübliche Vergütung nicht erkennbar für einen Laien. Dabei ist nicht auf die Einzelpositionen abzustellen, sondern eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die sich am Rechnungsendbetrag orientiert. Zu den beanstandeten Kosten für die Kommunikationspauschale gilt, dass – in Übereinstimmung mit der Vergütung nach der BVSK-Honorarbefragung – hier eine Pauschale vereinbart und abgerechnet wurde und die tatsächlich entstandenen Kosten daher unerheblich sind. Ein Auswahlverschulden trifft den Geschädigten nicht, weil er nach der Rechtsprechung des BGH keine Pflicht zur Marktforschung hat und ohne weiteres einen für ihn erreichbaren Sachverständigen beauftragen kann. Die beanstandeten Fotokosten, Schreibkosten und Kosten der Restwertanfrage waren vereinbart und führen – wie oben erläutert – im Rahmen der Gesamtbetrachtung nicht zu einer erkennbaren erheblichen Überhöhung der üblichen Preise.

Der Kläger hat weiter einen Schadensersatzanspruch auf Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale auf einen Gegenstandswert von bis € 500,00.

Die Nebenforderungen ergeben sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs, §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil es um die allgemeine Rechtsfrage geht, wie hoch der erforderliche Schaden im Einzelfall zu bemessen ist. Zudem liegt eine Entscheidung des Berufungsgerichts vor.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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3 Antworten zu AG Hamburg-St. Georg verurteilt HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG zur Zahlung restlicher, erfüllungshalber abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 7.10.2015 – 925 C 162/15 -.

  1. BVSK-Abtrünniger sagt:

    Hallo,Willi Wacker,
    auf welchen verschlungenen Wegen der Geschädigte manchmal doch noch zu seinem Recht kommt, ist verblüffend. Die schadenersatzrecht orientierte Einleitung ist blitzsauber, der Rest stimmt bedenklich, denn da geht es wieder um eine werkvertaglich geprägte Beurteilung. Auf eine solche Zielsetzung ist bekanntlich jedwede Replik der Beklagtenseite ja auch massiv ausgerichtet. Wenn dies seitens der Gerichte wenigstens schon einmal bemerkt würde, wäre das ja schon ein Lichtblick. Das ist bisher nicht erreicht worden. Das zu ändern, muss deshalb das Ziel der Klagebegründung sein. Daran hapert es in mindestens 70% aller Fälle , was sich dann auch in Urteilen niederschlägt.

    BVSK-Abtrünniger

  2. Babelfisch sagt:

    Leider entspricht das Urteil nicht der aktuellen Rechtsprechung des LG Hamburg, nach der es nicht auf die Einzelpositionen ankommt, sondern AUSSCHLIESSLICH auf den Rechnungsendbetrag.
    Diese – zutreffende – Sichtweise hat die praktische Folge, dass es nicht mehr um das unsägliche ätzende Gerangel geht, ob der Sachverständige 1,93 € pro Bild berechnen darf und ob möglicherweise eine Schreibpauschale überhöht ist. KEIN Richter ist befugt, in die Vereinbarung zwischen Geschädigtem und Sachverständigen zu grätschen, denn es statt einer Gebührenordnung für Sachverständige (noch) die gesetzlich garantierte Vertragsfreiheit. Aus welchem Grund meinen Richter, sich hier als Herr des Vertrages aufspielen zu müssen?
    Das LG Hamburg hat es vorgemacht: es kommt ausschließlich um den Rechnungsendbetrag und der Auftraggeber/Geschädigte kann nur dann keinen Ersatz der Sachverständigenkosten verlangen, wenn er eine Honorarvereinbarung unterzeichnet, die offensichtlich des Tatbestand des Wuchers erfüllt.
    So einfach könnte es sein …..

  3. Willi Wacker sagt:

    Hallo Babelfisch,
    das LG hat Recht, wenn es bei der Schätzung nach § 287 ZPO nur den Endbetrag, nicht die eizelnen Positionen der Rechnung, sieht. Die Schadensschätzung nach § 287 ZPO ist nämlich eine SchadensHÖHENschätzung. Im Übrigen widerspricht eine Überprüfung der Einzelpositionen der BGH-Rechtsprechung aus BGH VI ZR 67/06.
    Mit freundlichen koll. Grüßen und den besten Wünschen für 2016
    Willi Wacker

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