AG Ingolstadt verurteilt die HUK 24 AG im Schadensersatzprozess des Geschädigten zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 29.1.2018 – 16 C 2122/17 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und Leser,

zum Wochenbeginn stellen wir Euch hier ein Urteil aus Ingolstadt im Schadensersatzprozess um die Erstattung restlicher berechneter Sachverständigenkosten gegen die HUK24 AG vor. Um es vorweg zu sagen: Das Urteil ist im Ergebnis zwar richtig, aber es hat erhebliche Fehler. Obwohl der Geschädigte selbst geklagt hatte, und damit auf die Entscheidung BGH VI ZR 225/13 hätte Bezug genommen werden müssen, nimmt das Gericht eine Überprüfung der Einzelpositionen auf Grundlage der BVSK-Liste vor, obwohl der BGH mit der Entscheidung VI ZR 67/06 eine Preiskontrolle auch durch das Gericht untersagt hat, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen gewahrt hat. Das zur Wiederherstellung Erforderliche hat der Geschädigte damit getan, indem er einen qualufizierten Kfz-Sachverständigen mit der Begutachtung des verunfallten Fahrzeugs beauftragt hatte, damit dieser beweissichernd den Zustand festhält, den Umfang und die Höhe des Schadens angibt und die Kosten der Wiederherstellung kalkuliert. Alles das ist nicht berücksichtigt worden, worauf es allerdings ankommt. Daher ist die Urteilsbegründung kritisch zu betrachten. Das gilt insbesondere für die vom erkennenden Gericht vorgenommene Bezugnahme auf OLG München sowie auf den § 287 ZPO. Lest aber selbst und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker

Amtsgericht Ingolstadt

Az.: 16 C 2122/17

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

HUK24 AG, vertreten durch d. Vorstand, Bahnhofsplatz 1, 96440 Coburg

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

erlässt das Amtsgericht Ingolstadt durch den Richter am Amtsgericht R. am 29.01.2018 aufgrund des Sachstands vom 26.01.2018 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes

Endurteil

(abgekürzt nach §313a Abs. 1 ZPO)

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 234,56 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.12.2017 zu zahlen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 234,56 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

1.)
Der Kläger hat gegen den Beklagten restliche Schadensersatzansprüche aufgrund des Verkehrsunfalls aus abgetretenem Recht in Höhe von 234,56 € (Hauptforderung) nebst Zinsen wie tenoriert aus §§ 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 398 BGB.

Die Haftung des Beklagten für die Unfallfolgen ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte haftet daher grundsätzlich zu 100 %.

Die zu ersetzenden Sachverständigenkosten belaufen sich auf 514,56 €. Abzüglich der Teilzahlung von 280,00 € verbleibt noch eine offene Forderung von 234,56 €.

a)
Die im Rahmen des § 632 Abs. 1 BGB an den Sachverständigen geschuldete Vergütung musste sich unter Anwendung der schadensrechtlichen Gesichtspunkte im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen bewegen gem. § 249 Abs. 2 BGB (BGH NJW 2007,  1450).

Sofern der Geschädigte als Laie selbst klagt, kann er auch Gutachterkosten verlangen, die über der üblichen Vergütung liegen, sofern die Überhöhung für einen Laien nicht erkennbar war. Der Schädiger bzw. dessen Versicherung muss sich dann auf die Möglichkeit verweisen lassen, sich etwaige Ansprüche gegen den Sachverständigen vom Geschädigten abtreten zu lassen (OLG München, Hinweisbeschluss vom 12.03.2015, 10 U 579/15 – juris; OLG München, Urteil vom 26. Februar 2016 – 10 U 579/15, BeckRS 2016, 04574). Hieran ändert auch der Hinweis der Beklagtenseite an die Klägerin aus dem Schreiben 20.09.2017 (Anlage B1) nichts.

Die BVSK-Honorartabelle kann grundsätzlich als Schätzgrundlage zur Ermittlung des üblichen Sachverständigenhonorars gemäß § 287 ZPO herangezogen werden (OLG München, Hinweisbeschluss vom 12.03.2015,  10 U 579/15 – juris; LG Fulda, Urteil vom 24.04.2015, Aktenzeichen 1 S 168/14, BeckRS 2015, 08658; OLG München, Urteil vom 26. Februar 2016 – 10 U 579/15, BeckRS 2016,  04574).

Erstattungsfähig ist hier nach Auffassung des Gerichts insgesamt eine Vergütung in Höhe von 514,56 € brutto (§ 287 Abs. 1 ZPO), da gegenüber der üblichen Vergütung keine für einen Laien erkennbare Überhöhung vorliegt.

Die Schätzung der üblichen Vergütung erfolgt dabei nach den Werten der BVSK-Umfrage 2015 entsprechend des Urteils des OLG München vom 26.02.2016 (s.o.). Die Werte der BVSK-Umfrage 2015 stellen nach Auffassung des Gerichts eine taugliche Schätzgrundlage für die übliche Vergütung dar.

An dieser Rechtsprechung wird auch im Hinblick auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.04.2016 (BGH NJW 2016, 3092) festgehalten. Durch dieses wurde zwar als Schätzgrundlage für Nebenkosten (außer Fahrtkosten) das JVEG gebilligt, jedoch schließt dies nicht aus, dass der BGH auch die BVSK 2015 als taugliche Schätzgrundlage billigt, zumal nach dem Urteil des BGH für die Höhe der Nebenkosten Werte angesetzt werden, die bis auf den Wert für Schreibkosten, exakt denen des OLG München entsprechen.

Zudem wird in diesem Urteil auch noch einmal ausdrücklich betont, dass die Bemessung der Höhe des Schadensersatzes in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters sei (BGH NJW 2016, 3092).

Auch ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs zur Untauglichkeit der BVSK-Umfrage 2011 als Schätzgrundlage bezüglich der Nebenkosten steht der Anwendung der Werte der BVSK Umfrage 2015 nicht entgegen, da sich gegenüber der Umfrage 2011 die Methode zur Ermittlung der Nebenkosten geändert hat.

aa.
Das berechtigte Grundhonorar beläuft sich ausgehend von der Tabelle der BVSK 2015 auf 315,00 € netto, da von dem unteren Wert des HB V-Korridors der Tabelle der BVSK 2015 auszugehen war (vgl. OLG München a.a.O.).

Das Grundhonorar des Sachverständigen liegt hier sogar leicht unter diesem Wert.

bb.
Bezüglich der Fotokosten sind die angesetzten 18,00 € bei 2,00 € pro Lichtbild nicht zu beanstanden.

Die Anzahl der Fotos ist dabei nicht zu beanstanden, da der Sachverständige ja noch nicht sicher sein kann, von welchen Fahrzeugteilen später Lichtbilder benötigt werden.
Die Kosten für den zweiten Fotosatz in Höhe von 4,50 € (bei 0,50 € pro Foto) sind ebenfalls nicht zu beanstanden.

cc.
Bezüglich der Schreibkosten ist ein Betrag von 27,00 € (bei 1,80 € pro Seite) anzuerkennen und für die Kopiekosten weitere 9,50 € (0,50 € pro Kopie). Grundsätzlich erforderlich und vom erkennenden Gericht anerkannt sind dabei regelmäßig sogar 2 Kopien des Gutachtens (Rechtsanwalt und Geschädigter) und ein Original (gegnerische Versicherung). Hier wurde sogar nur eine Kopie abgerechnet.

dd.
Die Höhe der angesetzten Fahrtkostenpauschale von 29,40 € erscheint nicht zu beanstanden, da sie der Höhe nach (0,70 € / km) den nach BVSK 2015 üblichen Fahrtkosten entspricht. Die Fahrtkosten wurden hinreichend dargelegt und sind plausibel, da der SV zum Standort des Pkw gefahren ist (42 km x 0,70 € / km).

Nach BVSK-Honorartabelle 2015 betragen die Fahrtkosten 0,70 € pro Kilometer und eine Schätzung in Höhe von 0,70 € pro Kilometer wurde auch (unabhängig von der BVSK-Tabelle) durch den Bundesgerichtshof gebilligt (BGH NJW 2016,  3092). In Übereinstimmung mit dem Urteil des OLG München (s.o.) werden die Fahrtkosten auf 0,70 € pro km geschätzt.

ee.
Für Porto und Versand ist eine Pauschale von 15,00 € anzusetzen.

ff.
Weitere Nebenkosten sind daneben nach Auffassung des Gerichts nicht als übliche Vergütung erstattungsfähig, da sie entsprechend der BVSK 2015-Umfrage nicht üblich sind, letztlich als Teil des Grundhonorars und nicht als gesondert zu vergüten anzusehen sind (OLG München a.a.O.). Etwas anderes könnte gelten, wenn im Gegenzug das Grundhonorar niedriger wäre als die übliche Vergütung, da der Sachverständige, der ein niedrigeres Grundhonorar ausweist und Nebenkosten wie die Abrufkosten gesondert ausweist, nicht benachteiligt werden soll. Dies kommt hier auch teilweise in Betracht, da das berechnete Grundhonorar unter der üblichen Vergütung in Höhe von 315,– € liegt (s.o.).

Bezüglich dieser Kostenposition von 19,00 € liegt daher eine leichte Erhöhung (auch in der Gesamtbetrachtung) gegenüber der üblichen Vergütung vor.

gg.
Insgesamt liegt daher für die Sachverständigenkosten allenfalls eine leichte Überhöhung vor, die jedoch für einen Laien nicht erkennbar ist. Es ist daher der gesamte Rechnungsbetrag von 518,48 € brutto für den Kläger ersatzfähig.

2.)
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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4 Antworten zu AG Ingolstadt verurteilt die HUK 24 AG im Schadensersatzprozess des Geschädigten zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 29.1.2018 – 16 C 2122/17 -.

  1. Heinrich Hackbart sagt:

    @Willi Wacker

    Wenn ich lese: „Weitere Nebenkosten sind daneben nach Auffassung des Gerichts nicht als übliche Vergütung erstattungsfähig, da sie entsprechend der BVSK 2015-Umfrage nicht üblich sind, letztlich als Teil des Grundhonorars und nicht als gesondert zu vergüten anzusehen sind (OLG München a.a.O.).“

    Dann müssten sie nach der BVSK-Philosophie dem Grundhonorar zugeschlagen werden. Im Übrigen ist die BVK-Befragung keine unabhängige und erst recht keine echte Befragung. Eine solche „Befragung“ die wesentliche Teile der Kostenentstehung ohne Berücksichtigung von Honorarbandbreiten vorgibt, täuscht mit Vorsatz eine Gebührenordnung vor und das fälschlicherweise auch noch in „Anlehnung“ an das JVEG, wenn auch in wesentlichen Nebenkostenpositionen nur halbherzig. Es muss erstaunen, dass Gerichte das teilweise wie ein Credo handhaben, obwohl lt. BGH bekanntlich eine solche „Übertprüfung“ gerade nicht veranlasst ist.-

    Was können Geschädigte und deren Sachverständige als Nichtmitglieder eines Berufsverbandes dafür, wenn ein solcher Berufsverband aus berufspolitischen Gründen der Versicherungswirtschaft mit dieser Scheinbefragung 2015 gefällig war? Zumindest Geschädigte müssen deshalb diese „Befragung“ auch nicht kennen, wie auch nicht die insoweit auffällig angepassten Honorartableaus div. Versicherungen. Und das der BVSK-Geschäftsführer Elmar Fuchs „gesprächsweise“ damit landauf und landab bei Versicherungen auch bei Versicherungen hausieren geht, hat sich inzwischen wohl herumgesprochen. Manche Insider meinen sogar , dass der BVSK noch versicherungshöriger sei als die SSH und car€xpert.

    Heinrich Hackbarth

  2. Heiner L. sagt:

    Hi, Hackbarth,
    da hasse aber mal in Klartext dat angesprochen, wat viele Sachverständige und Rechtsanwälte fast genau sooo sehen. Et wa zu erwarten, dat der Topf des Unmuts irjendwann ma überköcht.-

    Heiner L.

  3. Iven Hanske sagt:

    Natürlich ging es in der Entscheidung 61/17 nur noch um die Nebenkosten, wer jedoch die Entscheidungsgründe studiert wird die Wechselwirkung zwischen Nebenkosten und Grundkosten erkennen, da somit auch die Grundkosten einer Vorgabe unterliegen. Am Rande sei bemerkt, dass die BVSK Leute nach einem diktierten Tableau zu verschiedenen Versicherungen abrechnen, dies ist nicht nur eine verbotene Preisabsprache, weshalb der BVSK in der Vergangenheit schon abgemahnt wurde, es ist auch eine Vorgabe, welche nur Inhalt der Befragungen sein kann.
    Die BVSK Befragung 2015 leidet erst recht unter Vorgaben (in den Grund und Nebenkosten) was der Anmerkung zur Befragung aber auch der Befragung selbst zu entnehmen ist und übrigens auch vom BGH in 61/17 erklärt wurde.
    So entstand die BVSK Befragung (im Nachhinein) unter folgenden nicht nachvollziehbaren Vorgaben: „Um die Grundhonorare später auswerten zu können, haben wir die Nebenkosten vorgegeben. Dies bedeutet, dass Sie unter Berücksichtigung der nachfolgend angegebenen von uns vorgegebenen Nebenkosten Ihr Grundhonorar ggf. anpassen müssen.“

  4. Heiner L. sagt:

    „So entstand die BVSK Befragung (im Nachhinein) unter folgenden nicht nachvollziehbaren Vorgaben: „Um die Grundhonorare später auswerten zu können, haben wir die Nebenkosten vorgegeben. Dies bedeutet, dass Sie unter Berücksichtigung der nachfolgend angegebenen von uns vorgegebenen Nebenkosten Ihr Grundhonorar ggf. anpassen müssen.“

    Vorstehende Begründung ist derart hirnrissig und verfehlt, so dass allein schon von daher jedem Richter und jeder Richterin an Deutschen Gerichten der darin enthaltene Widerspruch auffallen müsste. Sie zeigt zudem, dass der oder die Ersteller i. S. Honorarerhebung eben kein Experten sind, wie sie gerne als solche angesehen werden möchten.

    Heiner L.

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