AG Leipzig verurteilt Ergo Versicherung zur Erstattung der Kosten für die Reproduktion eines Schadensgutachtens, das nach dem Einscannen durch die Versicherung vernichtet wurde (Az.: 109 C 9047/11 vom 13.01.2012)

Hier noch ein Versäumnisurteil des AG Leipzig, ergangen gegen die ERGO Versicherung AG am 13.01.2012 (109 C 9047/11).

Der ERGO-Versicherung hatte – ungeachtet der Urheber- bzw. Eigentumsrechte – das Gutachten gescannt und danach vernichtet, so dass sie dem Rückgabeverlangen nicht mehr nachkommen konnte. Für die Reproduktion verlangte der Sachverständige 20 EUR Grundgebühr sowie 1,50 EUR pro Foto und 3,00 EUR für Porto und Versand, insgesamt 35 EUR zzgl. Mehrwertsteuer.

Die ERGO meinte, nur bei Vorlage einer Rechnung zahlen zu müssen und auch der Hinweis auf 249 II 1 BGB führte nicht zum einlenken.

Außerdem wurde eine 1,3-Geschäftsgebühr zzgl. Postpauschale und Umsatzsteuer geltend gemacht mit folgenden Argumenten:

– weiteres schadenstiftendes Ereignis (Unfallgutachtenvernichtung),

– unterschiedliche Schadentage (Unfalltag – Schreddertag)

und

– verschiedene Rechtsgüter (Fahrzeug – Gutachten).

Das Amtsgericht hielt sowohl die fiktive Abrechung für den Schaden „vernichtetes Gutachten“ für zulässig als auch den Anfall einer „neuen“ Geschäftsgebühr für schlüssig.

Das Urteil wurde erstritten und übersandt durch Herrn Rechtsanwalt Uterwedde aus Leipzig.

Amtsgericht
Leipzig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 109 C 9047/11

An Verkündung statt zugestellt
am: 13.01.2012

IM NAMEN DES VOLKES

VERSAUMNISURTEIL

In dem Rechtsstreit

– Kläger

gegen

Ergo Versicherung AG, Zweigniederlassung Leipzig, Gordelerring 9, 04109 Leipzig, vertreten durch den Vorstand Christian Diedrich

– Beklagte

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Leipzig durch Richterin am Amtsgericht …

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 331 Absatz 3 ZPO am 10.01.2012

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 35,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.12.2011 zu zahlen sowie den Kläger von der Begleichung der Netto-Kosten aus der Rechnung von RA … vom 23.11.2011 (Anlage K 4 ) freizustellen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 300 Euro festgesetzt (§§ 3 ff. ZPO).

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9 Antworten zu AG Leipzig verurteilt Ergo Versicherung zur Erstattung der Kosten für die Reproduktion eines Schadensgutachtens, das nach dem Einscannen durch die Versicherung vernichtet wurde (Az.: 109 C 9047/11 vom 13.01.2012)

  1. Willi Wacker sagt:

    Prima!

  2. DerHuckflüsterer sagt:

    @
    Den SV welchen ich kenne, der fordert eine Bestätigung bei der Versicherung an, dass das Originäre GA vernichtet wurde. Man kann nicht ohne weiteres ein 2. Originalgutachten in den Verkehr bringen. Damit wäre M.E. einer evtl. Betrugsabsicht Vorschub geleistet wenn das Erstgutachten doch noch existieren sollte.
    Erst dann stellt er eine Reproduktion her, mit einer deutlich höheren Kostennote.

  3. Willi Wacker sagt:

    Hallo DerHukflüsterer,
    der Gedankengang aus Deinem Kommentar ist sehr interessant. Von Herrn Fuchs u.a. wird ja immer wieder die Verkehrsfähigkeit des Gutachten angesprochen. Damit soll die Eigenschaft des Gutachtens als Urkunde unterstrichen werden.
    Bei Urkunden ist es in der Tat so, dass immer nur eine Urkunde erstellt werden kann. Die Mehrstücke sind Ausfertigungen oder (beglaubigte) Kopien. Wenn nun eine Urkunde verloren geht bzw. vernichtet wird, kann nur eine (weitere) Ausfertigung, nicht eine neue Urkunde, erstellt werden. Üblicherweise enthält die weitere Ausfertigung dann folgenden Text:“ Die vorliegende Ausfertigung der Urkunde vom … wird zum zweiten/dritten Male ausgefertigt und Herrn/Frau … zum Zwecke der… ausgehändigt, nachdem versichert wurde, dass das Original vernichtet wurde/ abhanden gekommen ist…“.
    Damit steht dann fest, durch Versicherung bekräftigt, dass das Original weg ist und an dessen Stelle nunmehr die Ausfertigung tritt.
    Das bedeutet, dass der SB an Eides Statt versichern muss, dass das Gutachten (vorsätzlich) vernichtet wurde. Das ist natürlich für eine Versicherung mehr als peinlich.
    Aber im Sinne der Lehre über den Verlust der Originalurkunde nicht anders zu regeln.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi

  4. RA Schepers sagt:

    @ Willi Wacker

    Bei Urkunden ist es in der Tat so, dass immer nur eine Urkunde erstellt werden kann.

    Woraus ergibt sich das?

  5. Mister L sagt:

    @ Hans Dampf

    Wer hat hier geklagt?
    Der Geschädigte oder der SV?

  6. SV m. E. sagt:

    Hallo zusammen,

    ich habe gerade eine Rechnung für die 4. Ausfertigung meines Gutachtens geschrieben. Hintergrund ist, dass obige Versicherung dem Anspruchsteller über die Firma carexpert den Schadenersatz um 350 Euro kürzen will. Womit der Gang zum Anwalt mit den entsprechenden Unterlagen notwendig wird. Hierfür habe ich nach Zeitaufwand eine halbe Stunde Ingenieurtätigkeit von 75,00 Euro zuzüglich der Nebenkosten laut meiner Honorartabelle meinem Kunden in Rechnung gestellt.
    Wurde zudem jedoch, so wie es sich im Moment darstellt, das Originalgutachten seitens der ERGO vernichtet und kann dieses aus diesem Grunde nach Abschluss der Regulierung nicht an den Anspruchsteller zurückgesandt werden, meine ich, wird für die dann erbetene Ausfertigung eine Pauschale von 80 % des Grundhonorars zuzüglich der Nebenkosten zu berechnen sein.

    Die weitere Kürzung des Schadensersatzanspruches begründet die ERGO bezüglich der im Gutachten ausgewiesenen Wertminderung mit entsprechenden Standartsätzen seitens carexpert. Dabei völlig den Fakt missachtend, dass der Fahrzeughalter an seinem Fahrzeug u.a. an auszubessernden Anbauteilen einen Schaden von 2600 Euro netto erlitten hat. Bei carexpert hat man auch hellseherische Fähigkeiten, den man weiß schon jetzt, wer das Fahrzeug einmal kaufen werde und was dieser beim Ankauf für Gefühle haben wird: „Eine gefühlsmäßige Ablehnung wegen eines fachgerecht instandgesetzten Unfallschadens ist bei dem hier zu behandelnden Käufer- und Verkäuferkreis kaum von Bedeutung.“
    Zudem meint man bei carexpert, Werkstätten können hexen. Der „Experte“kürzt nämlich auch so ganz nebenbei die Reparaturdauer um zwei Tage.
    Damit dann auch alles seinen sozialistischen Gang geht, bittet die ERGO zu guter letzt den Reparateur, sich mit dem Versicherer in Verbindung zu setzen.
    Dies alles, wo doch der ERGO, seitdem teure Lustreisen der Vergangenheit angehören, mehr Mittel für die Regulierung von Schadensersatzansprüchen zur Verfügung stehen. Außerdem, nach derartigem Gebaren, liebe ERGO, sollte in Betracht gezogen werden, doch auf kostenintensive Werbung zu verzichten. Glaubt dann eh keiner mehr.

    Zusammenfassend, nicht nur bei der DEVK und bei der HUK-Coburg geht ohne anwaltliche Inanspruchnahme nichts mehr. Auch die ERGO will jetzt zu jedem Kfz-Schaden RA-Kosten erstatten.

    Gruß, ein SV m. E.

  7. F-W Wortmann sagt:

    Hallo Herr Kollege Schepers,
    es gibt nur immer eine Original-Urkunde. Die Mehrstücke sind Ausfertigungen. Dementsprechend befindet sich in einer Rechtsstreitakte das Original-Urteil mit den Unterschriften der Richter. Von diesem Original wird eine Ausfertigung für den Beklagten und eine vollstreckbare Ausfertigung für den Kläger im Falle, dass die Klage erfolgreich war. hergestellt. Deshalb wird auch vollstreckbare Ausfertigung auf das Urteil, oder jeden anderen Vollstreckungstitel gesetzt und die Ausfertigung mit Vollstreckungsklausel versehen. Das Original-Urteil wird nie herausgegeben. Ähnlich ist es bei notariellen Urkunden. Der Notar erteilt vollstreckbare Urkunden in der zweiten /dritten oder… Ausfertigung und vermerkt auf dem Original, wem die Ausfertigung erteilt wurde. Das Original nimmt der Notar in seine Urkundssammlung. Im Rechtsverkehr tauchen immer nur Ausfertigungen auf. Das ergibt sich aus der BNotO (Bundesnotarordnung).

  8. RA Schepers sagt:

    Hallo Herr Kollege Wortmann,

    ja, das war mir schon klar. Mir ist nur nicht klar, wieso das Gutachten eines (Privat-)Sachverständigen eine Urkunde sein soll, die nur einmal erstellt werden kann/darf. Was spricht dagegen, daß der Sachverständige sein Originalgutachten mehrfach ausdruckt, unterschreibt und versendet?

    Im Übrigen dürfte auch die vollstreckbare „Ausfertigung“ eines Urteils eine „Urkunde“ sein, jedenfalls eine Urkunde im Sinne der §§ 267 ff. StGB…

  9. RA Uterwedde, Leipzig sagt:

    @ Mister L: der geschädigte hat wegen
    der zerstörung seines eigentumes geklagt.

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