AG Lübeck verurteilt die bei der VHV versicherte Halterin zur Zahlung gekürzter Sachverständigenkosten (31 C 3533/14 vom 10.02.2016)

Mit Datum vom 10.02.2016 (31 C 3533/14) hat das AG Lübeck die  bei der VHV versicherte Halterin zur Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 157,41 € zzgl. Zinsen verurteilt.

Das AG Lübeck entscheidet in vielen Punkten korrekt, etwa was die ex-ante-Sicht des Geschädigten, der Darlegungslast, der Schadensminderungspflicht, dem dolo-agit-Einwand, der Auswahl des Gutachters, der Anwendung des JVEG sowie die Fahrtkosten eines nicht am Unfallort ansässigen Gutachters betrifft. Allerdings hat das Gericht eine Einzelpunktprüfung der Rechnung anhand der BVSK Honorarumfrage vorgenommen, obwohl das Urteil des LG Hamburg vom 09.04.2015, Az.: 323 S 45/14 zugänglich gemacht wurde. Dieses Urteil stellt zutreffend fest, dass es eben NICHT auf die einzelnen Rechnungspositionen ankommt, sondern allein auf den Rechnungsendbetrag. Das Urteil wurde erstritten von der Kanzlei Hamburger Meile.

Die Entscheidungsgründe:

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb die­ses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von restlichen 157,41 € aus §§ 7, 17 I, II, 823 I, 249 II 1 BGB, 115 I Nr.1 VVG i.V.m. § 398 BGB zu.

1.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der Geschädigte hat die hier streitgegenständliche Forderung an den Kläger abgetreten, § 398 I BGB.

2.

Die Voraussetzungen der §§ 7, 17 I, II StVG; 823 I BGB liegen vor. Nach unbestrittenem Vortrag der Klägerin ist es zwischen dem Geschädigten und der Beklagten zu einem Verkehrsunfallereig­nis gekommen, wobei die Beklagte den Unfall verursacht hat und die Beklagte mithin dem Ge­schädigten gegenüber verpflichtet ist, die aus dem vorgenannten Unfallereignis entstandenen Schäden vollumfänglich zu ersetzen.

3.

Gemäß § 249 BGB besteht seitens des Geschädigten grundsätzlich ein Anspruch auf Naturalrestitution. Nach § 249 II 1 BGB kann wegen der Beschädigung einer Sache statt der Herstellung der dazu erforderlichen Geldbetrag verlangt werden. Diese Voraussetzungen sind aufgrund der Beschädigung des KFZ des Geschädigten erfüllt.

Der zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag umfasst auch die Kosten, welche der Ge­schädigte für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens aufwenden musste (vgl. auch: Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Auflage 2016, § 249 Rn. 58).

a)

Hierbei ist derjenige Aufwand als erforderlich anzusehen, den ein verständiger, wirtschaftlich den­kender Mensch in der Lage eines Geschädigten im Rahmen einer ex ante Betrachtung tätigen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 23.05.2006, Az. VI ZB 7/05). Im Rahmen dieser Betrachtung ist der Geschädigte grundsätzlich gehalten gemäß § 254 II 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht, welche letztlich auf den Rechtsgedanken des § 242 BGB zurück­geht, unter mehreren zumutbaren Alternativen die kostengünstigste zu wählen (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13 m.w.N.).

b)

Das Gebot der Wirtschaftlichkeit darf indes nicht überspannt werden. Der Geschädigte ist insbe­sondere nicht gehalten, die gleichen Anstrengungen zur Vermeidung von Kosten aufzuwenden, welche er im Rahmen einer Regulierung auf eigene Rechnung erbracht hätte. Die Vorschrift des § 249 BGB verpflichtet den Schädiger grundsätzlich, im Rahmen seiner Haftung die dem Ge­schädigten entstandenen Nachteile vollständig auszugleichen. Es ist nicht Anliegen der Norm, diese Haftung unter Inanspruchnahme des Geschädigten auf dessen Kosten zu mindern bzw. auszuhöhlen.

Der dem Geschädigten abzuverlangende Aufwand zur Schadensbeseitigung ist daher in vernünf­tigen Grenzen zu halten, wobei eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Er­kenntnis- und Einflussmöglichkeiten Rücksicht zu nehmen ist (vgl. auch: BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13)

Der Geschädigte darf sich deshalb auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen grundsätzlich damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverstän­digen zu beauftragen. Er ist insbesondere nicht dazu verpflichtet vor der Auftragsvergabe einer Marktforschung anzustellen und nach dem honorargünstigsten Sachverständigen zu suchen (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13 Urteil vom 23.01.2007, Az. IV ZR 67/06).

Nach diesen Grundsätzen ist ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten erst dann zu be­grenzen, wenn die in Rechnung gestellten Kosten des Sachverständigen erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen. In diesem Fall sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Auf­wand abzubilden (vgl, BGH, Urteil vom 11,02.2014, Az. VI ZR 225/13).

c)

Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage ei­ner Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständi­gen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 II 1 BGB. Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 II 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.1996, VI ZR 138/95; BGH2 132, 373, 381 m.w.N.).

Gemessen an diesem Maßstab erweist sich der Aufwand für die streitgegenständlichen Gutach­ten in Höhe von 608,24 € als erforderlich im Sinne des § 249 II 1 BGB, da die Sachverständigen­kosten nicht erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen.

Dabei ist auf den jeweils Geschädigten und nicht etwa auf die Klägerin als Zessionar abzustellen. Die Frage der Erforderlichkeit stellt sich schließlich im Zeitpunkt der Entstehung des Schadens beim Geschädigten. Daher ist auch allein dessen Sicht bei der Beurteilung maßgeblich (ebenso LG Stuttgart, Urteil vom 16.07.2014, Az. 13 S 54/14, BeckRS 2014, 14267). Die Abtretung vermag den Inhalt des abgetretenen Rechts nicht zu tangieren. Daran ändert vorliegend auch der Um­stand nichts, dass eine Abtretung an den Sachverständigen vorliegt.

Das Gericht legt bei der Feststellung der üblichen Vergütung gemäß § 287 ZPO die Befragung der BVSK, des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V., zur Höhe des üblichen Sachverständigenhonorars in aus dem Jahr 2013 zu Grunde.

Das JVEG stellt keine Orientierungshilfe bei der Bemessung der Angemessenheit von Nebenko­sten bei privaten Sachverständigen dar (so auch BGH, Beschluss vom 04.12.2013 – Az. XII ZB 159/12, NJW 2014, 1688; BGHZ 167, 139; Urt. v. 23.01.2007 – Az. VI ZR 67/06, VersR 2007, 560 und v. 04.04.2008 – BGH X ZR 80/05, NZV 2007, 182, 184;), Gegen eine Übertragung der Grund­sätze des JVEG spricht dabei vor allem, dass das JVEG ungeachtet seiner Absicht, eine „lei­stungsgerechte“ Vergütung zu gewähren (vgl. BT-Drs. 15/1971, S. 2, 142), weder eine marktgerechte Vergütung abbilden, noch gar eine solche für den Privatsachverständigen verbindlich fest­legen soll (vgl. auch LG Saarbrücken, 10,02.2012 – 13 S 169/10).

Einer Schätzung der erforderlichen Sachverständigenkosten ist daher die Honorartabelle des BVSK zugrunde zu legen sein und hierbei insbesondere den Honorarkorridor (HB V Korridor), in­dem je nach Schadenshöhe 50 % und 60 % der BVSK-Mitglieder die Höhe ihrer Vergütung be­rechnen (so auch LG Dortmund, NJW-RR 2011, 321, 322; LG Frankfurt a.M., SP2011, 449; LG Oldenburg, Urt. v. 7.11.2012 – 5 S 443/12, BeckRS 2012, 23066; LG Regensburg, DS 2011, 335; LG Saarbrücken, NJW 2012, 3658, 3660; AG Bonn, Urt. v. 1.4.2008 – 2 C 384/07, BeckRS 2008, 11914; AG Hannover, SP 2012, 121; AG Heidenheim, SP 2011, 122; AG Münster, Urt. v. 25.9.2012 – 28 C 1999/12, BeckRS 2012, 21298; AG Nürnberg, SP 2008, 306; AG Saarlouis, Urt. v. 4.6.2010 – 29 C 598/10, BeckRS 2010, 32260).

Hierbei verkennt das Gericht nicht, dass es sich bei dieser Aufstellung um die Ausarbeitung eines den Sachverständigen nachstehenden Vereins handelt. Sie spiegelt jedoch die weitestgehende, verfügbare Aufstellung aktueller Sachverständigenhonorare wieder und ist geeignet, deren durch­schnittliche Höhe anzugeben (so auch: AG Elmshorn, Urteil vom 20.05.2015, Az. 51 C 34/15).

Die BVSK-Honorartabelle legt der Ermittlung des branchenüblichen Honorars den ermittelten Net­toschaden zu Grunde.

d)

 

 

Rechnung       BVSK-Honorarbefragung 2013, 28.08.2014   HBV Korridor
Schadenshöhe netto 1.595,38 €
Gutachten – Grundhonorar 346,00 € 317,00- 352,00 €
Fotokosten 2,55 e (11 Stck) 2,21 – 2,55 €
Kommunikationspauschale 18,17€ Porto/ Telefon pauschal 14,48-18,17 €
Portokosten 1,45 €
Schreibkosten je Seite 2,86 € (15 Seiten) 2,45 – 2,86 €
Fahrtkosten je km 1,16€ (66 km) 0,92-1,16 €
Gesamtkosten netto 511,13€ 517,68 €
Gesamtkosten brutto 608,24 € 616,04 €
Bezahlt 450,83 €
Rest 157,41 € 165,21 €
Differenz |

 

Rechnungsbetrag -abrechnungsfähiger Betrag nach BVSK – 7,80 €
Differenz Nebenkosten 1,45 €

Im Schadensfall beläuft sich die Differenz zwischen dem Rechnungsbetrag der Klägerin und dem nach der BVSK-Honorarbefragung abrechnungsfähigen Höchstbetrag auf – 7,80 €. Der von der Klägerin in Rechnung gestellte Betrag liegt damit unterhalb des unter Zugrundelegung der BVSK-Honorarbefragung möglichen Abrechnungsbetrages. Bei einer Einzelbetrachtung der je­weiligen Nebenkosten ergibt sich ein nicht abrechnungsfähiger Betrag in Höhe von 1,45 € Porto­kosten, da insoweit dieser Posten in der BVSK-Honorarbefragung in der einheitlichen Pauschale für Porto/Telefon enthalten ist und hierneben nicht gesondert abgerechnet werden kann.

e)

Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen das Wirtschaftlichkeitsge­bot, weil er ein Sachverständigengutachten einholt, welches die in der BVSK-Honorarbefragung enthaltenen Werte überschreitet. Vielmehr rnuss für den Geschädigten erkennbar gewesen sein, dass die abgerechneten Positionen bzw. die Nebenkosten generell derart hoch sind, dass ein wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch sie nicht bezahlt hätte. Erst in diesem Fall, sind die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht mehr als erforderliche Kosten zur Schadensbehebung i.S.v. § 249 II 1 BGB anzusehen.

Dies ist vorliegend nicht der Fall.

aa)

Die Höhe des vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Grundhonorars ist nicht zu bean­standen und wird von der Beklagten auch nicht angegriffen. Lediglich eine einzige Position der in Ansatz gebrachten Nebenkosten liegt außerhalb der nach der BVSK-Honorarbefragung abrech-nungsfähigen Beträge. Allein dieser Umstand, rechtfertigt indes nicht die Annahme eines Versto­ßes des Zedenten gegen die Schadensminderungspflicht nicht (vgl. ausdrücklich auch: BGH, Ur­teil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13).

Einer Entscheidung, ob insofern auf eine Gesamtbetrachtung des am Ende in Ansatz gebrachten Rechnungsbetrages abzustellen ist (so etwa Heßeler, NJW 2014, 1916, 1917; AG Hamburg-Altona, NJW 2013, 1251; OLG München, Beschluss v. 12.03.2015, Az. 10 U 579/15 unter Verweis auf die Ausführungen von Heßeler) oder die Überhöhung einzelner Positionen für den Geschädigten er­kennbar gewesen sein muss, bedarf es nicht. Der von der Klägerin geltend gemachte Rech­nungsbetrag unterschreitet den nach der BVSK-Honorarbefragung unter Zugrundelegung der je­weils höchsten Einzelwerte abrechnungsfähigen Höchstbetrag und auch die Geltendmachung der isoliert nicht abrechnungsfähigen Position „Portokosten“, welche mit lediglich 1,45 € ange­setzt wird, war für einen Laien nicht als Überschreitung erkennbar.

bb)

Die vorliegende Überschreitung ist gerade im Hinblick auf die Bedeutung dieser Kosten im Ver­hältnis zu den Gesamtkosten des Gutachtens zunächst nicht derart erheblich, dass die Über­schreitung einem wirtschaftlich denkenden Mensch hätte einleuchten müssen.

Einem Laien müssen Honorarerhebungen verschiedener Berufsverbände, die einen Gebühren­rahmen darsteilen (z. B. BVSK, VKS/BVK), nicht bekannt sein. Aufgrund des Fehlens von Gebüh­renordnungen bzw. verlässlicher Größenordnungen ist es für den Geschädigten regelmäßig nicht zu erkennen, wann die Honorarsätze die in der Branche üblichen Preise deutlich überschreiten.

Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als dass die Überschreitung hinsichtlich der Nebenko­sten gerade einmal 1,45 € beträgt,

f)

Schließlich steht einer Durchsetzung des Leistungsanspruchs auch § 242 BGB nicht entgegen.

Das Argument, dass der Beklagten gegenüber dem Sachverständigen die Möglichkeit zusteht, dem Schadensersatzanspruch das erhöhte Honorar gemäß § 242 BGB entgegenzuhalten („do-lo-agif-EInrede), vermag nicht zu greifen. Dieser Gegenanspruch soll daraus folgen, dass der Sachverständige bei Abrechnung eines überhöhten Sachverständigenhonorars gegen eine Ne­benpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB gegenüber dem Geschädigten verstoßen habe, indem er die­sen nicht darüber aufklärte, dass sein Honorar gegebenenfalls über dem üblichen Abrechnungs­satz liege und daher nicht in vollem Umfang erstattet werde (so etwa OLG Dresden, Urteil vom 19.02.2014, Az. 7 U 111/12; AG Hamburg, Urteil vom 27.05,2014, Az. 9 C 70/14).

Selbst wenn der Versicherer in den Schutzbereich des zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen abgeschlossenen Vertrags einbezogen ist, kann der Versicherer als Dritter nur Schadensersatz beanspruchen, soweit der Sachverständige vertragliche Pflichten verletzt hat, die auch zugunsten der Versicherung bestehen. Es besteht jedoch keine vertragliche Pflicht des Sachverständigen, zugunsten der Versicherung möglichst geringe Gutachtenskosten zu verein­baren (OLG München, Beschluss v, 12.03.2015, Az. 579/15). Dies gilt insbesondere, da es für die Vergütung von Sachverständigen gerade keine gesetzlich festgelegten Vergütungsregelungen, Taxen oder sonst allgemein gültige Vorgaben gibt. Darüber hinaus können die Rechte des Dritten nicht weiter reichen als die des Vertragspartners selbst, weshalb auch insoweit auf die subjektbe­zogene Schadensbetrachtung und damit auf den Blickwinkel des Geschädigten abzustellen ist (OLG München, Beschluss vom 12.3.2015, Az. 10 U 579/15).

Nach der subjektbezogenen Schadensbetrachtung sind die Sachverständigenkosten voll erstat­tungsfähig. Die Rechnungen der Klägerin sind nicht in einer Weise überhöht, dass selbst ein Laie die Überhöhung hätte erkennen müssen und als wirtschaftlich denkender Mensch die Sachver­ständigenrechnung nicht bezahlt hätte. Insofern hätte dem Geschädigten in Ermangelung eines ersatzfähigen Schadens kein Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB gegen den Sachverständigen zugestanden, womit aber auch der Beklagten kein Anspruch aus einem etwaigen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gegen die Klägerin zustehen kann.

4.

Der Geschädigte verstieß auch nicht etwa deshalb gegen eine ihm obliegende Schadensminde­rungspflicht, welche ihm über § 254 II BGB entgegengehalten werden könnte, weil er einen in Ah­rensburg ansässigen Gutachter mit der Erstellung des Gutachtens beauftragte. Der Geschädigte wohnt in Westerau, während sich das Fahrzeug zur Reparatur in Reinfeld befand. Die Entfernung von Reinfeld nach Ahrensburg ist in etwa vergleichbar mit der Entfernung von Reinfeld nach Lü­beck. Zumindest stehen beide Entfernungen mit 20 km und 30 km nicht außer Verhältnis zueinan­der. Insofern oblag es der freien Wahl des Geschädigten, ob er einen Gutachter aus Lübeck oder Ahrensburg mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragte. Dem Geschädigten obliegt nicht die Pflicht den örtlich nächsten Gutachter zu wählen. Ebenso wenig ist der Geschädigte ver­pflichtet sein Fahrzeug selbst zum Gutachter zu bringen, auch wenn dieses nach wie vor ver­kehrstauglich und fahrbereit ist. Dem Geschädigten ein solches Verhalten abzuverlangen, würde die Grenzen der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht überschreiten. Der Geschädigte ist im Rahmen des Gebots zur wirtschaftlich vernünftigen Schadensbehebung gerade nicht ver­pflichtet zugunsten des Schädigers zu sparen und dafür eigene Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen (vgl. auch BGH NJW 1992, 302; BGH NJW 1996, 1958). Um das Fahrzeug beim Sachverständigen vorzuführen, müsste der Geschädigte jedenfalls einen weiteren Zeitverlust auf sich nehmen.

II.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 286, 288 BGB. Das Schrei­ben der Beklagten vom 18.09.2014 beinhaltet eine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Beklagten die Rechnung hinsichtlich des noch offenen Rechnungsbetrages zu begleichen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbar­keit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Soweit das AG Lübeck.

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3 Antworten zu AG Lübeck verurteilt die bei der VHV versicherte Halterin zur Zahlung gekürzter Sachverständigenkosten (31 C 3533/14 vom 10.02.2016)

  1. VHV-Beobachter sagt:

    Wenn auch hier das Gericht nicht von der BVSK-Honorartableau-Faszination lassen konnte, ist das Urteil in einigen Überlegungen mehr als lesenswert. Da hat sich ein Richter des AG Lübeck richtig viel Mühe gemacht, die widersprüchliche, schadenersatzrechtlich unsinninige und damit rechtswidrige Vorgehensweise der VHV-Versicherung einmal mehr zu verdeutlichen, wie gleichzeitig aber auch die anderer „Genossen“ des Kürzungssyndikats, einschließlich des GDV. Es kommt in der schadenersatzrechtlichen Betrachtung tatsächlich nicht auf die Höhe von Einzelpositionen im Nebenkostenbereich an, sondern – wenn trotz Vorlage einer Rechnung überhaupt noch zu schätzen wäre, auf die abgerechneten Gesamtkosten!

    Sehr deutlich und herausstellungsnotwendig auch auch folgende Zeilen der Entscheidungsgründe:

    „Der zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag umfasst auch die Kosten, welche der Ge­schädigte für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens aufwenden musste (vgl. auch: Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Auflage 2016, § 249 Rn. 58).

    Die Vorschrift des § 249 BGB verpflichtet den Schädiger grundsätzlich, im Rahmen seiner Haftung die dem Ge­schädigten entstandenen Nachteile vollständig auszugleichen. Es ist nicht Anliegen der Norm, diese Haftung unter Inanspruchnahme des Geschädigten auf dessen Kosten zu mindern bzw. auszuhöhlen.

    Der dem Geschädigten abzuverlangende Aufwand zur Schadensbeseitigung ist daher in vernünf­tigen Grenzen zu halten, wobei eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Er­kenntnis- und Einflussmöglichkeiten Rücksicht zu nehmen ist (vgl. auch: BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13)

    Gemessen an diesem Maßstab erweist sich der Aufwand für die streitgegenständlichen Gutach­ten in Höhe von 608,24 € als erforderlich im Sinne des § 249 II 1 BGB, da die Sachverständigen­kosten nicht erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen.

    Dabei ist auf den jeweils Geschädigten und nicht etwa auf die Klägerin als Zessionar abzustellen. Die Frage der Erforderlichkeit stellt sich schließlich im Zeitpunkt der Entstehung des Schadens beim Geschädigten. Daher ist auch allein dessen Sicht bei der Beurteilung maßgeblich (ebenso LG Stuttgart, Urteil vom 16.07.2014, Az. 13 S 54/14, BeckRS 2014, 14267). Die Abtretung vermag den Inhalt des abgetretenen Rechts nicht zu tangieren. Daran ändert vorliegend auch der Um­stand nichts, dass eine Abtretung an den Sachverständigen vorliegt.

    Das JVEG stellt keine Orientierungshilfe bei der Bemessung der Angemessenheit von Nebenko­sten bei privaten Sachverständigen dar (so auch BGH, Beschluss vom 04.12.2013 – Az. XII ZB 159/12, NJW2014, 1688; BGHZ 167, 139; Urt. v. 23.01.2007 – Az. VI ZR 67/06, VersR 2007, 560 und v. 04.04.2008 – BGH X ZR 80/05, NZV 2007, 182, 184;), Gegen eine Übertragung der Grund­sätze des JVEG spricht dabei vor allem, dass das JVEG ungeachtet seiner Absicht, eine „lei­stungsgerechte“ Vergütung zu gewähren (vgl. BT-Drs. 15/1971, S. 2, 142), weder eine marktgerechte Vergütung abbilden, noch gar eine solche für den Privatsachverständigen verbindlich fest­legen soll (vgl, auch LG Saarbrücken, 10,02.2012 – 13 S 169/10).

    Einem Laien müssen Honorarerhebungen verschiedener Berufsverbände, die einen Gebühren­rahmen darstellen (z. B. BVSK, VKS/BVK), nicht bekannt sein. Aufgrund des Fehlens von Gebüh­renordnungen bzw. verlässlicher Größenordnungen ist es für den Geschädigten regelmäßig nicht zu erkennen, wann die Honorarsätze die in der Branche üblichen Preise deutlich überschreiten.

    Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als dass die Überschreitung hinsichtlich der Nebenko­sten gerade einmal 1,45 € beträgt. “

    Aus

    Mit auf Entspannung gerichteten Grüßen
    zum Wochenende

    VHV-Beobachter

  2. Padre Johannes sagt:

    @VHV-Beobachter

    Hallo, VHV-Beobachter,

    danke für Deine Hinweise zu diesem Urteil. Es ist ein Phänomen, wie umfassend und schadenersatzrechtlich auch zutreffend Entscheidungsgründe – wie auch in diesem Fall – richtig dargestellt werden und urplötzlich werden dann in einer vergleichsweisen bzw. gegenüberstellenden Rechnung Einzelpositionen unzulässigerweise wegen der werkvertraglichen Sichtweite / Sichtweise doch noch im wahrsten Sinne des Wortes überprüft sowie obendrein auch noch eine Schätzung favorisiert, obwohl eine Rechnung vorliegt und es vor diesem Hintergrund nichts zu schätzen gibt. Einige Gerichte kommen erfreulicherweise ohne überprüfende Berechnung und Schätzung aus, weil bereits die Vorschrift des § 249 BGB den Schädiger grundsätzlich verpflichtet, im Rahmen seiner Haftung die dem Ge­schädigten entstandenen Nachteile vollständig auszugleichen und es ist nicht Anliegen der Norm ist, diese Haftung unter Inanspruchnahme des Geschädigten auf dessen Kosten zu mindern bzw. auszuhöhlen, wie es auch in diesem Urteil deutlich angesprochen wurde.

    Entscheidend für die Bejahung der Erforderlichkeit i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB der in Rechnung gestellten Sachverständigenvergütung ist vielmehr, dass vorliegend für den geschädigte Zedenten eine etwaige Überhöhung der ihm in Rechnung gestellten Sachverständigenvergütung nicht erkennbar war und er seine Pflichten zur Schadensminderung nicht verletzt hat, weil er bei Auftragserteilung noch nicht beurteilen konnte, in welcher Höhe Gutachterkosten anfallen würden.

    Da, wo dennoch in einer ex post Betrachtung unzulässigerweise akribisch im Detail geprüft und geschätzt wird, darf man getrost davon ausgehen, dass schadernersatzrechtlich Beurteilungsdefizite unverkennbar sind, denn genau an diesem Punkt würdigen die betroffenen Gerichte den nicht erheblichen Vortrag honorarkürzender Autoversicherer, die mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen ist. Wie stand da eingangs in den Entscheidungsgründen dieses Urteils so zutereffend ausgeführt ?

    „Der zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag umfasst auch die Kosten, welche der Ge­schädigte für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens aufwenden musste (vgl. auch: Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Auflage 2016, § 249 Rn. 58).

    Die Vorschrift des § 249 BGB verpflichtet den Schädiger grundsätzlich, im Rahmen seiner Haftung die dem Ge­schädigten entstandenen Nachteile vollständig auszugleichen. Es ist nicht Anliegen der Norm, diese Haftung unter Inanspruchnahme des Geschädigten auf dessen Kosten zu mindern bzw. auszuhöhlen.“

    Können diese in Deutscher Sprache sauber dargestellten Eckpfeiler der Gesetzgebung und des Schadenersatzrechts überhaupt auf Verständnisschwierigkeiten stoßen ?

    Wenn dem so sein sollte, wäre das ein Grund mehr, zukünftig die verantwortlichen Vorstandsmitgieder der honorarkürzenden Versicherer und die Verantwortungsträger des GDV vor die Schranken der Gerichte zu laden, damit sie Gelegenheit erhalten, sich zu den fragwürdigen Aktivitäten gegen das Gesetz erklären zu können. Die ladungsfähigen Anschriften hat natürlich die jeweilige Klägerpartei beiszusteuern.

    Padre Johannes

  3. Im Zeichen der schwarzen Rose sagt:

    Ein in jedweder Beziehung lesenswertes Urteil. Die Beiziehung eines Honorartableaus zur Beurteilung der Schadenersatzverpflichtung war jedoch nicht veranlasst.

    Im Zeichen der schwarzen Rose

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