AG Saalouis entscheidet in einem Rechtsstreit gegen den Schädiger direkt zu den restlichen, abgetretenen Sachverständigenkosten sowie zur Prozessvertretung durch einen Versicherungsanwalt mit Urteil vom 4.3.2016 – 29 C 1350/15 (16) -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

hier und heute veröffentlichen wir nach dem hervorragenden Beitrag zu den Prozessvollmachten der Versicherungsanwälte noch ein interessantes Urteil aus Saarlouis zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen den Unfallverursacher persönlich. Leider wurde uns wieder einmal nicht der dahinter stehende Versicherer, der die rechtswidrige Kürzung vorgenommen hat, mitgeteilt. Zu den Sachverständigenkosten handelt es sich im Wesentlichen um eine kompetente Begründung. Zum § 79 ZPO ist das Urteil jedoch leider fehlerhaft. Beklagter war nur der Versicherungsnehmer persönlich als direkter Schädiger und nicht die eintrittspflichtige gegnerische Versicherung. Demzufolge reicht eine Vollmacht der Versicherung des Schädigers zur Beauftragung des Rechtsanwaltes nicht aus, denn die Bestimmungen des VVG gelten nicht im Prozess nur gegen den Schädiger alleine, ohne dessen Versicherer. Der Schädiger ist berechtigt, einen Anwalt seiner Wahl mit schriftlicher Vollmacht zu seinem Prozessbevollnächtigten zu bestimmen. Denn Sinn und Zweck einer Vollmacht dürfte wohl sein, dass der Betroffene selbst einen Anwalt beauftragt und nicht irgend ein Dritter. Ansonsten könnte ja jeder X-Beliebige auf Kosten irgendwelcher Leute Prozesse führen. In diesem Rahmen stellt sich in Anbetracht der neueren Rechtsprechung des BGH zu den Überraschungsklauseln (BGH Urt. vom 21.6.2016 – VI ZR 475/15 -) die Frage, ob die von den Versicherern verwandte AGB, wonach diese den Anwalt für den Versicherungsnehmer bestellen können, nicht für den Versicherungsnehmer überraschend und daher unwirksam ist? Der Versicherungsnehmer in diesem Rechtstreitverfahren weiß bestimmt nicht einmal, dass er hier von seiner Versicherung „verheizt“ wurde. Deshalb sollte man den Versicherungsnehmern nach Beendigung der Prozesse auch grundsätzlich immer eine Abschrift des Urteils zuleiten. Das macht am Besten der Kläger, nicht sein Anwalt. Was denkt Ihr zu dem Urteil und der Vorgehensweise? Über Eure sachlichen Kommentare würden wir uns freuen. 

Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker

29 C 1350/15 (16)

Amtsgericht Saarlouis

U r t e i l

I m    N a m e n    d e s   V o l k e s

In dem Rechtsstreit

Klägerin

gegen

Beklagter

das Amtsgericht Saarlouis im vereinfachten Verfahren gemäß § 495 a ZPO am 4.3.2016 durch den Richter am Amtsgericht K. für Recht erkannt:

I.   Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 100 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.11.2015 zu zahlen.

II.  Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/10, der Beklagte 9/10.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

(ohne Tatbestand gemäß §313 a Abs. 1 ZPO)

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Beklagte schuldet der Klägerin die zugesprochene Hauptsumme als Schadenersatz gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249, 398 BGB aus abgetretenem Recht. Die volle Haftung der Beklagten für die der Zedentin entstandenen Unfallschäden ist unstreitig. Zu den ersatzfähigen Kosten des Geschädigten gehören dessen Aufwendungen für ein Schadensgutachten, soweit dieses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage, § 249 Rn. 58). Die Zedentin orientiert sich in Bezug auf die von ihr beanspruchte Grundvergütung an der Schadenshöhe. Das ist nach weit überwiegender Meinung in der Rechtsprechung zulässig (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 25.9.2003, Az.: 2 S 219/02; Saarländisches OLG, Urteil vom 22.7.2003, Az.: 2 U 438/02; BGH NJW 2006, 2472). Der Geschädigte kann zwar auch Sachverständigenkosten nur dann und insoweit geltend machen, als es sich um Aufwendungen handelt, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf und trägt das Risiko, dass das Gutachten sich später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH NJW 2007, 1450 ff.). Der Geschädigte ist allerdings grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Weil es im Gegensatz etwa zu dem Bereich des Mietwagengeschäfts bei Sachverständigengutachten an einheitlichen Modalitäten und allgemein zugänglichen Preislisten fehlt, die einen Vergleich der anfallenden Kosten ermöglichen würden, darf der Geschädigte in aller Regel von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen. Erst wenn für ihn erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Mißverhältnis zueinander stehen, kann er nicht mehr vollständigen Ausgleich seiner Aufwendungen verlangen (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 28.8.2008, Az.: 13 S 108/08 m.w.N.).

Auch nach der geänderten Rechtsprechung des Landgerichts Saarbrücken (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 10.2.2011, Az.: 13 S 174/10), der sich das Amtsgericht Saarlouis schon zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung im Saarland angeschlossen hat, bleibt es dabei, dass dann, wenn sich das Grundhonorar innerhalb des Honorarkorridors HB V der BVSK Honorarbefragung 2013 hält, nicht festgestellt werden kann, dass die vereinbarte Vergütung schadensrechtlich nicht erforderlich ist, da feststeht, dass eine nicht unerhebliche Zahl von Sachverständigen in diesem Bereich abrechnet, woraus sich wiederum ergibt, dass der Geschädigte regelmäßig keine Möglichkeit hat, vor Beauftragung zu einer anderen Einschätzung zu kommen. Das mit der Klage geforderte Grundhonorar hält sich in diesem Rahmen.

Auch die beanspruchten Nebenkosten erweisen sich in der geltend gemachten Höhe als schadensrechtlich erforderlich und sind nicht willkürlich überhöht. Der Bundesgerichtshof hat in seiner jüngsten Entscheidung die Rechtsprechung der Berufungskammer des Landgerichts Saarbrücken nicht gebilligt, wonach den Betrag von 100 € netto übersteigende Nebenkosten im Saarland generell als schadensrechtlich nicht erforderlich angesehen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13 -). In seiner vorhergehenden Entscheidung (BGH, Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 -) hat der Bundesgerichtshof geurteilt, dass, wenn sich nach einem Schadensgutachten ein Reparaturaufwand für das verunfallte Fahrzeug von rund 1.050 € zuzüglich Umsatzsteuer ergibt, ein Sachverständigenhonorar von 534,45 € (= 50,9 % des Nettoschadens), das sich zusammensetzt aus einem Grundhonorar von 260 €, Lichtbildkosten in Höhe von 22,40 €, Telefon-, Porto- und Schreibkosten in Höhe von 75 €, Fahrtkosten/Zeitautwand in Höhe von 91,80 € (das heißt 1 ,80 € je Kilometer, maximal 100 €) sowie die auf den daraus errechneten Betrag entfallende Mehrwertsteuer, weder in Anbetracht der Höhe des Honorars noch in Anbetracht der Nebenkosten zu beanstanden sei, wobei die Nebenkosten sich allein auf 189,20 € beliefen. Innerhalb seiner Entscheidung vom 11.2.2014 hat der Bundesgerichtshof es ausdrücklich beanstandet, eine Honorarkürzung im Schätzwege allein auf der Grundlage der Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes vorzunehmen. Im vorliegenden Fall hat die Zedentin bei einem Fahrzeugschaden von 1.374,65 € Bruttohonorarkosten von 580,57 € berechnet und zwar auf der Basis eines Grundhonorars von 323 €, Schreibkosten von 25,65 €, Kopierkosten von 37,80 €, Telefonkosten/ Porto/Email und Fax von 18,15 €, Lichtbildkosten von 21 €, Fahrtkosten von 49 € sowie Kosten für Audatex Abrufe von 20 €, insgesamt 171,60 €, zuzüglich Umsatzsteuer. Das Gesamthonorar macht damit nur ca. 42,8 % des Fahrzeugschadens aus, ist damit im Verhältnis zu dem dem Urteil des Bundesgerichtshofs zu Grunde liegenden Fall insgesamt und auch allein bezogen auf die Nebenkosten verhältnismäßig preisgünstiger. Schließlich hat die Klägerin im Klageverfahren 30,42 brutto zurückgenommen und zwar die Fremdkosten Audatex insgesamt(20 € zzgl MWSt. = 23,80 €), von der Position Briefporto/Telefon, E-Mail und Fax weitere 3,15 € netto (3,74 € brutto) und 2,41 € netto (2,86 € brutto) der Kosten des zweiten Fotosatzes, so dass von den ursprünglich in der Rechnung enthaltenen 204,20 € Nebenkosten nur noch 173,78 € geltend gemacht werden. Dies ist weniger als in dem zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs. Das Saarländische Oberlandesgericht (Urteil vom 8.5.2014, 4 U 61/13) hat Nebenkosten in Höhe von netto 279,50 € als schadensrechtlich erforderlich gebilligt innerhalb einer Honorarrechnung von 950,22 € brutto bei einem Reparaturschaden in Höhe von knapp über 4.000 €. Das saarländische OLG führt aus, dass zur Darlegung der Schadenshöhe regelmäßig die Vorlage der Rechnung des Sachverständigen genüge, welche im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderliches Betrages bilde, was sowohl für das Grundhonorar als auch die Nebenkosten gelte. In der Rechnung schlage sich regelmäßig nieder, was zur Schadensbeseitigung vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung erforderlich sei. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit reiche vor diesem Hintergrund nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Etwas anderes gelte nur, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergäben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die erforderlichen Aufwendungen nehmen würden. Hierzu genüge es aber nicht, wenn die Honorarrechnung die aus der BVSK-Honorarbefragung folgenden Höchstsätze überschreite. Denn dem Geschädigten müssten diese nicht bekannt sein. Dieser neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des saarländischen OLG folgend hält das Amtsgericht Saarlouis im vorliegenden Fall im Schätzwege gemäß § 287 ZPO dafür, dass die entstandenen Sachverständigenkosten insgesamt zur Schadensbeseitigung erforderlich waren.

Der Beklagte war im vorliegenden Verfahren von der Rechtsanwältin … ordnungsgemäß vertreten. Diese hat die Vollmacht des Haftpflichtversicherers des Beklagten vorgelegt. Dies genügt den Anforderungen des § 79 ZPO. Streit besteht nur darüber, ob der Haftpflichtversicherer den allein verklagten Versicherten vor dem Amtsgericht selbst, das heißt durch eigene Bedienstete vertreten kann. Anders als unter der Geltung des § 79 ZPO a. F., der eine Vertretung durch jede prozessfähige Person erlaubte, ergibt sich aus der versicherungsrechtlichen Berechtigung, den Prozess für den Versicherungsnehmer aufzunehmen, nicht die prozessuale Befugnis, diesen vor den Amtsgerichten wirksam vertreten zu können. Es spricht allerdings nichts dagegen, wenn der Versicherer einen Rechtsanwalt mit der Vertretung des Versicherten vor dem Amtsgericht beauftragt (vgl. Tschieschack, NJW 2010, 3275 f. m.w.N.; siehe auch BGH NJW 1991, 1176). Denn Ziel der Neuregelung des § 79 ZPO war es, im Zuge der Liberalisierung der außergerichtlichen Rechtsberatung für das gerichtliche Verfahren weitgehend eine Vertretung durch Anwälte sicherzustellen. Dass die AGB der Versicherer vorsehen, dass auch der Versicherte dem vom Versicherer bestellten Rechtsanwalt Vollmacht erteilen muss, hat keinen Einfluss darauf, dass die vom Versicherer erteilte Vollmacht zur wirksamen Vertretung des Versicherten ausreichend ist.

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus der Anwendung der §§ 280, 286, 288 BGB, 91, 269, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Kostenquotelung berücksichtigt die Teilrücknahme sowie den Umstand, dass wesentliche Teile der Kosten erst im gerichtlichen Verfahren entstanden sind.

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