Allianz Versicherungs AG scheitert im Regressprozess um angeblich überhöhte Sachverständigenkosten vor dem AG Halle (Saale) mit ihrer Regressklage (Urt. vom 23.11.2017 – 104 C 3647/16 -).

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

nach über einer Woche krankheitsbedingter Pause melde ich mich heute am Rosenmontag zurück. Nachfolgend stelle ich Euch hier ein Urteil aus Halle an der Saale vor, bei dem die Allianz Versicherung versucht hatte, den Sachverständigen des Geschädigten mit einem Restwertregressprozess zu überziehen. Das Ansinnen der Allianz – unter Regie der Anwälte mit den 3 Buchstaben – ist jedoch kläglich gescheitert, da der betroffene Sachverständige BGH-konform den Restwert am örtlichen Markt mit drei Angeboten ermittelt hatte. Die überregionalen Restwertangebote aus der Börse wurden – zu Recht – vom Gericht mit aller Deutlichkeit zurückgewiesen. Man muss schon ein wenig blöd sein oder unverfroren, oder vielleicht beides, wenn man bei der bisher klaren Rechtslage, die immerhin der BGH vorgegeben hat, immer wieder sinnfreie Angriffe dieser Art unternimmt. Maßgebend ist nämlich u.a. nicht, ob es einen Internetmarkt gibt, sondern dass der Sondermarkt dem Geschädigten nicht zugänglich ist. Die folgende Formulierung in den Urteilsgründen ist jedoch fehlerhaft:

„Insoweit hat die Klägerin schon nicht substantiiert behauptet, dass ihr durch einen fehlerhaft festgestellten Restwert ein konkreter Schaden entstanden ist. Dies käme nur dann in Betracht, wenn tatsächlich zur damaligen Zeit auf dem regionalen Markt höhere, als die vom Beklagten festgestellten Restwertangebote auffindbar waren.“

Selbst wenn es zum damaligen Zeitpunkt auf dem örtlichen Markt tatsächlich höhere Restwertangebote gegeben hätte, liegt dann noch lange keine Pflichtverletzung des Sachverständigen vor, sofern er entsprechend der BGH-Rechtsprechung drei Restwertangebote am örtlichen Markt ermittelt und nachgewiesen hat. Denn wer kennt schon sämtliche potentiellen Bieter – insbesondere die willigen Freunde der Versicherungswirtschaft, die auch Mondpreise bieten, sofern „Big Brother“ dies anordnet? Oder was denkt Ihr? Problematisch dürfte die Sache jedoch für diejenigen Sachverständigen werden, die von Anfang an überregionale Restwert-Angebote, insbesondere solche aus der Restwertbörse, in ihren Gutachten vorsehen. In diesen Fällen kann die gegnerische Versicherung durchaus höhere Restwerte entgegenhalten und entsprechend Regress nehmen. Denn der Sachverständige hat ja selbst die Büchse der Pandora geöffnet, indem er den Sondermarkt zurate gezogen hat. Die BGH-Rechtsprechung greift hier dann nämlich nicht mehr. Grundsätzlich stellt sich aber noch die Frage der Aktivlegitimation der Versicherung. Auf welcher Grundlage (Rechtsbeziehung) erfolgte hier eigentlich die Klage? Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter? Ohne Abtretung eines eventuell möglichen Schadensersatzanspruchs dürfte die eintrittspflichtige Versicherung kein Recht zum Regress haben. Etwas Positives haben solche sinnlosen Prozesse dennoch. Der Streitwert für den Anwalt des Sachverständigen ist etwas auskömmlicher als bei den Prozessen zu den gekürzten Sachverständigenkosten. Bösartige Prozesse dieser Art zeigen jedoch auch das Verhältnis der Versicherer zu den freien und unabhängigen Sachverständigen, nämlich den Kampf bis aufs Blut. Lest selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht
Halle (Saale)

104 C 3647/16                                                                                   Verkündet am 23.11.2017

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Allianz Versicherungs-AG vertr. d. d. Vorstand Joachim Müller, An den Treptowers 3,
12435 Berlin

Klägerin

gegen

Firma …

Beklagte

hat das Amtsgericht Halle (Saale) im schriftlichen Verfahren gem. § 128 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 09.11.2017 durch den Richter am Amtsgericht K. für Recht erkannt:

1.    Die Klage wird abgewiesen.

2.    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4.    Der Streitwert wird auf 1.666,11 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin fordert vom Beklagten Schadensersatz wegen – aus ihrer Sicht – einer mangelhaften Begutachtung.

Der Beklagte betreibt ein Kfz- Sachverständigenbüro, die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen, die auch Kraftfahrzeugversicherungen (Kasko und Haftpflicht) anbietet.

Im konkreten Fall war die Klägerin Haftpflichtversicherer des (zu 100 % haftenden) weiteren Beteiligten eines Verkehrsunfalles, an welchem auch die Geschädigten Frau A. R. beteiligt war. Der Verkehrsunfall ereignete sich am 19.10.2013. Die Geschädigte beauftragte den Beklagten mit der Feststellung des ihr anlässlich des Unfalls an Ihrem PKW VW Golf entstandenen Schadens.

Mit Gutachten vom 22.10.2013 stellte der Beklagte einen wirtschaftlichen Totalschaden am vorgenannten PKW fest, den Restwert bestimmte er mit 350 €. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten des Beklagten vom 22.10.2013 (Bl. 11 bis 26 der Akte) verwiesen.

Zu diesem, vom Beklagten festgestellten Betrag veräußerte die Geschädigte Ihren Pkw.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Restwert sei vom Beklagten falsch ermittelt worden. Der tatsächliche Restwert betrage vielmehr 2.360 €. Sie beruft sich diesbezüglich auf die Darstellung eines von ihr beauftragten Sachverständigen, der in seinem Gutachten auf insgesamt 4 Restwertangebote zwischen 1.700 € und 2.320 € Bezug nimmt. Wegen der Einzelheiten wird auf das von der Klägerin als Anl. 2 vorgelegte Gutachten vom 04.12.2013 (Bl. 23 bis 27 der Akte) verwiesen.

Diesbezüglich sei – nach Auffassung der Klägerin – auch nicht lediglich der regionale Markt maßgeblich, vielmehr kann – im Zeitalter des Internets – der Geschädigte auch auf weiter entfernt liegender Aufkäufer verwiesen werden.

Die Klägerin beantragt,

Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.666,11 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, den Restwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs zutreffend ermittelt zu haben. Diesbezüglich behauptet er, mindestens 3 Restwertangebote auch konkret benannt zu haben.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist nach der Vernehmung der Zeugen W. und M. (und dem vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister des Amtsgerichts München vom 07.07.2017, Bl. 105 ff. der Akte) bewiesen, dass die vom Klägervertreter vorgelegten Originalvollmacht (vergleiche Bl. 73 der Akte) vom 15.03.2017 tatsächlich von zwei vertretungsberechtigten Personen, die bei der Klägerin als Prokuristin angestellt sind, unterzeichnet wurde.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass sie in den Schutzbereich des zwischen dem Sachverständigen und der Geschädigten abgeschlossenen Werkvertrages einbezogen ist, sie daher auch Schadensersatz verlangen kann, wenn der Sachverständige schuldhaft gegen ihn treffende vertragliche Pflichten verstoßen hat. Die Klägerin hat jedoch nicht substantiiert behauptet, dass der Sachverständige im konkreten Auftrag seine Pflichten gegenüber der Geschädigten (und damit auch gegenüber der Klägerin) verletzt hatte.

Eine solche Pflichtverletzung könnte sich hier daraus ergeben, dass der vom Beklagten angenommenen Restwert (schuldhaft) unzutreffend ermittelt wurde, wobei hinzu kommen muss, dass sich dies auch zu Lasten des Geschädigten, bzw, der Klägerin ausgewirkt hat. Dies konnte die Klägerin jedoch schon nicht substantiiert darstellen.
Nach ihrem Vortrag ist der vom Sachverständigen festgestellte Restwert (deutlich) zu niedrig bestimmt, vielmehr – so die Auffassung der Klägerin – beträgt der korrekterweise festzustellender Restwert mindestens 2.365 €. Die von der Klägerin zur Unterlegung ihres Vortrages behaupteten Restwertangebote sind jedoch für den hier im konkreten Fall festzustellenden Restwert unerheblich.

Für die Feststellung des Restwertes ist nämlich nur der regionale Markt maßgeblich. Dies vor dem Hintergrund, dass dem Geschädigten es möglich sein muss, sein Fahrzeug einer ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler bei dem Erwerb des Ersatzwagens in Zahlung zu geben. Bei dem Erwerb eines Ersatzfahrzeuges (unter Inzahlunggabe des Unfallwagens) über das Internet, besteht hingegen die (ohne weitere Nachforschungen, zu denen der Geschädigte jedoch nicht verpflichtet ist, kaum seriös ausschließbare) Gefahr, dass der Geschädigte einen unredlichen Händler oder Aufkäufer als Vertragspartner erhält. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vergleiche BGH, Entscheidung vom 27.09.2016, VI ZR 673/15), wonach sich ein Geschädigter auf einem solchen Weg nicht verweisen lassen muss, weshalb ihm auch keine Restwertangebote jenseits des regionalen Marktes entgegengehalten werden können.

Gerade darauf beschränkt sich jedoch der Vortrag der Klägerseite. Die von der Klägerseits behaupteten Restwertangebote sind allesamt nicht vom regionalen Markt. Insoweit hat die Klägerin schon nicht substantiiert behauptet, dass ihr durch einen fehlerhaft festgestellten Restwert ein konkreter Schaden entstanden ist. Dies käme nur dann in Betracht, wenn tatsächlich zur damaligen Zeit auf dem regionalen Markt höhere, als die vom Beklagten festgestellten Restwertangebote auffindbar waren. Dies ergibt sich aber gerade nicht aus dem Klägervortrag, weshalb, ohne dass es hier einer Erörterung bedürfte, ob die vom Beklagten betriebene Restwertbörse einen ausreichenden Überblick über den regionalen Markt verschafft, die Klage als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Den Streitwert setzte das Gericht gemäß § 3 ZPO fest.

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1 Antwort zu Allianz Versicherungs AG scheitert im Regressprozess um angeblich überhöhte Sachverständigenkosten vor dem AG Halle (Saale) mit ihrer Regressklage (Urt. vom 23.11.2017 – 104 C 3647/16 -).

  1. Iven Hanske sagt:

    Der Witz ist hier, dass der gleiche Richter schon inkl. Restwertermittlung die Sachverständigenkosten mit Ausnahme der Fahrtkosten (nicht fahrbares Schrottauto hätte mit der Aufwandsentschädigung zum Gutachter fahren müssen) zugesprochen hat. Dieser B.. Anwalt wollte nur ein Rachezug, mit Hilfe von Versichertengelder, gegen mich. Und ich hatte schon Bedenken, dass dieses Gericht, mal wieder konstruiert gegen mich entscheidet. Denn das Gesetz findet hier ab und zu keine Beachtung, so dass es ein gerichtlich provoziertes Lotteriespiel in Halle ist.

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