Berufungskammer des LG Karlsruhe ändert Urteil des AG Bruchsal ab und verurteilt die HUK-COBURG im Schadensersatzprozess zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 23.12.2016 – 19 S 8/16 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

zum Wochenende stellen wir Euch hier ein weiteres Berufungsurteil aus Karlsruhe in einem Schadensersatzprozess um Erstattung der berechneten Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG vor. Die Berufungskammer des LG Karlsruhe hat – zu Recht – die Entscheidung des AG Bruchsal abgeändert und dem Geschädigten, bzw. dem aus abgetretenem Recht klagenden Sachverständigen, bzw. dessen Rechtsnachfolgerin, der Klägerin, die von der HUK-COBURG gekürzten restlichen Sachverständigenkosten zugesprochen. Die Berufungskammer des LG Karlsruhe hat dabei mit zutreffender Begründung – anders als der BGH –  das JVEG als „Schätzungsgrundlage“ in direkter oder auch nur entsprechender Anwendung verworfen. Ebenso hat das erkennende Berufungsgericht das Honorartableau der HUK-COBURG als Maßstab für die erforderlichen Sachverständigenkosten – zu Recht – verworfen. Es ist dem deutschen Recht fremd, dass der Schädigier bestimmt, welchen Schadensersatz und in welcher Höhe er zu leisten ist. Die von der HUK-COBURG selbst erstellte Honorartabelle kann daher nie Maßstab für einen vom Schädiger zu leistenden Schadensersatz sein. Lest selbst das Berufungsurteil des LG Karlsruhe und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab. 

Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker

Aktenzeichen:
19 S 8/16
4 C 394/15 AG Bruchsal

Landgericht Karlsruhe

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Klägerin und Berufungsklägerin –

gegen

– Beklagte und Berufungsbeklagte –

wegen Schadensersatzes

hat das Landgericht Karlsruhe – Zivilkammer XIX – durch den Präsidenten des Landgerichts M. , den Richter am Landgericht G. und den Richter am Amtsgericht S. auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2016 für Recht erkannt:

1.        Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Bruchsal vom 19.01.2016, Az. 4 C 394/15, unter Aufhebung im Kostenpunkt abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 74,79 EURO nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.09.2015 zu bezahlen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.        Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht restliche Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ausschließlich die Höhe der vom Sachverständigen geltend gemachten Nebenkosten.

Die Beklagte ist als Versicherung unstreitig zu 100 % eintrittspflichtig für einen Fahrzeugunfall, der sich am 20.06.2015 gegen 17:45 Uhr in Bruchsal ereignete.

Der in … wohnhafte Geschädigte … (AS I, 2) beauftragte am 22.06.2015 das im ca. 30 km entfernten (AS I, 107) … ansässige Sachverständigenbüro … . Noch am Abend fand gegen 17.30 Uhr die Besichtigung des Fahrzeugs statt. Am Folgetag erstattete der Sachverständige das als Anlage K 1 (AS I, 17) vorgelegte Gutachten. Dieses weist Nettoreparaturkosten in Höhe von 2.116,10 EURO und eine Reparaturdauer von 3-4 Arbeitstagen aus. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Geschädigten in der zweiten Instanz wurde ihm der Gutachter von dem – ebenfalls in … ansässigen – Lackierbetrieb empfohlen, bei dem sich das Fahrzeug zum Besichtigungszeitpunkt befand (AS II, 101).

Ebenfalls am 22.06.2015 wurde vom Geschädigten und dem Gutachter der als Anlage K 3 vorgelegte Gutachtenauftrag (AS I, 63) unterzeichnet. Dieser enthält die folgende Vergütungsvereinbarung:

„Der SV erhält als  Vergütung für die Gutachtenerstellung ein Grundhonorar,  das sich am ermittelten Schaden orientiert. Grundlage der Berechnungen ist der im Honorarbereich   V ermittelte  Wert der aktuellen BVSK-Befragung 2013.  Zusätzlich erhält der SV Nebenkosten wie folgt vergütet: 1. Fotosatz: € 2,50 (entspricht € 2,97 inkl. MwSt) pro Foto, 2. Fotosatz: € 1,65 (entspricht € 1,96 inkl. MwSt) pro Foto; Fahrtkosten: € 1,10 (entspricht 1,31 inkl. MwSt) pro gefahrenem Kilometer (max. 50 km); Porto/Telefon (pauschal): € 18,00 (entspricht € 21,42 inkl. MwSt); Schreibkosten pro Seite: € 2,80 (entspricht € 3,33 inkl. MwSt); Schreibkosten Zweitausfertigung pro Seite: € 1,40 (entspricht € 1,67 inkl. MwSt).“

Der Sachverständige hat sich vorliegend unstreitig sowohl hinsichtlich des Grundhonorars als auch hinsichtlich der Nebenkosten an der BVSK-Honorarbefragung 2013 orientiert (AS I, 11).

Der Geschädigte trat den Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten bereits in dem Gutachtenauftrag „zur Sicherung des Sachverständigenhonorars … erfüllungshalber an den SV ab“. Der Sachverständige bot in derselben Urkunde die Weiterabtretung der Forderung an die Klägerin … an, die die Abtretung annahm. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die AS I, 5, 7 und 63 verwiesen.

Der Sachverständige gelangte in seinem Gutachten zu Netto-Reparaturkosten i.H.v. 2.116,10 € und stellte für das Gutachten 633,79 € (brutto) in Rechnung. Die Rechnung (Anlage K 2; AS I, 61) enthält die folgenden Positionen:

Gutachten Grundhonorar                                                                          370,00 €
1. Fotosatz 14 Stück x 2,50                                                                        35,00 €
Anteilige Fahrtkosten 50 km x 1,10                                                            55,00 €
Porto/Telefon pauschal                                                                               18,00 €
Schreibkosten pro Seite 13 Stück 2,80                                                       36,40 €
Zweitausfertigung pro Seite 13,00 Stück 1,40                                            18,20 €
Gesamtbetrag ohne MwSt                                                                        532,60 €
Gesamtbetrag incl. MwSt.                                                                        633,79 €

Die Klägerin zahlte nach ihrem unwidersprochenen Vortrag den Rechnungsbetrag an den Sachverständigen (AS I, 7).

Die Beklagte zahlte an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 559,00 €. Darüber hinausgehende Zahlungen verweigert sie, da sie die Rechnung für überhöht hält. Die Rechnung übersteige den erforderlichen Aufwand zur Schadensbeseitigung (§ 249 BGB) und verstoße gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB). Auf das Abrechnungsschreiben vom 26.06.2015 (AS I, 69) wird hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage den Differenzbetrag in Höhe von 74,79 € geltend. Sie hat die Rechtsauffassung vertreten, dass das Grundhonorar ausschließlich die geistige Leistung des Sachverständigen abdecke. Alles andere, was erforderlich ist, die geistige Leistung zu erbringen, seien Nebenkosten. Diese decken nach Auffassung der Klägerin nicht den bloßen Materialeinsatz ab, sondern die gesamte Leistung, die sich hinter ihnen verbirgt (AS I, 107). Auch die Fahrtkosten umfassten nicht nur die Vollkosten des Fahrzeugs, sondern auch die für Fahrten aufgewendete Arbeitszeit des Sachverständigen. Schreib- und Fotokosten umfassten nicht nur den reinen Ausdruck, sondern auch die Erstellung und Auswahl der Fotografien und Sekretariatsarbeiten wie Schreiben, Kopieren und Versenden des Gutachtens. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf AS I, 107 verwiesen. Das von der Beklagten angesprochene Honorartableau der HUK-Coburg-Gruppe spiegle Sonderkonditionen und keine Marktpreise wieder. Darüber hinaus sei das Ergebnis einer solchen Liste im Sinne der Versicherung.

Die Beklagte hat in erster Instanz bestritten, dass 370 € der üblichen Vergütung entsprächen (AS I, 99). Diese gewillkürte Vergütung liege fernab des regional üblichen Honorars (AS I, 99). Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Vergütung aufgrund des Tableaus der HUK-Coburg-Gruppe zu bemessen sei (AS I, 171). Die Werte der BVSK-Befragung seien ungeeignet (vgl. AS I, 99). Darüber hinaus griff sie die Honorarvereinbarung an, indem sie ausführt, dass die tatsächlichen Druckkosten lediglich 3 Cent pro Seite für Schwarz-Weiß-Druck und 15 Cent pro Seite für Farbdruck betragen (vgl. AS I, 161 ff. hinsichtlich der Einzelheiten). Im Digitalzeitalter leuchte einem jeden ein, dass 2,50 EURO für ein Bild netto überteuert sei. Es erschließe sich darüber hinaus nicht, warum Einzelbilder berechnet würden, obwohl keine Einzelbilder ausgehändigt wurden, sondern Bildseiten, auf denen 2 Bilder pro Seite sind. Fahrtkosten in Höhe von 1,10 € seien nicht ersatzfähig, da Rechtsanwälte und Steuerzahler nur 0,30 € pro km geltend machen können. Auch würden Schreibkosten bei der gebotenen wirtschaftlichen Arbeitsweise für den Laien erkennbar nicht anfallen (AS I, 101). Die Dateneingabe sei ein Teil der mit der Grundvergütung abgegoltenen Sachverständigenleistung, da sie die Fachkunde des Sachverständigen erfordert (AS I, 101). Schließlich rügt die Beklagte, dass der Geschädigte keinen Sachverständigen vor Ort beauftragt habe (AS I, 103).

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen (AS I, 187 ff.). Es hat die Auffassung vertreten, dass das Grundhonorar entsprechend der Rechnung des Sachverständigen zuzusprechen sei. Daneben seien durchaus Nebenkosten abrechnungsfähig. Zu deren Bemessung hat das Amtsgericht „analog die Werte, die das JVEG zugrunde legt, herangezogen.“ Dies stelle „nach Überzeugung des Gerichts auch im Rahmen von § 287 ZPO eine geeignete Schätzgrundlage dar.“ Hierdurch lasse sich ein Ergebnis erzielen, dass zwischen den verschiedenen Berechnungsweisen liege.

Mit dem Umstand, dass im vorliegenden Fall mit der Anlage K 3 eine konkrete Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, setzt sich das Gericht nicht auseinander. Das Amtsgericht hat gem. § 511 Abs. 4 S. 1 ZPO die Berufung zugelassen.

Gegen das am 27.01.2016 (AS I, 195) zugestellte Urteil richtet sich die am 28.01.2016 eingelegte und zugleich begründete Berufung, mit der die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt. Hierin rügt sie, dass das Amtsgericht die Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten verkannt habe. Darüber hinaus verkenne das Amtsgericht, dass der Werklohn vereinbart sei und nichts für die Unwirksamkeit der Abrede spreche. Darüber hinaus könne das JVEG nicht herangezogen werden, da es alleine die Tätigkeit des gerichtlichen Sachverständigen regelt (AS II, 11).

Die Klägerin beantragt (AS II, 7, 117):

unter Abänderung des am 19.01.2016 verkündeten und der Klägerin am 27.02.2016 zugestellten Urteils des Amtsgerichts Bruchsal, Az. 4 C 394/15, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 74,79 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Soweit im Antrag der 27.02. genannt ist, ist dies ein offensichtliches Versehen. Die Zustellung fand am 27.01. statt.

Die Beklagte beantragt:

Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Es seien keine Ermessensfehler bei der Schätzung gem. § 287 ZPO erkennbar. Der Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Geschädigtem und Gutachter sei irrelevant, da vorliegend ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird, der seine Grenzen in § 249 Abs. 2 BGB finde. Daher sei auch die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet (AS II, 83). Ob eine Nebenkostenabrechnung deutlich überhöht sei, richte sich nicht nach der BVSK-Honorarbefragung, da diese Tabelle Gewinnanteile enthalte (AS II, 83). Dies ergäbe sich auch aus der Veränderung der BVSK-Honorarbefragung 2015, in der der bislang als versteckter Gewinn in den Nebenkosten enthaltene Betrag auf das Grundhonorar aufgeschlagen werde (AS II, 85). Darüber hinaus rügt die Beklagte, dass der Geschädigte keinen der in Bruchsal ansässigen Gutachter beauftragt hat, die – unstreitig – über die „Gelben Seiten“ hätten ausfindig gemacht werden können (AS II, 107).

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ihren Antrag auf Zulassung der Revision nicht mehr aufrecht erhalten (AS II, 11, 117). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung die Zulassung der Revision beantragt (AS II, 117).

II.

Die Berufung ist aufgrund der Zulassung durch das Amtsgericht statthaft und zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg.

Das Sachverständigenhonorar ist in voller Höhe gem. § 7 StVG iVm. § 115 VVG und § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzen. Der Gutachtenauftrag vom 22.06.2016 (Anlage K 3; AS I, 63) ist nicht nach § 138 BGB unwirksam und hält einer „gewissen Plausibilitätskontrolle“ stand.

Im Einzelnen:

1.  Dem Geschädigten steht ein Anspruch auf vollständigen Ersatz des durch den Unfall entstandenen Schadens zu. Zu diesen Kosten gehören grundsätzlich die Kosten für ein Schadensgutachten, sofern das Gutachten zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Es ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich, dass diese Voraussetzung nicht vorliege.

Auch ging die ursprünglich dem Geschädigten zustehende Forderung gem. § 398 BGB durch Abtretung zunächst auf den beauftragten Sachverständigen und sodann auf die Klägerin über. Anhaltspunkte, dass die Abtretung an den Sachverständigen unwirksam sein könnte, bestehen nicht. Insbesondere unterscheidet sich die im vorliegenden Fall verwendete Klausel von der Klausel, die Gegenstand des Urteils des BGH vom 21.06.2016 – VI ZR 475/15 war.

2.  Der Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 115 VVG iVm. § 7 StVG besteht in Höhe des geltend gemachten Umfangs.

Der im vorliegenden Fall wirksam vereinbarte Gutachtenauftrag Anlage K 3 (hierzu a.) ist Grundlage der Abrechnung (hierzu b.) und stellt den gem. § 249 Abs. 2 BGB ersatzfähigen Schaden dar (hierzu c).

a. Im vorliegenden Fall haben die Parteien mit dem als Anlage K 3 vorgelegten Gutachtenauftrag eine ausdrückliche Preisvereinbarung getroffen. Diese umfasst nicht nur das – in der Berufung nicht mehr angegriffene – Grundhonorar, sondern auch eine detaillierte Aufstellung der einzelnen zu vergütenden Nebenkosten. Auf die Frage der Üblichkeit der Vergütung iSv § 632 Abs. 2 BGB kommt es daher nicht an.

Die Vereinbarung ist darüber hinaus wirksam. Soweit die Beklagte die Kosten teilweise als „reinen Wucher“ bezeichnet hat (AS I, 101) führt dies nicht zur Nichtigkeit gem. § 138 BGB. Es ist nämlich nicht ersichtlich, warum unter dem Blickwinkel des § 138 BGB der Sachverständige verpflichtet sein sollte, ausschließlich die reinen Kosten eines Druckers oder die Kosten der Erstellung eines Textes in Rechnung stellen zu dürfen. Auch gesetzlich reglementiertes Preisrecht ordnet die Vergütung von Druckkosten über den reinen von der Beklagten aufgezeigten Sachkosten an. Beispielhaft sei auf das RVG verwiesen: Obwohl nach Vorbemerkung 7 des Teiles 7 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG ausdrücklich „mit den Gebühren auch die allgemeinen Geschäftskosten entgolten werden“, werden die „entstandenen Aufwendungen (§ 675 iVm § 670 BGB) für Kopien und Ausdrucke für die ersten 50 abzurechnenden Seiten auf je 0,50 € für Schwarz-Weiß und 1,00 EURO für Farbe festgelegt. Daher scheitert die Vereinbarung eines höheren Betrages nicht an § 138 BGB, da kein Grund ersichtlich ist, warum nicht auch Arbeitzeit bei den Nebenkosten eingerechnet werden kann.

b.  Die im vorliegenden Fall gestellte Rechnung entspricht auch der im Gutachtenauftrag getroffenen Vereinbarung. Die – im Berufungsrechtszug nicht mehr angegriffene – Grundgebühr entspricht vereinbarungsgemäß der BVSK-Befragung 2013. Auch die abgerechneten Nebenkosten entsprechen der Vereinbarung. Insbesondere wurden trotz der Entfernung von 2 x 30 km (AS I, 107) vereinbarungsgemäß nur 2 x 25 km abgerechnet.

Soweit die Beklagte rügt, es erschließe sich nicht, warum Einzelbilder berechnet würden, obwohl Bildseiten mit 2 Bildern pro Seite ausgehändigt wurden, ist dies unbeachtlich. Die im Gutachten verwendeten Bilder entsprechen durchaus der Größe eines regulären Bildes. Dass zwei der Bilder auf einer Seite sind, ändert hieran nichts.

c.  Darüber hinaus halten die Nebenkosten im vorliegenden Fall einer „gewissen Plausibilitätskontrolle“ stand.

(1.) Als erforderlich iSv § 249 Abs. 2 BGB sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Der Geschädigte ist unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderung gehalten, im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf jedoch andererseits nicht das Grundanliegen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB aus den Augen verloren werden, nämlich, dass dem Geschädigten ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, NJW 2014, 1947, Tz. 7). Vom Geschädigten wird nicht verlangt, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als hätte er den Schaden selbst zu tragen. Bei alledem ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu nehmen. Der Geschädigte darf sich damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen seiner Wahl zu beauftragen. Zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes ist er grundsätzlich nicht verpflichtet (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, NJW 2014, 1947; LG Karlsruhe, Urteil vom 17.05.2016 – 20 S 11/16). Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs obliegt dem Geschädigten im Rahmen des in § 249 BGB verankerten Wirtschaftlichkeitsgebots grundsätzlich nur eine gewisse Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten Preise.

Allerdings sind als „erforderlicher Herstellungsaufwand“ gem. § 249 Abs. 2 BGB nur diejenigen Kosten zu erstatten, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Verlangt der Sachverständige Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung eines Sachverständigen insoweit als nicht erforderlich iSv § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachten tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, die gem. § 287 ZPO zu schätzen sind (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15, Tz. 13, NJW 2016, 3092).

(2.) Im vorliegenden Fall lagen die Kosten des Gutachtens innerhalb des Rahmens dessen, was zur Zeit des Unfalls auf dem für den Geschädigten in seiner konkreten Unfallsituation zugänglichen regionalen Markt von Sachverständigen geltend gemacht wurde. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin orientierte sich im vorliegenden Fall der Gutachter sowohl hinsichtlich des Grundhonorars als auch der Nebenkosten an der BVSK-Befragung 2013. Diese weist für den vorliegenden Schadensfall einen Korridor in Höhe zwischen 589,88 EURO und 664,78 EURO aus (vgl. AS I, 11 zu den Einzelheiten).

Selbst wenn auch in den Nebenkosten Gewinnanteile enthalten sein sollten, ändert dies nichts daran, dass es sich um ein Abbild des Preises einer am Markt verfügbaren Sachverständigenleistung handelt. Soweit die Beklagte Vergleichsrechnungen zu den Kosten eines Druckers und den steuerlich geltend zu machenden Fahrtkosten vorgenommen hat, führt dies bereits im Ansatz nicht weiter. Es ist – außerhalb des § 138 BGB – nicht Aufgabe der Zivilgerichte, bei entsprechenden Marktkonstellationen im Rahmen der Erforderlichkeit iSv § 249 Abs. 2 S. 1 BGB eine Kontrolle der wirtschaftlichen Angemessenheit der Preise vorzunehmen (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 15.09.2015, VI ZR 475/14, Tz. 12 „Ölspur“). (Hervorhebung erfolgte durch den Autor!). Ob die Kosten daher überhöht waren, kann nicht aus einem bloßen Vergleich mit den tatsächlichen Sachkosten abgeleitet werden, sondern hängt von der konkreten Kalkulation ab (so auch LG Karlsruhe, Urteil vom 17.05.2016 – 20 S 11/16). Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass dies dazu führt, dass die Versicherungen aufgrund der vorliegend gegebenen Dreieckskonstellation in gewisser Weise diesen Marktgegebenheiten ausgesetzt sind. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es die Versicherungen sind, die oberhalb von Bagatellschäden in der Regel auf Gutachten bestehen und nicht ersichtlich ist, dass der Geschädigte einen günstigeren Zugang zu einem derartigen Gutachten hat.

Dieser Nachweis der fehlenden Erforderlichkeit i.S.v. § 249 Abs. 2 BGB wird auch nicht durch den Verweis der Beklagten auf die Tabelle der HUK-Coburg geführt. (Hervorhebung durch den Autor!) Zum einen beruht diese auf einer wohl bundesweiten Erhebung, sagt also nichts über den Markt in Süddeutschland aus. Zum anderen beruht diese auf einer Befragung im Jahr 2011 (vgl. die Anmerkung auf S. 2 des Tableaus; AS I, 176), hat also nur eine beschränkte Aussagekraft für die zum Unfallzeitpunkt 2015 verlangten Preise.

Auch die in der Entscheidung des BGH vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15, NJW 2016, 3092 mitgeteilten tatsächlichen Feststellungen zeigen die große Bandbreite der von Sachverständigen generell abgerechneten Nebenkosten auf.

Soweit Telefon- und Portopauschalen trotz der dahingehenden Rüge der Beklagten nicht näher dargelegt werden, ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass ein anderer Gutachter ohne diese Pauschale ein Gutachten erstattet hätte.

(3.) Darüber hinaus war es jedenfalls dem Geschädigten in der konkreten Situation nicht erkennbar, dass er ein günstigeres Gutachten bekommen könnte. Dies liegt im Gegenteil nach Auffassung des Gerichts eher fern: Weder ist dargetan, dass der Geschädigte bereits zuvor einmal einen Unfall hatte oder auf sonstige Weise irgendwie in Kontakt mit einer Unfallregulierung stand. Auch ist das Zeitmoment zu berücksichtigen, da Versicherungen im Allgemeinen unter dem Aspekt des eventuellen Nutzungsausfalls erfahrungsgemäß auf die schnelle Einholung eines Gutachters drängen. Darüber hinaus zeigt der Umstand, dass die Beklagte einen Preis von 559 € brutto als angemessen erachtet und die Differenz zu den geltend gemachte 633,79 € brutto nicht einmal 15 % ausmacht, dass der Geschädigte in der konkreten Unfallsituation eine evtl. Überhöhung nicht feststellen konnte. Dies ist auch ein maßgeblicher Unterschied zu den von der Beklagten zitierten Mietwagenfällen, in denen die Preisdifferenzen deutlich erheblicher waren.

Insbesondere musste der der Geschädigte nicht überprüfen, ob mit den vereinbarten Nebenkosten allein die Einzelkosten (also solche Kosten, die dem Produkt direkt zugerechnet werden können, z.B. Papier und Toner) oder auch Gemeinkosten (also solche Kosten, die dem einzelnen Kostenträger nicht direkt zugerechnet werden können, wie Gehälter für das Büropersonal, Abschreibungen, Kapitalkosten etc.) abgerechnet werden sollten. Dass die Nebenkosten keine Gemeinkostenanteile enthalten (durften), ist weder dem geschlossenen Vertrag zu entnehmen, noch ist eine dahingehende Übung ersichtlich oder gar allgemein bekannt.

Der Geschädigte muss in der Unfallsituation auch nicht beurteilen, ob neben der Grundgebühr auch die Nebenkosten Gewinnanteile bzw. Vergütungsanteile etwa für die Fahrzeit enthalten können. Von einem juristisch nicht vorgebildeten Geschädigten können Überlegungen dazu, ob die Ingenieurtätigkeit des Gutachters allein durch die Grundgebühr abgedeckt werden sollte, während die Nebenkosten allein zum Ersatz tatsächlich angefallener Aufwendungen dienen, jedenfalls nicht verlangt werden (ebenso LG Karlsruhe, Urteil vom 17.05.2016 – 20 S 11/16).

(4.) Das vorliegende Ergebnis widerspricht auch nicht dem Urteil des BGH vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15, NJW 2016, 3092.

Der Entscheidung kann angesichts der dort vorgenommenen Betonung des tatrichterlichen Ermessenspielraumes nicht entnommen werden, dass der Bundesgerichtshof die Kilometerkosten auf 0,70 € festgelegt habe (so aber Kääb, FD-StrVR 2016, 379869). Der Bundesgerichtshof hat vielmehr die dortige tatrichterliche Schätzung des Landgerichts Saarbrücken lediglich gebilligt und hierbei den tatrichterlichen Schätzungsspielraum deutlich betont (vgl. a.a.O. Rn. 14 und 18 „revisionsrechtlich nicht zu beanstanden“ und Rn. 26 „verschiedene Orientierungshilfen sachgerecht und revisionsrechtlich hinzunehmen“).

Das erkennende Gericht schließt sich in Ausübung seines tatrichterlichen Ermessensspielraums der Annahme des LG Saarbrücken nicht an.

Die Hieranziehung des JVEG als Maßstab übergeht, dass dieses gem. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JVEG auf die Tätigkeit des gerichtlich herangezogenen Gutachters beschränkt ist (Hervorhebung durch den Autor!). Diese Tarife sind nur zugänglich, wenn ein Beweissicherungsverfahren beantragt werden würde, was wiederum Kosten in Höhe von über 100 EURO verursachen würde. In diesem Fall hat der Sachverständige jedoch mit der Staatskasse als Auftraggeber einen solventen Schuldner, was bei der privaten Erstattung eines Gutachtens nicht sicher ist. Ob die gegnerische Versicherung zu 100 % eintritt, kann nämlich unmittelbar nach dem Schadensfall idR noch nicht sicher beurteilt werden. Darüber hinaus bemisst sich das Grundhonorar bei einer Berechnung nach dem JVEG nach Stundenbasis, wird also ebenfalls anders kalkuliert als in der Anlage K 3. Insofern sind die Fallkonstellationen nicht vergleichbar.

(5.) Soweit die Beklagte gerügt hat, dass der Geschädigte keinen in … ansässigen Gutachter beauftragt hat, vermag das Gericht hierin ebenfalls keinen Verstoß gegen die den Geschädigten abverlangte „gewisse Plausibilitätskontrolle“ festzustellen. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin wurde der Gutachter dem Geschädigten von dem Lackierbetrieb empfohlen, bei dem sich das Fahrzeug zum Besichtigungszeitpunkt befand (AS II, 101). Es ist aus Sicht des Gerichts zunächst nicht zu beanstanden, wenn der Geschädigte sich auf eine derartige Empfehlung verlässt. Soweit die Beklagte auf drei weitere aus den Gelben Seiten ersichtliche in … ansässige Gutachter verwiesen hat, mag es zwar sein, dass bei einer Beauftragung dieser Gutachter die Fahrtkosten nicht angefallen wären. Es ist jedoch weder dargetan, noch ersichtlich, dass bei der Beauftragung dieser Gutachter insgesamt niedrigere Kosten für das Gutachten entstanden wären. Dies wäre jedoch notwendige Voraussetzung, um den Geschädigten auf einen solchen Gutachter zu verweisen.

(6.) Nach dem Vorstehenden kann dahingestellt bleiben, ob die Bezahlung der Rechnung durch die Zessionarin im vorliegenden Fall eine ähnliche Indizwirkung wie die Zahlung durch den Geschädigten selbst hat.

3.  Der Ausspruch zu den Zinsen beruht auf § 291 BGB. Zinsen waren ab dem Tag nach der Zustellung (AS I, 82) zuzusprechen. Die Kostenentscheidung beruhtauf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

4.  Die Revision ist nicht zuzulassen, da der Bundesgerichtshof mit dem Urteil vom 26.4.2016 – VI ZR 50/15 NJW 2016, 3092 – die maßgeblichen Rechtsfragen geklärt hat. Hierin ist ausgeführt, dass der Prüfungsmaßstab eine gewisse Plausibilitätskontrolle ist und dass das Tatgericht einen weiten Schätzungsspielraum gem. § 287 ZPO hat. Wie unter II., 2., c, (4.) ausgeführt, kann dem Urteil nicht entnommen werden, dass die im dortigen Einzelfall gebilligte Schätzung gem. § 287 ZPO auch für andere Gerichte verbindlich ist.

.          M.                                               G.                                               S.
.    Präsident                                     Richter                                      Richter
des Landgerichts                        am Landgericht                         am Amtsgericht

Verkündet am 23.12.2016

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2 Antworten zu Berufungskammer des LG Karlsruhe ändert Urteil des AG Bruchsal ab und verurteilt die HUK-COBURG im Schadensersatzprozess zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 23.12.2016 – 19 S 8/16 -.

  1. Gamma + Atömchen sagt:

    @ Willi Wacker,
    In der großen Linie kann auch dieses Urteil der Berufungskammer des LG Karlsruhe gegen die HUK-Coburg-Versicherungsgruppe schon gefallen, denn es legt den Finger in die Wunde und liest man die Überlegungen der Beklagten, so könnte man meinen, dass die inzwischen kurz vor einem Tollwutausbruch stehen müssen.

    Willi Wacker hat deshalb zu Recht folgende Passagen der Entscheidungsgründe herausgestellt:

    I. „Es ist – außerhalb des § 138 BGB – nicht Aufgabe der Zivilgerichte, bei entsprechenden Marktkonstellationen im Rahmen der Erforderlichkeit iSv § 249 Abs. 2 S. 1 BGB eine Kontrolle der wirtschaftlichen Angemessenheit der Preise vorzunehmen (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 15.09.2015, VI ZR 475/14, Tz. 12 „Ölspur“).“

    II. „Dieser Nachweis der fehlenden Erforderlichkeit i.S.v. § 249 Abs. 2 BGB wird auch nicht durch den Verweis der Beklagten auf die Tabelle der HUK-Coburg geführt.“

    Damit stützt auch dieses Urteil der Berufungskammer des LG Karlsruhe auf geltendes Recht und unterläuft auch nicht das Grundgesetz. Es schützt gleichzeitig aber auch den Wert und die Bedeutung unabhängiger und verkehrsfähiger Beweissicherungs-Gutachten als faire Grundlage für die Unfallschadenregulierung.

    Punkt II sollte in Entscheidungen zu dieser Thematik eigentlich immer angesprochen werden, denn die in dem HUK-COBURG Tableau angegebenen Pauschalpreise beschränken sich auf angeblich bundesweit recherchierte Durchschnittswerte für Endbeträge von „Routinegutachten“ und das sind eben keine verkehrsfähigen Beweissicherungsgutachten nach den sog. Mindestanforderungen des IfS sowie der Industrie-und Handelskammern.

    Danke, Willi Wacker, für die Einstellung dieses bedeutsamen Urteils einer weiteren Berufungskammer und für deinen zutreffenden Kommentar zu diesem Urteil.
    Gamma + Atömchen

  2. Kai sagt:

    Interessanterweise hat das AG Bruchsal sich nunmehr schon mehrfach vom LG Karlsruhe in der Berufung erklären lassen müssen wie Schadenersatz funktioniert. Was läuft falsch in Bruchsal?

    Viele Grüße

    Kai

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