Das Offenbarungsinteresse der Versicherung und das Geheimhaltungsinteresse der Versicherten ist sorgfältig im Einzelfall gegeneinander abzuwägen. (Beschl. v. 23.10.2006 – 1 BvR 2027/02 -)

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Das schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse des Versicherten ist mit einer Obliegenheit zu einer umfassenden Schweigepflichtsentbindung sämtlicher behandelnder Ärzte nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes (Beschl. v. 23.10.2006 – 1 BvR 2027/02 -) nicht in Übereinklang zu bringen. Das Interesse des Versicherten an informationeller Selbstbestimmung und das Offenbarungsinteresse der Versicherung müssen im Einzelfall sorgfältig gegeneinander abgewogen werden, um einen möglichst schonenden Eingriff in die Grundrechte des Versicherungsnehmers zu gewährleisten. Die in privaten Berufsunfähigkeits-, Kranken- und Lebensversicherungen regelmäßig vorgesehene Klausel zur Schweigepflichtentbindung genügt diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

Autor: Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt

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3 Antworten zu Das Offenbarungsinteresse der Versicherung und das Geheimhaltungsinteresse der Versicherten ist sorgfältig im Einzelfall gegeneinander abzuwägen. (Beschl. v. 23.10.2006 – 1 BvR 2027/02 -)

  1. virus sagt:

    Wenn das BVerfG der Urteilsbegründung des Oberlandesgericht u.a.

    „… der von der Beschwerdeführerin angebotene Weg der Schweigepflichtentbindung zu jedem einzelnen Auskunftsersuchen sei nicht gangbar, da eine solche Vorgehensweise bei Massengeschäften einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand erfordern würde und zudem durch umfassende Aufklärung des Sachverhalts erst ermittelt werden solle, welcher Sachverhalt vorliege und welche Schlüsse daraus etwa im Hinblick auf die Berufsunfähigkeit zu ziehen seien.“

    eine klare Absage erteilt, gibt es für ein Verkehrsunfallopfer doch erst recht keine Notwendigkeit, sein beschädigtes Fahrzeug incl. der dazu gehörigen Daten durch den Haftpflichtversicherer des Schadensverursachers einer breiten Öffentlichkeit (Restwertbörsen) zugänglich machen zu lassen. Das Argument eines Richters, dass es den Versicherern durch den Urheberrechtsinhaber/Sachverständigen nicht verwehrt werden dürfe, sich moderner technischer Mittel bedienen zu dürfen, um Aufwand und Kosten zu sparen, greift – insbesondere vor dem Hintergrund eines vorgelegten rechtskonformen Gutachtens – also nicht.
    Ein Sachverständiger überschreitet daher auch seine Befugnisse, das Nutzungsrecht seiner Lichtbilder an den Haftpflichtversicherer – ohne vorheriger eingeholter Einwilligung durch seinen Auftraggeber – abzutreten.
    Die Einräumung eines pauschalen Nutzungsrechtes auf Lichtbilder aus – zukünftig zu erstellenden – Haftpflichtschadengutachten, wie der BVSK es von seinen Mitglieder verlangt, ist, wenn man den nachfolgenden Ausführungen des BVerfG folgt, m.E. ein Fall für das Bundesverfassungsgericht:

    „aa) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die Befugnis des Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen (vgl. BVerfGE 65, 1 ). Dieses Recht entfaltet als Norm des objektiven Rechts seinen Rechtsgehalt auch im Privatrecht. Verfehlt der Richter, der eine privatrechtliche Streitigkeit entscheidet, den Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, so verletzt er durch sein Urteil das Grundrecht des Bürgers in seiner Funktion als Schutznorm (vgl. BVerfGE 84, 192 ).

    Gerade im Verkehr zwischen Privaten lässt sich dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht allerdings kein dingliches Herrschaftsrecht über bestimmte Informationen entnehmen. Der Einzelne ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit (vgl. BVerfGE 65, 1 ). Dies kann Rücksichtnahmen auf die Kommunikationsinteressen anderer bedingen. Grundsätzlich allerdings obliegt es dem Einzelnen selbst, seine Kommunikationsbeziehungen zu gestalten und in diesem Rahmen darüber zu entscheiden, ob er bestimmte Informationen preisgibt oder zurückhält. Auch die Freiheit, persönliche Informationen zu offenbaren, ist grundrechtlich geschützt. Dem Einzelnen ist es regelmäßig möglich und zumutbar, geeignete Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um seine Geheimhaltungsinteressen zu wahren.

    Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet, dass in der Rechtsordnung gegebenenfalls die Bedingungen geschaffen und erhalten werden, unter denen der Einzelne selbstbestimmt an Kommunikationsprozessen teilnehmen und so seine Persönlichkeit entfalten kann. Dazu muss dem Einzelnen ein informationeller Selbstschutz auch tatsächlich möglich und zumutbar sein. Ist das nicht der Fall, besteht eine staatliche Verantwortung, die Voraussetzungen selbstbestimmter Kommunikationsteilhabe zu gewährleisten. In einem solchen Fall kann dem Betroffenen staatlicher Schutz nicht unter Berufung auf eine nur scheinbare Freiwilligkeit der Preisgabe bestimmter Informationen versagt werden. Die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgende Schutzpflicht gebietet den zuständigen staatlichen Stellen vielmehr, die rechtlichen Voraussetzungen eines wirkungsvollen informationellen Selbstschutzes bereitzustellen.

    bb) Dem Einzelnen steht allerdings frei, Daten anderen gegenüber zu offenbaren. Als freiwillige Preisgabe persönlicher Informationen ist es grundsätzlich anzusehen, wenn jemand eine vertragliche Verpflichtung oder Obliegenheit eingeht, solche Informationen seinem Vertragspartner mitzuteilen oder Dritte zu derartigen Mitteilungen zu ermächtigen. Der Vertrag ist das maßgebliche Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen Handelns in Beziehung zu anderen. Der in ihm zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt in der Regel auf einen sachgerechten Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren hat (vgl. BVerfGE 81, 242 ; 114, 73 ).“

  2. SV Wehpke sagt:

    @virus,Montag, 13.09.2010 um 09:15. „Wenn das BVerfG der Urteilsbegründung des Oberlandesgericht u.a.Die Einräumung eines pauschalen Nutzungsrechtes auf Lichtbilder aus – zukünftig zu erstellenden – Haftpflichtschadengutachten, wie der BVSK es von seinen Mitglieder verlangt, ist, wenn man den nachfolgenden Ausführungen des BVerfG folgt, m.E. ein Fall für das Bundesverfassungsgericht: “

    Das Vorstehende ist nicht ganz richtig. Der BVSK „verlangt“ das nicht von seinen Mitgliedern, sondern stellt denen die Frage nach der „Verkehrfähigkeit“ solcher Gutachten.

    Gleichzeitig wird hier dann von Verzögerung der Regulierung, Einholung so genannter Restwertprognosen – was auch immer das sein mag – und Nachbesichtigungen, die dann allesamt dem SV zugerechnet werden würden, gesprochen.

    Also ein subtile Drohung an all jene Aufmucker und Selbstdenker die nicht der Empfehlung des Generals folgen wollen.

    Wehpke Berlin

  3. Willi Wacker sagt:

    Dann müsste aber der Kunde des BVSK-Sachverständigen, dessen „Persönlichkeitsrechte“ durch den Verkauf der Nutzungsrechte an den im Eigentum des Sachverständigen stehenden Lichtbilder beinträchtigt sein sollen (Beschwerdeführer) , Verfassungsbeschwerde einlegen. Vorher ist aber möglicherweise der Rechtsweg abschließend zu durchlaufen.

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