Die (neuen) Textbausteine der HUK unter Betrachtung der (alten) UWG-Entscheidung des OLG Köln

Weiterhin brandaktuelle UWG-Entscheidung des OLG Köln vom 16.10.1998 (6 U 38/98; NZV 1999, 88), passend für die „neuen Textbausteine“ der HUK-Coburg Versicherung. Die HUK sollte vielleicht gelegentlich etwas im Urteils-Archiv kramen, bevor man „neue (alte) Textbausteine“ in Umlauf bringt oder in Schreiben folgendes behauptet:

„Dem Haftpflichtversicherer kann es nicht verwehrt werden, anlässlich einer gesetzlich gebotenen Überprüfung eines Sachverständigengutachtens, insbesondere der Honorarhöhe, eine andere Rechtsauffassung zu vertreten und damit eine andere Berechnungsgrundlage zu wählen und dies dem Geschädigten/-Rechtsnachfolger zur Kenntnis zu bringen.“

Quelle: Virus-Beitrag vom 09.06.2010

Doch, liebe HUK. Nach der Rechtsauffassung des OLG Köln kann dem Haftpflichtversicherer in der Tat derart „geschäftsschädigendes Geschwätz“ gegenüber Dritten verwehrt werden…..

Schon vergessen, oder war das Urteil vor der Zeit der momentanen Textbaustein-Truppe?

Aus den Gründen:

1. Wendet sich ein Kfz-Versicherer an Anspruchsteller, die u.a. Erstattung von Sachverständigenkosten geltend machen, mit einem auf sog. „Textbausteinen“ beruhenden formularmäßigen Schreiben und werden hierin unter Bezugnahme auf die Rechnung des vom Anspruchsteller herangezogenen Kfz-Sachverständigen Bedenken gegen dessen Abrechnung erhoben und zugleich auf für angemessen gehaltene tabellarische Honorierungssätze bestimmter KfzSachverständigen-Organisationen verwiesen, liegt hierin (auch) ein Handeln des Versicherers im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs.

2. Es verstößt gegen die guten Sitten im Wettbewerb in Form kritisierende Herabsetzung, wenn ein Kfz-Versicherer ohne konkreten Sachverhaltsbezug in Schreiben an Anspruchsteller unter Bezugnahme auf den von diesem eingeschalteten KfzSachverständigen unter anderem äußert, die von ihm – dem Versicherer – für gerechtfertigt gehaltenen Ansprüche des Sachverständigen des Anspruchstellers richteten sich nach den „Erhebungen bei Sachverständigen-Organisationen und dem größten Berufsverband“ und ergäben sich aus „der beiliegenden Tabelle“.

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 19. Dezember 1997 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 81 O 159/97 – wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Berufung der Antragsgegnerin ist zwar zulässig, insbesondere unter Wahrung der vorgegebenen Fristen eingelegt und begründet (§§ 222 Abs. 1 u. 2 ZPO, 188 Abs. 3 BGB). In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die zunächst im Beschlußweg erlassene einstweilige Verfügung bestätigt, mit welcher der Antragsgegnerin die Unterlassung aufgegeben worden ist, sich wie in dem Schreiben vom 20.08.1997 geschehen an Auftraggeber der Antragsteller zu wenden, und diesen gegenüber in der konkret beanstandeten Form des erwähnten Schreibens die Höhe der für die Erstellung von Kfz-Schadensgutachten in Rechnung gestellten Sachverständigenvergütung zu beanstanden.

Das diesem Unterlassungsgebot zugrunde liegende Unterlassungsbegehren der Antragsteller, dessen Dringlichkeit gem. § 25 UWG zu vermuten ist, erweist sich gemäß § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Behinderung durch Geschäftsehrverletzung als unlauter.

Unlauter i. S. des Unterlassungstatbestandes des § 1 UWG handelt u. a. derjenige, der zu Zwecken des Wettbewerbs entweder einen eigenen Mitbewerber oder aber den Mitbewerber eines geförderten Dritten in seiner geschäftlichen Ehre herabsetzt. Es widerspricht den Grundsätzen des Leistungswettbewerbes, einen Konkurrenten zur Förderung eigenen oder fremden, unterstützten Wettbewerbs in seiner geschäftlichen Wertgeltung herabzusetzen. Denn dadurch soll der eigenen oder fremden Leistung des geförderten Wettbewerbers nicht durch deren Güte und/oder Preiswürdigkeit gegenüber dem Konkurrenzprodukt, sondern dadurch auf dem Markt Geltung verschafft werden, daß der kritisierte Konkurrent in seiner Ehre angegriffen und herabgesetzt wird (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., Rn. 317 zu § 1 OWiG m. w. N.). Die Antragsgegnerin hat sich mit dem verfahrensgegenständlichen Schreiben im Streitfall nach diesen Maßstäben wettbewerblich unlauter verhalten.

Soweit die Antragsgegnerin von vornherein in Abrede stellt, mit ihrem an den Geschädigten, der sie u. a. auf Ersatz der für die Erstellung des Kfz-Schadensgutachtens angefallenen Kosten in Anspruch nimmt, gerichteten Schreiben vom 20.8.1997 überhaupt zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt zu haben, vermag das nicht zu überzeugen. Vielmehr liegt auf seiten der Antragsgegnerin sowohl in objektiver, als auch in subjektiver Hinsicht eine dem Anwendungsbereich des § 1 UWG unterfallende Wettbewerbshandlung vor.

Ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs liegt in jedem Verhalten, das äußerlich geeignet ist, den Absatz oder Bezug einer Person zum Nachteil einer anderen Person zu fördern und das subjektiv von der nicht völlig hinter andere Beweggründe zurücktretenden Absicht getragen wird, eigenen oder fremden Wettbewerb auf Kosten eines anderen Mitbewerbers zu fördern.

Das von den Antragstellern beanstandete Schreiben der Antragsgegnerin ist nach diesen Maßstäben objektiv zur Wettbewerbsförderung auf Kosten der Antragsteller geeignet. Daran ändert der Umstand nichts, daß die Parteien als Kfz-Sachverständige einerseits sowie als Haftpflichtversicherung andererseits unzweifelhaft weder generell in einem Wettbewerbsverhältnis miteinander stehen, noch ad hoc durch das streitgegenständliche Schreiben eine solche wettbewerbliche Beziehung zwischen den Parteien hergestellt wird. Denn das erwähnte Schreiben ist eindeutig geeignet, den Absatz oder Bezug dritter, ihrerseits in einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis mit den Antragstellern stehender Kfz-Sachverständiger, die sich Schadensgutachten unter Heranziehung der dem Schreiben beigefügten Tabellenwerte vergüten lassen, zu fördern. Entgegen der von der Antragsgegnerin vertretenen Ansicht kann dem insbesondere nicht entgegengehalten werden, daß der jeweilige Empfänger des beanstandeten Schreibens den Auftrag an den Sachverständigen, dessen Rechnung die Antragsgegnerin als angeblich übersetzt kritisiert, bereits erteilt habe. Denn selbst wenn der Empfänger des Schreibens in diesem konkreten Schadensfall für andere, insbesondere für die nach der Tabelle abrechnenden Kfz-Schadensgutachter „verloren“ sein sollte, ist die in dem Schreiben letztendlich zum Ausdruck gebrachte Kritik, einem „billigem Ermessen“ widersprechend abrechnenden Kfz-Sachverständigen aufgesessen zu sein, geeignet, den Adressaten in künftigen Fällen auf andere Sachverständige, insbesondere aber auf solche umzuleiten, die Schadensgutachten anhand der beigefügten Tabellen berechnen. Denn derjenige, dem von einem Unternehmen für eine bestimmte Leistung ein übersetztes Honorar berechnet wurde, wird dieses Unternehmen nach aller Lebenserfahrung nicht ein weiteres Mal und auch nicht für andere Leistungen beauftragen. Dabei beschränkt sich die Tätigkeit von Kfz-Sachverständigen auch nicht auf die Erstellung von Gutachten über unfallbedingte Kfz-Schäden. Der Tätigkeitsbereich von Kfz-Schadensgutachtern reicht vielmehr von der Begutachtung diverser, unter Umständen als mangelhaft gerügter Reparaturleistungen bis hin zu Schätzungen des Verkehrswertes von Fahrzeugen im Falle etwa beabsichtigter Käufe oder Verkäufe. Aus all diesen Tätigkeitsbereichen, deren Inanspruchnahme durch die angeschriebenen Unfallgeschädigten auch keineswegs als unwahrscheinlich von der Hand gewiesen werden kann, vermag die in dem Schreiben geäußerte Kritik die Antragsteller zu Gunsten anderer Sachverständiger aber zu verdrängen. Letzteres gilt selbst in den Fällen, wo kein Schadensgutachten in Auftrag gegeben werden soll. Denn die Frage, ob bei Schadensgutachten nach Tabellenwerten abgerechnet wird, ist durchaus geeignet, zumindest bei einem nicht unerheblichen Teil des Verkehrs als vertrauensbildende Maßnahme in die „Billigkeit“ und „Angemessenheit“ der Ermittlung der Vergütung auch für andere Leistungen zu dienen, wobei in diesem Zusammenhang auch die Wirkungen einer von den Empfängern der verfahrensbefangenen Schreiben gegenüber potentiellen Auftraggebern der Antragsteller ausgehenden Mundpropaganda nicht übersehen werden können.

Liegt danach auf seiten der Antragsgegnerin den objektiven Voraussetzungen nach eine Wettbewerbshandlung vor, gilt dies weiter aber auch in subjektiver Hinsicht.

Die Antragsgegnerin hat in der nicht vollständig von anderen Beweggründen verdrängten Absicht gehandelt, den Wettbewerb anderer Kfz-Schadensgutachter zu fördern, die ihre Vergütungen unter Heranziehung der aus der Tabelle ersichtlichen Honorarsätze ermitteln. Allerdings ist es richtig, daß – wie dies regelmäßig bei objektiv zur Wettbewerbsförderung geeigneten Äußerungen von
miteinander im Wettbewerb stehenden Gewerbetreibenden im geschäftlichen Verkehr der Fall ist (vgl. Baumbach/Hefermehl, a. a. O., Rn. 235 Einleitung UWG m. w. N.) – die Wettbewerbsförderungsabsicht im Streitfall nicht vermutet werden kann, sondern eigens festzustellen ist. Denn die Antragsgegnerin kann im vorliegenden Fall für ihr Schreiben bzw. die darin enthaltenen, u. a. auf die Antragsteller bzw. deren Honorarermittlungspraxis bezogenen Aussagen einen Beweggrund in Anspruch nehmen, der als solcher keinen Wettbewerbsbezug aufweist. Erkennbar liegt dem Schreiben der Antragsgegnerin die Absicht zugrunde, sich gegenüber einem an sie herangetragenen Schadensersatzanspruch – sei es als über den Direktanspruch des § 3 Nr. 1 Pflichtversicherungsgesetz selbst in Anspruch Genommene, sei es als gem. § 10 Abs. 4 AKB bevollmächtigte Vertreterin ihres Versicherungsnehmers – zu verteidigen. Soweit die Antragsgegnerin daher die Höhe der ersetzt verlangten Kosten für die Erstellung des Schadensgutachtens mit bestimmten, aus ihrer Sicht für maßgeblich gehaltenen Argumenten beanstandet, sollte das eindeutig der Rechtsverteidigung, nämlich der Abwehr eines der Höhe nach für unberechtigt gehaltenen Schadensersatzanspruchs dienen. In einem solchen Fall, in dem der Handelnde, der objektiv den Wettbewerb eines anderen fördert, selbst nicht Wettbewerber des Angegriffenen ist und für sein Handeln (auch) andere, nicht spezifisch wettbewerbsbezogene, zudem – im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG – grundrechtsrelevante Beweggründe in Anspruch nehmen kann, verbietet sich aber die Annahme einer tatsächlichen Vermutung, daß die objektiv den Wettbewerb fördernde Handlung auch subjektiv mit eben einer solchen Wettbewerbsförderungsabsicht korreliert. Das Vorhandensein einer derartigen, nicht völlig von den erwähnten wettbewerbsneutralen Motiven in den Hintergrund gedrängten Wettbewerbsförderungsabsicht ist dann nicht durch die bloße objektive Eignung der angegriffenen Handlung, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, indiziert, sondern muß besonders festgestellt werden (vgl. Baumbach/Hefermehl, a. a. O., Einleitung UWG, Rn. 236 f. m. w. N.). Die den gegebenen Fall kennzeichnenden besonderen Umstände lassen indessen nicht nur überhaupt das Vorhandensein einer Wettbewerbsförderungsabsicht der Antragsgegnerin feststellen, sondern machen ferner deutlich, daß diese Absicht nicht vollständig hinter die vorbezeichneten anderen Beweggründe zurücktritt. Die Antragsteller haben mit ihrem Schriftsatz vom 19. November 1997 u. a. den unstreitig von der Antragsgegnerin verwendeten „Leitfaden Beweisführung/Gutachten“ (Rundschreiben 42/95) vorgelegt, in dem es u.a. heißt, daß es „unser Ziel … sein“ muß, „… gegen die schwarzen Schafe unter den Sachverständigen, die horrende Gebührenrechnungen stellen, vorzugehen. Deshalb sollten wir Gebührenrechnungen erst ab einer Überschreitung von ca. 40 % der entsprechenden DEKRA-Gebühr beanstanden. Liegt allerdings eine derartige Überschreitung vor, rechnen wir nur mit der entsprechenden DEKRA-Gebühr ab und nicht mit der um 40 % erhöhten Gebühr“ (vgl. Bl. 78 f. d. A.). Diese Ausführungen belegen, daß es der Antragsgegnerin nicht nur um eine genaue Überprüfung der Berechtigung der im Einzelfall für die Einholung eines Kfz-Schadensgutachtens ersetzt verlangten Kosten, sondern gerade auch darum geht, einer bestimmten Art der Ermittlung des Sachverständigenhonorars („Gebühr aus der Höhe des festgestellten Schadens/Tabellenwerte“) sowie darüberhinaus bestimmten, für angemessen gehaltenen Beträgen für Kfz-Unfallschadensgutachten – konkret möglichst den DEKRA-Werten angenäherte Beträge – allgemein auf dem Markt, zumindest aber als Orientierungs- und Ausgangswerten, Geltung zu verschaffen. Der Umsetzung eben dieses Ziels sollen dabei auch gerade die von den Antragstellern weiter vorgelegten, ebenfalls von der Antragsgegnerin empfohlenen und verwendeten Schreiben gem. den „Pflichtbausteinen“ (Bl. 87 ff d. A.) und den diesen wiederum als Anlage beigefügten „Gebühren“-Tabellen dienen (vgl. „Ergänzung des Rundschreibens Nr. 42/95“ = Bl. 93 d. A.). Daß die Empfänger der Schreiben letztere den Sachverständigen vorhalten, die eine höhere Vergütung als die in den Tabellenwerten angegebenen für ihre Tätigkeit berechnen, und die Sachverständigen hierdurch veranlaßt werden sollen, künftig die Tabellenwerte abzurechnen, ist von der Antragsgegnerin ersichtlich angestrebt und dient als Maßnahme der Einwirkung auf die Sachverständigen, deren Vergütungsverhalten die Antragsgegnerin auf diese Weise mittelbar zu disziplinieren sucht. Dies offenbart aber nicht nur, daß die Antragsgegnerin über die Abwehr für übersetzt gehaltener Sachverständigenhonorare im Einzelfall hinaus „preisordnend“ auf den Mark für Kfz-Schadensgutachten dahingehend Einfluß nehmen will, daß die Vergütungen hierfür sich möglichst an der „DEKRA-Gebührentabelle“ orientieren sollen, sondern legt zugleich die Absicht der Antragsgegnerin offen, die Stellung derjenigen Sachverständigen im Wettbewerb zu fördern, die zumindest nicht mehr als die von ihr mitgeteilten Kosten für die Erstellung eines Schadensgutachtens liquidieren. Denn das allgemeine preisordnende, aus der Sicht der Kfz-Schadensversicherungen sicherlich erstrebenswerte Ziel, die Kosten für die Kfz-Schadensbegutachtung möglichst niedrig und transparent zu halten, ließe sich jedenfalls nach der aus den antragstellerseits vorgelegten internen Unterlagen der Antragsgegnerin ersichtlichen differenzierenden Abrechungspraxis nur auf politischem Wege durch eine allgemeinverbindliche Gebührentabelle für Kfz-Sachverständige, nämlich eine „Taxe“ i. S. von § 632 Abs. 2 BGB verwirklichen. Wie die nicht zuletzt aus den eigenen Kostenermittlungstabellen der Antragsgegnerin hervorgehenden unterschiedlichen Tabellen der verschiedenen Verbände belegen, ist das aber bislang gescheitert oder aber zumindest sehr zeitaufwendig, schwierig und in weite Ferne gerückt. Wenn die Antragsgegnerin stattdessen versucht, dieses Ziel im Verhältnis gegenüber den einzelnen, von ihren Versicherungsnehmern geschädigten Anspruchstellern dadurch zu erreichen, daß sie den „Kundenstrom“ bewußt zu denjenigen Sachverständigen hinleiten will, die sich ihren Honorarvorstellungen gemäß verhalten, kalkuliert die Antragsgegnerin ein, daß die Geschädigten, denen durch die von ihnen beauftragten Sachverständigen angeblich „unbillige“ bzw. „unangemessene“, über den Tabellenwerten liegende Honorare in Rechnung gestellt wurden und die daher nach dem Schreiben der Antragsgegnerin riskieren, auf einem Teil des Schadens „sitzen zu bleiben“, dazu tendieren, künftig andere Sachverständige zu beauftragen, welche anhand der Tabellenwerte liquidieren. Zugleich offenbart dies aber auch, daß die Antragsgegnerin über den eingangs erwähnten Beweggrund der Rechtsverteidigung im konkreten Einzelfall hinaus in der nicht völlig in den Hintergrund gedrängten Absicht gehandelt hat, die wettbewerbliche Position der von ihr favorisierten Sachverständigen, die ihre Vergütungen für die Erstellung von Kfz-Schadensgutachten entsprechend den vorbezeichneten Tabelleneinteilungen und -werten ermitteln, gerade zu Lasten derjenigen Kfz-Sachverständigen zu fördern, die hiervon abweichend höhere Vergütungen für die nämliche Tätigkeit liquidieren.
Ist nach alledem auf seiten der Antragsgegnerin bei dem Versenden des streitbefangenen Schreibens ein Verhalten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu sehen, stellt sich dieses Verhalten weiter auch als unlauter i. S. von § 1 UWG dar.

Denn die Antragsgegnerin hat durch das in Rede stehende Schreiben die Antragsteller in einer Weise herabgesetzt, die mit den guten wettbewerblichen Sitten nicht vereinbar ist.

Daß die in dem Schreiben enthaltenen Aussagen der Antragsgegnerin betreffend die generelle „Erstattungsfähigkeit“ von Sachverständigenkosten aus der Sicht des Empfängers als eine gerade die Abrechnungsweise der Antragsteller als „unangemessen“ bzw. „unbillig“ kritisierende und deren geschäftliche Wertgeltung als Kfz-Sachverständige herabwürdigende Äußerung verstanden wird, hat bereits das Landgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (dort S. 10/11 = Bl. 151/152 d. A.) überzeugend ausgeführt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit gem. § 543 Abs. 1 ZPO Bezug auf das genannte Urteil der ersten Instanz. Mit dem Landgericht und den Antragstellern ist weiter aber auch im Ergebnis davon auszugehen, daß dieser sich als unmittelbarer Reflex aus der Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin ergebende Angriff auf die Geschäftsehre der Antragsteller als Kfz-Sachverständige im konkreten Fall eine mit den guten wettbewerblichen Sitten unvereinbare Verhaltensweise darstellt. Denn die in der o. g. Rechtsverteidigung liegende Wahrnehmung berechtigter Interessen allein ist nicht von vornherein geeignet, die Antragsgegnerin von dem wettbewerblichen Unlautbarkeitsvorwurf freizusprechen. Vielmehr hat die Antragsgegnerin bei der Art und Weise, wie sie das als solches billigenswerte Interesse der Abwehr eines für unberechtigt gehaltenen Anspruchs im konkreten Fall wahrnimmt, auf die Belange davon betroffener Unternehmen gebührend Rücksicht zu nehmen und insbesondere die Grenzen der wettbewerblichen Lauterkeit zu wahren. Dies führt zur Notwendigkeit einer Abwägung einerseits des Interesses der Antragsgegnerin, ihrer Rechtsverteidigung zur Geltung zu verhelfen, sowie andererseits des Interesses der Antragsteller an der Wahrung ihrer wettbewerblichen Belange, die durch die grundsätzlich anerkennenswerte Interessenwahrnehmung der Antragsgegnerin nur in einem damit notwendig verbundenen und sachlich gebotenen Umfang in ihrer wettbewerblichen Position gegenüber anderen Mitbewerbern beeinträchtigt werden dürfen. Diese Abwägung ergibt vorliegend aber die Unzulässigkeit der sich in dem konkret angegriffenen Schreiben niederschlagenden Vorgehensweise der Antragsgegnerin. Letzteres schießt vielmehr erheblich über das damit vordergründig verfolgte Ziel der Rechtsverteidigung hinaus. Die konkret zur Abwehr des ihr gegenüber geltend gemachten Anspruchs auf Ersatz der Sachverständigenkosten in dem Schreiben enthaltenen Ausführungen sind nicht nur im rechtlichen Ansatz unzutreffend, zumindest aber mißverständlich, sondern darüberhinaus auch teilweise nicht erforderlich und erkennbar allein von der Erwägung getragen, ihrem Rechtsstandpunkt besondere Autorität zu verleihen:

Schon der von der Antragsgegnerin dargestellte rechtliche Ansatz, wie die Vergütung des Schadensgutachters gegenüber seinem Auftraggeber – hier also dem Geschädigten – der Höhe nach zu ermitteln ist, stellt sich als zumindest mißverständlich dar. Zwar trifft es zu, daß die Höhe der für die Erstellung eines Kfz-Unfallschadensgutachtens geltend gemachten Vergütung gem. § 632 Abs. 2 BGB zu ermitteln ist. Das von der Antragsgegnerin in dem verfahrensbetroffenen Schreiben erwähnte „billige Ermessen“ gem. § 315 BGB kommt jedoch nur in einem Sonderfall, nämlich erst dann als Maßstab der Bestimmung des Sachverständigenhonorars in Betracht, wenn eine „übliche“ (und nicht notwendigerweie zugleich auch angemessene) Vergütung für die betreffende Leistung nicht feststellbar ist. Davon, daß eine „übliche“ Vergütung für die Erstellung von Kfz-Schadensgutachen nicht existiert bzw. feststellbar ist, dürfte zwar nach den im vorliegenden Verfahren vorgelegten Tabellen, die jeweils unterschiedliche Werte aufweisen, auszugehen sein. Bereits in diesem Zusammenhang suggeriert die Antragsgegnerin jedoch in dem Schreiben Anderes. Ihre Formulierungen im dritten Absatz des Schreibens („Erhebungen bei Sachverständigenorganisationen und dem größten Berufsverband … haben ergeben, daß in der Regel Kosten gem. der beiliegenden Tabelle berechnet werden“) vermitteln gerade den Eindruck, daß die Kosten gem. der beigefügten Tabelle der „Üblichkeit“ entsprechen. Im Zusammenhang mit den Ausführungen im vorangegangenen Absatz des Schreibens, wonach sich die „Erstattungsfähigkeit … gegenüber dem Auftraggeber“ angeblich „… nach billigem Ermessen gem. §§ 632 Abs. 2, 315 BGB …“ richteten, drängt dies für den in aller Regel rechtsunkundigen Empfänger des Schreibens aber die Schlußfolgerung auf, daß nur diese Kosten üblich seien und ferner billigem Ermessen entsprächen. Vermittelt die Antragsgegnerin auf diese Weise ein zumindest „schiefes“ Bild betreffend die Berechtigung der Höhe des von den Antragstellern im Verhältnis gegenüber dem Geschädigten ermittelten Honorars, gilt im Ergebnis gleiches hinsichtlich der Ersatzfähigkeit des Sachverständigenhonorars im Verhältnis gegenüber dem einstandspflichtigen Schädiger bzw. der Antragsgegnerin als dessen Haftpflichtversicherung. Zutreffend ist in diesem Verhältnis zwar die in diesem Zusammenhang erwähnte Bestimmung des § 249 BGB als solche. Alle anderen in diesem Zusammenhang gemachten Ausführungen gehen aber an der tatsächlichen Rechtslage vorbei. Denn die Antragsgegnerin ist – in den Grenzen der den Geschädigten gem. § 254 BGB treffenden Obliegenheit zur Schadensgeringhaltung – verpflichtet, selbst Kosten für unbrauchbare Gutachten oder der Höhe nach überzogene Kosten für Schadensgutachten zu ersetzen (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 56. Aufl., Rn 22 zu § 249 BGB; Steimle, DAR 1996, 296 -jeweils m. w. N.). Die Antragsgegnerin argumentiert demgegenüber in ihrem Schreiben insgesamt damit, nur die im Verhältnis zwischen dem Sachverständigen und seinem Vertragspartner nach Maßgabe von § 632 Abs. 2 BGB berechtigte Vergütung ersetzen zu müssen. Zwar macht allein diese, zumindest rechtlich angreifbare Argumentation der Antragsgegnerin, mit welcher das Honorarverhalten der Antragsteller deutlich als unbillig und unangemessen kritisiert wird, ihre Rechtsverteidigung noch nicht unlauter i. S. von § 1 UWG. Denn auch rechtsfehlerhafte und im Ergebnis rechtlich nicht überzeugende Standpunkte, die u. U. nachteilige Auswirkungen auf einen Dritten haben, dürfen im Rahmen des Gebotenen und Sachlichen vertreten werden. Eben dieser Rahmen ist im Streitfall jedoch überschritten. Denn die Antragsgegnerin macht ihre rechtlichen Ansatzpunkte nicht etwa als bloßen Rechtsstandpunkt oder als bloße Meinung erkennbar. Bereits die apodiktische Formulierung des rechtlichen Ansatzes, anhand dessen das Sachverständigenhonorar angeblich zu ermitteln sei, erweckt vielmehr den Eindruck, hier handele es sich um eine feststehende und keiner Diskussion unterworfene Tatsache („… Erstattungsfähigkeit richtet sich gegenüber dem Auftraggeber nach billigem Ermessen …“). Hinzu kommt vor allem aber auch der letzte Absatz des Schreibens, in dem u. a. anheimgestellt wird, den Sachverständigen im Hinblick auf seine etwa verbleibende Honorardifferenz unmittelbar an die Antragsgegnerin zum Zwecke der Abklärung zu verweisen und in dem weiter darum gebeten wird, sich im Fall der Honorarklage des Sachverständigen mit der Antragsgegnerin in Verbindung zu setzen. Dieser Hinweis auf ein etwaiges Klageverfahren suggeriert aber aus der Sicht jedenfalls eines nicht unerheblichen Teils des in aller Regel rechtsunkundigen Laienpublikums, daß die in dem Schreiben dargestellte Rechtslage „so sicher“ sei, daß an ihr auch im Rahmen einer gerichtlichen Prüfung nicht „gerüttelt“ werden könne. In diesem Zusammenhang kann dabei schließlich auch nicht übersehen werden, daß die Antragsgegnerin als in der Schadensabwicklung nach Kfz-Unfällen erfahrene und spezialisierte Haftpflichtversicherung bei zumindest einem nicht unbeachtlichen Teil des Publikums in mit diesem Sachbereich verbundenen Rechtsfragen eine besondere Autorität genießt. All diese Umstände in ihrer Gesamtheit würdigend, erweckt daher die Antragsgegnerin mit dem Schreiben den Eindruck, ihr zur (teilweisen) Abwehr des geltend gemachten Anspruchs vorgetragener Standpunkt gebe die eindeutige und außerhalb jeglicher Diskussion stehende Rechtslage und nicht lediglich eine von ihr vertretene Rechtsmeinung wieder. Diese konkrete Form der Rechtsverteidigung, mit welcher die geschäftliche Wertgeltung der Antragsteller mittelbar herabgewürdigt wird, geht aber über die Grenzen der sachlich gebotenen Wahrnehmung berechtigter Interessen hinaus und ist als i. S. von § 1 UWG unlauterer Angriff auf die Geschäftsehre der Antragsteller zu qualifizieren.

Die gegenüber dem danach zu bejahenden Unterlassungsanspruch der Antragsteller erhobene Einrede der Verjährung greift nicht. Denn im Hinblick darauf, daß die Antragsgegnerin, die das Schreiben für inhaltlich zulässig hält und sich berechtigt sieht, dieses weiterhin zu verbreiten, einen entsprechenden
Textbaustein („Pflichtbaustein“) entwickelt hat, besteht jedenfalls die Gefahr künftiger Begehung. Für diese unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr zu befürchtende Verwendung des wettbewerblich unzulässigen Schreibens ist die Verjährung gem. § 21 UWG unzweifelhaft aber noch nicht eingetreten.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig (§ 545 Abs. 2 ZPO).

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4 Antworten zu Die (neuen) Textbausteine der HUK unter Betrachtung der (alten) UWG-Entscheidung des OLG Köln

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Hans Dampf,
    du kennst doch auch noch die Worte vom alten Kanzler Adenauer: Was kümmert mich das Geschwätz von gestern. So ähnlich handelt doch auch die Coburger Firma. Was kümmert mich ein (verlorenes) UWG-Verfahren von vorgestern, wenn ich heute die Geschädigten aufmischen kann?
    Der Coburger Firma den Spiegel vorhalten. Das ist eine angemessene und übliche, aber auch erforderliche Reaktion.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi

  2. Andreas sagt:

    Hallo Hans Dampf,

    danke für das Urteil. Das habe ich noch gar nicht gekannt. Aber es bietet Raum für nette Spielereien mit der HUK.

    Jetzt werde ich den HUK-Schreiben an meine Kunden oder den VN noch freudiger entgegen sehen (und mein Anwalt auch…) 🙂

    Grüße

    Andreas

  3. Heinrich sagt:

    @Andreas

    „Jetzt werde ich den HUK-Schreiben an meine Kunden oder den VN noch freudiger entgegen sehen“

    Den Schreiben der HUK an den Anwalt doch wohl auch? Denn auch Anwälte sind „Dritte“ im Sinne der UWG-Betrachtung, da oft Auftraggeber der Sachverständigen.

  4. virus sagt:

    @ Heinrich: Denn auch Anwälte sind “Dritte” im Sinne der UWG-Betrachtung, da oft Auftraggeber der Sachverständigen.

    Das wäre jetzt meine Frage gewesen.

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