Leipziger Urteilsreihe zum Achten: AG Leipzig verurteilt unter Aufhebung seiner bisherigen 25-Prozent-Deckelung der Nebenkosten die HUK-COBURG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 2.12.2015 – 113 C 1088/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

damit wir unsere Leipziger Urteilsreihe abschließen können, stellen wir Euch heute noch das achte und neunte Urteil vor. Hier veröffentlichen wir zunächst das achte Urteil dieser Reihe. Die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG musste erneut verklagt werden, weil sie vorgerichtlich nicht vollständigen Schadensersatz geleistet hat. Da der Geschädigte nicht auf restlichen Schadensersatz nach einem für ihn unverschuldeten Verkehrsunfall verzichten wollte und konnte, wurde die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG als eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Leipzig verklagt. Der in diesem Rechtsstreit zuständige Derzernent der 113. Zivilprozessabteilung des AG Leipzig hat seine bisherige (falsche Rechtsauffassung) zur „25%-Deckelung“ der Nebenkosten aufgegeben und entsprechend der herrschenden Rechtsprechung nunmehr entschieden. Es passieren also auch in Leipzig  noch positive Rechtsprechungsänderungen. Insoweit ist das Urteil besonders bemerkenswert. Lest aber selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und noch einen schönen Sonntag
Willi Wacker

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 113 C 1088/15

Verkündet am: 02.12.2015

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

HUK-COBURG-Allgomeine Versicherung AG, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg, v.d.d. Vorstand

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richter am Amtsgericht K.
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2015 am 02.12.2015

für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 154,42 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 05.09.2014 sowie 3,00 € vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird festgesetzt auf 154,42 €.

Tatbestand

Gemäß § 313a ZPO wird auf die Darstellung des Tatbestandes verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Schadenersatz aus abgetretenem Recht gemäß §115 VVG.

Die 100-prozentige Einstandspflicht der Beklagten für Unfallschäden des Geschädigten aus dem Verkehrsunfall am 04.03.2014 ist unstreitig.

Der Geschädigte hat seine Forderung gegenüber der Beklagten wirksam an die Klägerin abgetreten.

Die Beklagte sieht eine Abtretung nicht als wirksam vereinbart an, da zu einem aus der Abtretungserklärung sich nicht ergebe, wer der „Anspruchsteller“ sei, die Beklagte nicht korrekt bezeichnet wäre und darüber hinaus eine bestimmte Höhe des angesprochenen Schadenersatzes nicht erkennbar wäre. Das Vorbringen der Beklagtenseite bezüglich der Abtretungserklärung ist nur schwer nachvollziehbar, da die Beklagte bereits Zahlungen geleistet hat. Bei ihrer Argumentation hätte sie folgerichtig vorgerichtlich keinerlei Zahlungen leisten müssen.

Unabhängig dessen hat die Beweiserhebung ergeben, dass der Geschädigte, der Zeuge … das Schriftstück (Anlage K 2) tatsächlich unterzeichnet hat. Aller spätestens mit der Einreichung der Klage hat die Klägerin zum Ausdruck gebracht, dass sie die Abtretung durch den Geschädigten angenommen hat.

Die Abtretung ist auch konkret genug. Aus der Abtretungserklärung ist hinreichend zu erkennen, dass der Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten aus dem Unfall des Zedenten am 04.03.2014 mit dem Unfallgegner, versichert bei der Beklagten, abgetreten wurde. Es ist sogar das Aktenzeichen des Versicherers angegeben, so dass es dahingestellt bleiben kann, ob die Beklagte völlig korrekt bezeichnet wurde. Der Unfallgegner ist benannt und auch das amtliche Kennzeichen seines Fahrzeuges. Es führt nicht zur Unwirksamkeit der Abtretungserklärung, wenn der Name des Zedenten nicht in Klarschrift aufgeführt wurde. Daraus ergibt sich, dass der Unfall und die damit erhobenen Forderungen aus den Angaben hinreichend bestimmen lassen. Die Schadenssumme muss nicht genannt werden, dies ist zur Bestimmtheit einer Forderung nicht notwendig.

Es dürfte unstreitig sein, dass es sich bei den Kosten des Sachverständigengutachtens um Kosten handelt, die im Rahmen einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind.

Zu erstatten sind die Kosten, die ein verständig wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbeseitigung ansehen darf; dabei ist auf seine spezielle Situation und seine Erkenntnismöglichkeit Rücksicht zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23.012007. Az.: VI ZR 67/06).

Entscheidend für die schadensrechtliche Betrachtung nach § 249 BGB ist, ob die an den Sachverständigen zu zahlenden Kosten den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand angemessen repräsentieren.

Die Beklagte macht geltend, dass der Aufwand für die Erstellung des Gutachtens in Höhe der eingeklagten Differenz nicht als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB angesehen werden kann. Dies betrifft nach Auffassung der Beklagten das Grundhonorar als auch die geltend gemachten Nebenkosten.

Die Klägerin wendet sich gegen diese Auffassung mit der Begründung, dass eine vertragliche Vereinbarung zwischen Zedenten und Sachverständigen getroffen wurde, und selbst wenn man davon ausgehen wolle, dass das abgerechnete Sachverständigenhonorar überhöht sei, bliebe es bei der vollumfänglichen Erstattungsfähigkeit, da ein den Anspruch kürzendes Ausfallverschulden nicht erkennbar vorliege.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 11.02.2014 (Az.: VI ZR 225/13) zum wiederholten Male dazu ausgeführt:

„Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigt, gebiete das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen.“

Dass dem Zedent ein Auswahlverschulden bei der Beauftragung der Sachverständigen vorzuwerfen ist, ist weder aus dem Sachverhalt erkennbar, noch durch die Beklagte dargelegt und unter Beweis gestellt. Die Beklagte wäre für die Verletzung der Schadensminderungspflicht beweispflichtig.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Zedent, anderes ist nicht bekannt, zum ersten Mal einen Unfall erlitten hat, so dass ihm üblicherweise gar nicht bekannt ist, wie viele Sachverständigenbüros es in Leipzig überhaupt gibt und zu welchen Tarifen diese jeweils arbeiten.

Der Geschädigte hat mit dem Sachverständigenbüro eine Honorarvereinbarung getroffen. Dies ergibt sich ebenfalls aus der Einvernahme des Zeugen, an dessen Wahrheitsgehalt das Gericht keinen Zweifel hat Er erklärte eindeutig, dass sich auf der Rückseite des Auftrages eine Tabelle befand und dort wurde ihm erläutert, dass sich das Honorar nach der Schadenshöhe richtet. Zwar konnte er sich nicht konkret daran erinnern, dass dort auch die Nebenkosten vermerkt waren. Jedoch ist davon auszugehen, da die Klägerin gerichtsbekannt ständig diese Formulare verwendet und diese auch in den vielfältigen Rechtsstreiten vorgelegt werden, dass auch im konkreten Fall die Nebenkosten aufgeführt waren. Daraus folgt, dass das Sachverständigenbüro entsprechend der Honorarvereinbarung seine Kosten geltend gemacht hat.

Auch hinsichtlich der geltend gemachten Nebenkosten gilt das oben Dargelegte entsprechend. Selbst wenn man unterstellen wollte, dass überhöhte Nebenkosten abgerechnet werden, sind jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dies für den Geschädigten erkennbar war.

Daraus ergibt sich, dass das Gericht seiner einmal geäußerten Auffassung bezüglich der „25 %-Deckelung“ nicht festhält.

Letztendlich ist davon auszugehen, dass das im Rahmen zur Wiederherstellung Erforderliche gewahrt wurde und somit weder eine Preiskontrolle erforderlich noch zulässig wäre. Aufgrund der vorgelegten Abtretung der Ansprüche an das Sachverständigenbüro ist die Beklagte zur Zahlung an dasselbige zu verurteilen.

Die Klägerin hat auch Anspruch auf Verzugszins und Verzugsschaden gemäß der §§ 280, 286, 288 BGB. Diese Position blieben dem Grunde und der Höhe nach unstreitig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO entsprechend dem Unterliegen der Beklagten im Rechtsstreit.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 713 ZPO und die Höhe des Streitwertes gemäß § 3 ZPO aus der Höhe der geltend gemachten Forderung.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu Leipziger Urteilsreihe zum Achten: AG Leipzig verurteilt unter Aufhebung seiner bisherigen 25-Prozent-Deckelung der Nebenkosten die HUK-COBURG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 2.12.2015 – 113 C 1088/15 -.

  1. Dipl.-Ing. Harald Rasche sagt:

    Hi, Willi,
    hier hat der Richter der Abt.113 C des AG Leipzig seinen bisherigen Standpunkt zur Nebenkostenbegrenzung geändert, ohne dies umschweifend begründen zu müssen.
    Jeder Insider zumindest weiß, dass damit den Überlegungen des OLG Dresden nicht weiter gefolgt wird.
    Daraus ergibt sich, dass das Gericht seiner einmal geäußerten Auffassung bezüglich der „25 %-Deckelung“ nicht festhält und auch deutlich herausstellt, wozu die Beklagtenseite hinsichtlich der Regulierung entstandener Gutachterkosten schadenersatzrechtlich verpflichtet ist:

    „Letztendlich ist davon auszugehen, dass das im Rahmen zur Wiederherstellung Erforderliche gewahrt wurde und somit weder eine Preiskontrolle erforderlich noch zulässig wäre. Aufgrund der vorgelegten Abtretung der Ansprüche an das Sachverständigenbüro ist die Beklagte zur Zahlung an dasselbige zu verurteilen.“

    Man darf konstatieren, dass erfreulicherweise die schadenersatzrechtlichen Beurteilungskriterien zunehmend in das Rampenlicht geraten und die vermeintlich mögliche Bandbreite der Bewertungskriterien damit schlanker wird. Auch hier ist herauszustellen, das bei dem Richter K. des AG Leipzig ein Rückgriff auf ein Honorartableau bzw. auf eine Honorar“befragung“ ebensowenig veranlasst war, wie eine vermeintlich erforderliche „Schätzung“, da eine Rechnung mit Honorarvereinbarung vorlag und deshalb Durchschnittswerte und Sonderkonditionen nicht beurteilungsrelevant sind.

    Dipl.-Ing. Harald Rasche
    Bochum & Tangendorf

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