LG Neubrandenburg ändert erstinstanzliches Urteil ab und verurteilt zur Zahlung restlicher, erfüllungshalber abgetretener Sachverständigenkosten mit Berufungsurteil vom 27.1.2016 – 1 S 28/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

zum bevorstehenden Wochenende veröffentlichen wir für Euch heute ein Berufungsurteil aus Neubrandenburg zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die DA Versicherung. Nachdem zunächst das Amtsgericht Neubrandenburg anders entschieden hatte, hat das Berufungsgericht dann die Sach- und Rechtslage wieder auf die richtigen Füße gestellt und unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die restlichen Sachverständigenkosten zugesprochen. Im Ergebnis ist daher das Berufungsurteil des LG Neubrandenburg zwar positiv, aber leider hat die Berufungskammer wieder mit einer werkvertraglichen Einzelpositionsüberprüfung auf der Grundlage von BVSK entschieden. Eine Einzelpositionsprüfung im Rahmen der Schadenshöhenschätzung ist gar nicht möglich, denn im Rahmen der Schadensschätzung kann nur der Gesamtbetrag, der den Schaden bildet, geschätzt werden. Insoweit sind die Formulierungen im § 287 ZPO eindeutig. Lest aber selbst das Berufungsurteil und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes unwetterarmes Wochenende
Willi Wacker

Aktenzeichen:
1 S 28/15
101 C 158/14 AG Neubrandenburg

Landgericht Neubrandenburg

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Kläger und Berufungskläger –

gegen

Deutsche Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Herrn Norbert Wulf, Oberstedter Straße 14, 61440 Oberursel

– Beklagte und Berufungsbeklagte –

hat das Landgericht Neubrandenburg – 1. Zivilkammer – durch den Präsidenten des Landgerichts R., den Richter Dr. B. und die Richterin am Landgericht S.-N. am 27.01.2016 für Recht erkannt:

1.       Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 23.12.2014, Az. 101 C 158/14, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 92,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.01.2014 zu zahlen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.        Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 92,82 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht. Die Beklagte ist nach einem Verkehrsunfall in vollem Umfang schadensersatzpflichtig. Die Geschädigte hatte ihren Erstattungsanspruch gegen die Beklagte bezüglich der Sachverständigenkosten an diesen, den Kläger, abgetreten. Die Beklagte hat die von dem Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten nicht vollständig ausgeglichen. Den Differenzbetrag macht der Sachverständige hier aus abgetretenem Recht gegenüber dem Versicherer geltend. Dieser hat inhaltliche Einwände gegen die Höhe der Abrechnung erhoben. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte berechtigt ist, inhaltliche Einwendungen gegen die Kostenrechnung, die sie gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin hätte nicht geltend machen können, gegenüber dem Sachverständigen direkt zu erheben und ob die vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Nebenkosten (Fahrt-, Schreib-, Kopier- und Fotokosten) in voller Höhe gerechtfertigt waren.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Beklagte könne die erhobenen Einwendungen auch gegenüber dem Kläger als Zessionar erheben. Diese seien auch der Sache nach gerechtfertigt, da die in Rechnung gestellten Nebenkosten tatsächlich überhöht seien.

Das Amtsgericht hat die Berufung zugelassen. Mit der Berufung verlangt der Kläger 92,82 €. Er trägt vor, dass die in der ersteq Instanz abgewiesenen Nebenkosten tatsächlich entstanden und für die Fertigung des Gutachtens notwendig gewesen seien. Zudem bewegten sie sich sämtlich im Rahmen der BVSK Honorarbefragung.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und behauptet, die entstandenen Fahrtkosten seien nicht notwendig gewesen, Schreibarbeiten seien unter Berücksichtigung der EDV-gestützten Herstellung des Gutachtens nicht angefallen, die Kopier- und Fotokosten seien überhöht.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und auch in der Sache begründet.

2.  Die von der Beklagten erhobenen Einwendungen sind hier grundsätzlich auch gegen den Kläger als Zessionar eröffnet. Die Kammer schließt sich insoweit den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts an.

§ 404 BGB besagt, dass der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegenhalten kann, die er auch dem alten gegenüber hatte. Die Vorschrift besagt aber nicht, dass er nur diese Einwendungen erheben kann. Der Wortlaut spricht also schon gegen eine Beschränkung. In der Kommentarliteratur besteht auch Einigkeit, dass über die mangelnde Rechtsinhaberschaft hinaus dem Schuldner uneingeschränkt alle anderen Einwendungen offen stehen, die in der Person des Zessionars begründet sind (MüKo/Roth BGB, 6. Auflage, § 404 Rn. 16; Staudinger/Busche, BGB, Neubearbeitung 2005, § 404 Rn. 4; Erman/Westermann, BGB, 11. Auflage, § 404 Rn. 7). Es gibt auch diverse obergerichtliche Entscheidungen, die in diese Richtung gehen (BGH, Urteil vom 04.07.2002, IX ZR 97/99; BGH NJW 2002, 1859). Entscheidendes Argument ist, dass § 404 BGB in erster Linie den Schutz des Schuldners bezweckt, nicht aber seine Verteidigungsmöglichkeiten beschränken soll (Erman/Westermann, a.a.O, § 404 Rn. 7; OLG Köln, Urteil vom 18.02.1987, 13 U 170/86, zitiert nach juris Rn. 9).

3.  Die Einwendungen der Beklagten sind jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt. Fest steht und wird auch von keiner der Parteien bezweifelt, dass der Geschädigten dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens zustand, der durch die Abtretung auf den Kläger übergegangen ist. Denn diese Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig ist.

a. Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sogenannte subjektbezogene Schadensbetrachtung). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH, Urteil vom 22.07.2014, VI ZR 357/13, zitiert nach juris Rn. 15).

Seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Diese Rechnung bildet bei der nach § 287 ZPO gebotenen Schadensschätzung ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (BGH, a.a.O., zitiert nach juris Rn. 16).

Allerdings ist der tatsächlich in Rechnung gestellte Betrag nicht mit dem zu ersetzenden Schaden identisch. Liegen die von dem Sachverständigen berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden. Bei der Bemessung der Schadenshöhe hat der Tatrichter allerdings zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen müssen. Die Schätzung darf nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen (BGH, a.a.O., zitiert nach juris Rn. 17).

b. Die von dem Kläger hier in Rechnung gestellten Nebenkosten bewegen sich sämtlich im Rahmen der BVSK Honorarbefragung 2013 (Blatt 38 a GA). Dies ist jedenfalls ein starkes Indiz dafür, dass die geltend gemachten Forderungen sich im Rahmen des Üblichen halten.

Die BVSK-Honorarbefragung 2013, auf die sich der Kläger bezieht, wurde zwischen März und Juni 2013 an 840 Standorten der BVSK- Mitglieder durchgeführt. Die Teilnehmerzahl entsprach einer Quote von über 95 % der Mitglieder des BVSK (Quelle: Vorwort der Honorarbefragung 2013). Damit wird man ihr grundsätzlich die Eignung, die Angemessenheit bzw. Üblichkeit einzelner Honorarforderungen einzuschätzen, wohl kaum absprechen können, auch wenn sie keine rechtliche Verbindlichkeit wie eine Gebührenordnung oder ein qualifizierter Mietspiegel für sich in Anspruch nehmen kann.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus der bereits zitierten BGH-Entscheidung vom 22.07.2014 nichts anderes. Der BGH hat darin nicht gesagt, dass die BVSK Honorarbefragung grundsätzlich ungeeignet sei, die angemessenen Beträge zu ermitteln. Er hat lediglich ausgeführt, dass das Berufungsgericht in jenem Fall das Ergebnis dieser Befragung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise nicht als geeignete Schätzgrundlage für die Nebenkosten angesehen habe. Dem ist folglich nur zu entnehmen, dass die bloße Feststellung, dass sich Nebenkosten im Rahmen dieser Befragung, bewegen allein nicht ausreicht, ihre Ersatzfähigkeit anzunehmen, sondern dass es der bereits erwähnten tragfähigen Anknüpfungspunkte für die Vornahme der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO bedarf.

c. Bezogen auf die hier streitigen Einzelpositionen ist hierzu folgendes auszuführen:

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der entstandenen Fahrtkosten zum Begutachtungstermin. Aus dem Gutachten ergibt sich, dass das verunfallte Fahrzeug sich zum Begutachtungszeitpunkt in der Werkstatt in Neubrandenburg befand. Der Kläger hat jedoch seinen Sitz in Pragsdorf. Kosten sind insofern tatsächlich entstanden.

Dem Sachverständigen obliegt die Entscheidung darüber, wo er das geschädigte Fahrzeug unter Berücksichtigung aller sich aus dem Auftrag ergebenden Aufgabenstellungen begutachtet. Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung des Klägers, das hier in Rede stehende Fahrzeug in der Werkstatt in Neubrandenburg unter Ausnutzung der dort vorhandenen Einrichtungen zu begutachten, unwirtschaftlich war, liegen nicht vor.

Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass die abgerechneten Fahrtkosten tatsächlich entstanden sind. Dies ergibt sich nämlich aus dem Gutachten selbst. Die tatsächlich abgerechneten Kosten bewegen sich im Rahmen der BVSK Honorarbefragung, die einen Korridor zwischen 0,92 € und 1,16 € pro Kilometer ausweist. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der vom Kläger angesetzte Betrag in der hiesigen Region außergewöhnlich hoch erscheint, liegen nicht vor.

Hinsichtlich der Fotokosten ist ebenfalls die Schätzung nach § 287 ZPO eröffnet. Es geht um die Schadenshöhe. Durch die Angabe zur Anzahl der gefertigten Fotos gibt es auch eine tatsächliche Anknüpfungstatsache für die Schätzung. Es ist jedenfalls ein Indiz für die vollständige Erstattungsfähigkeit, das die von dem Kläger angesetzten Kosten sich im Rahmen der BVSK Honorarbefragung bewegen. Zwar sind die Erwägungen der Beklagten, dass Ausdrucke von Digitalfotos kostengünstiger herstellbar sind, nicht von der Hand zu weisen; allerdings ist ein Sachverständiger nicht verpflichtet, die für das Gutachten erforderliche Bilddokumentation als „Billigproduktion“ herzustellen. Hinsichtlich der Schreibkosten gelten dieselben Erwägungen. Hat der Sachverständige einen entsprechenden Auftrag erhalten, so ist das Gutachten in Schriftform herzustellen. Hierfür entstehen Kosten, unabhängig davon, welcher technischen Hilfsmittel der Sachverständige sich hierfür bedient. Gerichtlich beauftragte Sachverständige erhalten Schreibauslagen auch grundsätzlich ersetzt. Das bedeutet, das Schreibkosten üblicherweise nicht von dem Grundhonorar automatisch umfasst sind. Dies gilt auch für Kopierkosten.

III.

1.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

2. Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes, § 543 ZPO.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 48 GKG.

.              R.                                    Dr. B.                                    S.-N.
.      Präsident                              Richter                                Richterin
des Landgerichts                                                                am Landgericht

Verkündet am 27.01.2016

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3 Antworten zu LG Neubrandenburg ändert erstinstanzliches Urteil ab und verurteilt zur Zahlung restlicher, erfüllungshalber abgetretener Sachverständigenkosten mit Berufungsurteil vom 27.1.2016 – 1 S 28/15 -.

  1. H.R. sagt:

    @ Willi Wacker
    Deine einleitende Kommentierung zu diesem Urteil bezieht sich auf das Krebsgeschwür Honorarumfrage und das ist vor folgendem Hintergrund verständlich, da die Beantwortung der bei solchen Vorgängen entscheidungserheblichen Frage gerade nicht von der Hinzuziehung einer Honorarumfrage abhängt, wie nachfolgende Auszüge zu dieser Thematik verdeutlichen:

    §§ Schon allein die Bezugnahme auf BVSK widerspricht der BGH-Rechtsprechung, denn der BGH hat bereits in seinem Grundsatzurteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – (=BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90 = DAR 2014, 194) entschieden, dass der Geschädigte das Ergebnis der Umfrage der BVSK-Mitglieder nicht kennen muss. Wenn der Geschädigte die Honorarbefragung des BVSK nicht kennen muss, dann kann auch das Gericht diese Umfrage nicht als Grundlage der Schätzung gemäß § 287 ZPO machen. Es kommt vielmehr auf die Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung an und damit auf den subjektiven Schadeneinschlag.

    §§ In seiner Entscheidung vom 22.07.2014 führte der BGH aus: „Die Revision rügt auch ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht die BVBK-Honorarbefragung nicht für geeignet gehalten hat, die zu erwartenden Ansätze bei anfallenden Nebenkosten verlässlich abzubilden. Das Berufungsgericht hat das Ergebnis dieser Befragung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise deshalb nicht als geeignete Schatzgrundlage für die Nebenkosten angesehen, da sie nicht hinreichend aussagekräftig sei und relevante Fragen offen lasse.“

    §§ Soweit der Bundesgerichtshof im dortigen Verfahren VI ZR 225/13 die Werte der BVSK-Honorarbefragung nicht für maßgeblich erachtet hat, hat sich dies ausdrücklich darauf beschränkt, dass die dort abgebildeten Werte keine Obergrenze darstellen.

    §§ Hinsichtlich des Grundhonorars des Sachverständigen kann jedenfalls ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar als erforderlicher Herstellungsaufwand i.S.d. § 249 II BGB erstattet verlangt werden (BGH, NJW 2007, 1450), die Honorarumfrage eines Sachverständigenverbands allein kann bei der Schadensschätzung aber nicht herangezogen werden, um das Honorar des privaten Sachverständigen zu kürzen (BGH, NJW 2014, 1947).

    §§ „Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter abgerechneten Kosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, führt weder dazu, dass die geltend gemachten Kosten von vorneherein aus dem Rahmen des nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB für die Schadensbehebung erforderlichen Geldbetrages fallen, noch rechtfertigt sich daraus die Annahme eines Verstoßes des Geschädigten gegen seine Pflicht zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB (BGH a.a.O.).“

    §§ „Eine Kürzung der vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten allein auf Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes ist im Rahmen einer Schadensbemessung nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht zulässig. Sie würde die besondere Bedeutung der vorgelegten Rechnung für den konkreten Einzelfall und die Lage der Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen verkennen.“

    (Eingefügt aus <http://www.captain-huk.de/urteile/ag-leverkusen-verurteilt-huk-coburg-haftpflichtunterstuetzungskasse-zur-zahlung-der-vorgerichtlich-gekuerzten-sachverstaendigenkosten-bei-voller-haftung-der-huk-coburg-mit-urteil-vom-14-7-2015-24-c/#more-71155).

    §§ " Die Beklagte hätte deshalb vorliegend darlegen und beweisen müssen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte.
    Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter vorliegend abgerechneten Nebenkosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, rechtfertigt die Annahme eines solchen Verstoßes des Klägers allerdings noch nicht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, juris, m.w.N.)."
    (Eingefügt aus ).

    §§ Richtpreise einer Interessengruppe sind keine im Verkehr geltenden Wertmaßstäbe bzw. im Verkehr anerkannten Bewertungsmaßstäbe. Der Versuch, über § 287 ZPO den Schadenersatz unabhängig vom individuellen Schaden des Geschädigten zu bestimmen, verstößt nicht nur gegen § 249 S.1 BGB, sondern ist logisch und damit auch sachlich unmöglich. Einen vom Schaden unabhängigen Schadenersatz und einen anderen „Wertungsmaßstab“ oder „Bewertungsmaßstab“ des Schadenersatzes als den des eingetretenen Schadens gibt es nicht. Eine solche Handhabung widerspricht dem Gesetz, nach dem der Schadenersatzpflichtige „verpflichtet“ ist, den tatsächlichen Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 S 1 BGB).

    „Richtpreise“ eines Berufsverbandes sind weder objektiv, noch haben sie etwas mit einem zu ersetzenden Schaden zu tun.

    Wenn Gerichte solche Listen wie Gesetze anwenden, ohne die dagegenstehenden rechtlichen Bedenken auch nur mit einem Wort zu erwähnen, muss das auf Erstaunen stoßen.

    Der Verstoß gegen § 249 S. 1 BGB und gegen die begrifflichen Merkmale eines jeden Schadenersatzes kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO „das Gericht unter Würdigung aller Umstände“ nach freier Überzeugung darüber „entscheidet“, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufen.

    Sie bedeutet entgegen einer fehlerhaften Auffassung jedoch nicht, dass das Gericht ohne strenge Gebundenheit an die Tatsachen (z.B. Honorarvereinbarung/ Geschäftsbedingungen) oder die Regeln der allgemeinen Erfahrung und der Gesetze der Logik, eine „freie Schadensregulierung“ vornehmen und sich dadurch der Mühen einer sorgfältigen Beweiserhebung und objektiv begründeten Beweiswürdigung entheben darf.

    §§ § 287 ZPO ändert als rein beweisrechtliche Bestimmung nichts an der sachlich rechtlichen Lage, dass der Schädiger vollen Schadenersatz vollen Schadenersatz schuldet und diese Rechtspflicht den in § 249 S.1 BGB bestimmten Inhalt hat. Diesen hat das Gericht in jedem einzelnen Fall individuell zu erkennen. Es kann damit nicht gemäß § 287 ZPO über den Schadenersatzanspruch des Geschädigten verfügen, weil sich damit erkennbar die tatsächliche Schadenersatzverpflichtung des Schädigers reduzieren würde auf eine Zubilligung von Schadenersatz aus einer ex post Sichtweite des Gerichts.

    Jedoch sind tatsachenfremde Spekulationen auch dann nicht zulässig, wenn sie als „methodisch“ dargestellt, z.B. auf fiktive Zahlenreihen gestützt, und in scheinbar verwertbare Berechnungen gekleidet werden.

    Schlussendlich muss aber im beurteilungsrelevanten Zusammenhang auch noch folgende Frage untersucht und beantwortet werden: Was gehen einen Geschädigten und damit ein über dessen Schadenersatzanspruch urteilendes Gericht die vermeintlichen „Bewertungsmaßstäbe“ eines versicherungsnahen Berufsverbandes an?

    Mit welcher rechtlichen Begründung sollen die Geschädigten diese zu ihrem Nachteil gegen sich gelten lassen müssen ?

    Unmissverständlich wird in den Entscheidungsgründen des kommentierten Urteils zu den Nebenkosten u.a ausgeführt:

    „Hinsichtlich der Fotokosten ist ebenfalls die Schätzung nach § 287 ZPO eröffnet. Es geht um die Schadenshöhe. Durch die Angabe zur Anzahl der gefertigten Fotos gibt es auch eine tatsächliche Anknüpfungstatsache für die Schätzung. Es ist jedenfalls ein Indiz für die vollständige Erstattungsfähigkeit, das die von dem Kläger angesetzten Kosten sich im Rahmen der BVSK Honorarbefragung bewegen. Zwar sind die Erwägungen der Beklagten, dass Ausdrucke von Digitalfotos kostengünstiger herstellbar sind, nicht von der Hand zu weisen; allerdings ist ein Sachverständiger nicht verpflichtet, die für das Gutachten erforderliche Bilddokumentation als „Billigproduktion“ herzustellen. Hinsichtlich der Schreibkosten gelten dieselben Erwägungen. Hat der Sachverständige einen entsprechenden Auftrag erhalten, so ist das Gutachten in Schriftform herzustellen. Hierfür entstehen Kosten, unabhängig davon, welcher technischen Hilfsmittel der Sachverständige sich hierfür bedient. Gerichtlich beauftragte Sachverständige erhalten Schreibauslagen auch grundsätzlich ersetzt. Das bedeutet, das Schreibkosten üblicherweise nicht von dem Grundhonorar automatisch umfasst sind. Dies gilt auch für Kopierkosten.“

    So, und morgen vielleicht etwas zu den Beurteilungskriterien/Randbedingungen einer Schätzung nach § 287 ZPO.

    H.R.

  2. Oskar sagt:

    @ H.R.
    Vor allem ist aber nicht zu vergessen, dasses es ohne einen kartell- oder monopolrechtlichen Prüfungsauftrag nicht Aufgabe der Gerichte ist, hinsichtlich der vertraglichen Preisabsprachen von Marktteilnehmern (hier zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen) für eine Vielzahl von Fällen verbindliche Vorgaben zur Honorarstruktur, zur Abrechnungshöhe und zur grundsätzlichen Höhe einzelner Abrechnungsunterpositionen zu machen, solange der Gesetzgeber den Gerichten hierfür keinen gesetzlichen Prüfungsspielraum eröffnet.

    Eine Preiskontrolle hat durch die Gerichte in der Regel nicht stattzufinden (vergleiche BGH NZV 2007, 455 = DS 2007, 144) und genau das wird ignoriert.

    Dass auch hier Wissensstand und Erkenntnismöglichkeit des Geschädigten spielen hier mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Aufwands des Geschädigten eine maßgebende Rolle, wobei ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkett regelmäßig nicht ausreicht (vergleiche zu allem zum Beispiel BGH VI ZR 225/13 Rn. 8 unter Hinweis auf BGH VI ZR 471/12 und VI ZR 528/12, fortgeführt durch BGH VI ZR 357/13; saarländisches OLG wie oben zitiert). Nimmt man diese Vorgaben des BGH ernst, dann fehlt es bereits an einer Veranlassung, die Erforderlichkeit des abgerechneten Honorars ernsthaft in Zweifel zu ziehen und wie ein Trüffelschwein nach Fehlern oder Verfehlungen zu suchen.

    Alleine der Umstand, dass die kürzende Versicherung diese Auffassung routinemäßig und pauschal, d.h. ohne konkrete Bezugnahme auf das alleine maßgebliche regionale Marktgeschehen vertritt, bietet noch keine Veranlassung zu einer eingehenden Prüfung. Das scheint bei einigen Gerichten immer noch nicht angekommen zu sein oder wird vorsätzlich ignoriert, wie der zu beanchtende Umstand, dass auch das, was tatsichlich nicht erforderlich oder tatsächlich erheblich überhöht wäre nicht zu Lasten des Geschädigten gehen kann vor dem Hintergrund, dass der Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, sondern des Schädigers ist. Uns kann keiner erzählen wollen, dass ein routinierter Richter das nicht weiß, denn das gehört einfach zu seinem Handwerkszeug. Bei gegeläufiger Handhabung bzw. Nichtbeachtung liegt der Verdacht der vorsätzlichen Schädigung nicht fern.

    Oskar

  3. H.R. sagt:

    Ein Betriebskostenkorridor zwischen 0,92 € und 1,16 € müsste eigentlich schon vom dargebotenen Zahlenwerk und der engen Bandbreite her jedem praxisorientierten Bürger und Gericht ein Fragezeichen in die Augen zaubern, was schon ein Blick in die ADAC Betriebskostentabelle verständlich machen würde. An welche Randbedingungen soll denn die Bandbreite geknüpft sein. Und wo bleibt dabei der Fahrzeitaufwand des Sachverständigen und mit welchem Stundenverrechnungssatz. Wir haben in aufwendigen Recherchen diesbezüglich festgestellt, dass jedwede Anreise über 3 km im Stadtgebiet einen Anreiseaufwand erfordert, der nicht unter 12 Minuten liegt, also für 2 Fahrten dann insgesamt mindestens 24 Minuten. Jeder kann danach leicht ausrechnen, wie sich zeitaufwandsmäsig allein schon der benötigte Fahrzeitaufwand darstellt und auch abgerechnet werden müsste.

    H.R.

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