OLG Saarbrücken überprüft in der Berufung die Rechtsprechung des LG Saarbrücken u. a. zu Sachverständigenkosten und Mietwagenkosten (4 U 46/14 vom 09.10.2014)

Mit Datum vom 09.10.2014 (4 U 46/14) hat das OLG Saarbrücken das Urteil des LG Saarbrücken vom 14.03.2014 (4 O 330/12) in der Berufung überprüft und teilweise neu gefasst.

In dieser Entscheidung ging es neben der – hier nicht weiter auszuführenden – Überprüfung einer Entscheidung zur Haftung im Einzelfall auch um Sachverständigenkosten und Mietwagenkosten. Der nachfolgende Auszug aus den Entscheidungsgründen des Urteils des OLG Saarbrücken bezieht sich daher ausschließlich auf die vorgenannten Streitpunkte.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

………….

Darüber hinaus haben die Beklagten der Klägerin die Kosten für das Haftpflichtschadengutachten des Sachverständigen S. vom 15.06.2012 gemäß Rechnung vom gleichen Tage in Höhe von 909,93 € zu ersetzen.

Soweit die Beklagten erstmals in der Berufungserwiderung mit Nichtwissen bestritten haben, dass die Klägerin mit dem Sachverständigen einen Werkvertrag abgeschlossen habe, der das in der Rechnung aufgeführte Grundhonorar sowie die abgerechneten Nebenkosten rechtfertigt (Bl. 213 d. A.), ist dieses neue Vorbringen gemäß 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Berufungserwiderung hat gemeint, bislang habe für ein Bestreiten kein Anlass bestanden, weil das Landgericht in der mündlichen Verhandlung angekündigt habe, hinsichtlich des Sachverständigenhonorars und der Nebenkosten der ständigen Rechtsprechung der Berufungskammer des Landgerichts folgen zu wollen; erst durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11.02.2014 sei die Problematik wieder virulent geworden (Bl. 213 d. A.). Diese Begründung greift zu kurz. Die Frage, ob die Klägerin überhaupt mit dem Sachverständigen einen Werkvertrag abgeschlossen hat, der das berechnete Grundhonorar und die Nebenkosten rechtfertigen kann, stellt sich unabhängig von einer eventuellen Begrenzung vor allem der Nebenkosten. Im Übrigen bestehen angesichts der Vorlage des Haftpflichtschadengutachtens und der Rechnung vom 15.06.2012 keine Zweifel, dass die durchweg anwaltlich vertretene Klägerin mit dem Sachverständigen S. auch einen Vertrag mit dem Sachverständigen abgeschlossen hat, der das in der Rechnung aufgeführte Grundhonorar sowie die abgerechneten Nebenkosten an sich rechtfertigt.

Entgegen den eingehenden Erwägungen des Landgerichts (Bl. 155 bis 161 d. A.) ist der Ersatz der mit insgesamt 229,25 € brutto berechneten (Bl. 24 d. A.) Nebenkosten des Sachverständigen S. nicht auf den Betrag von 119 € brutto begrenzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat durch Urteil vom 08.05.2014 (4 U 61/13 -, juris Rn. 123 ff.) angeschlossen hat, kann ein Unfallgeschädigter einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen und vom Schädiger nach 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen.

(1) Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte; denn in letzterem Fall wird der Geschädigte nicht selten Verzicht üben oder Anstrengungen machen, die sich im Verhältnis zum Schädiger als überobligationsmäßig darstellen und die dieser daher vom Geschädigten nicht verlangen kann. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch im Rahmen von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, wonach dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d. h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH NJW 2014, 1947 Rn. 7). Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH NJW 2014, 1947, 1948 Rn. 7).

(2) Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, weil sich in ihr die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig niederschlagen. Auch wenn nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend sind, bildet die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zu Grunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt, ein Indiz für die Erforderlichkeit. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwands gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrags zur Schadensbehebung reicht demgegenüber grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich -was hier nicht anzunehmen ist – aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (BGH NJW 2014, 1947, 1948 Rn. 8).

Mit diesen Grundsätzen sind, auch im Rahmen der freieren Stellung des Tatrichters bei der Schadensbemessung nach 287 Abs. 1 ZPO, die Erwägungen (Bl. 157 ff. d.A.) nicht zu vereinbaren, mit denen das Erstgericht hier zu einer Kürzung der bei der Klägerin angefallenen Nebenkosten des Sachverständigengutachtens in Höhe von 192,65 € netto (229,25 € brutto) auf den Betrag von 100 € netto (119 € brutto) gelangt ist. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes, dessen Rechtsprechung sich der Senat, wie ausgeführt, angeschlossen hat, hat nunmehr in Bezug auf die vom Erstgericht zitierte Rechtsprechung der 13. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken ausdrücklich entschieden, dass die Auffassung, die zusätzlich zu einem Grundhonorar berechneten Nebenkosten seien in Routinefällen grundsätzlich in Höhe von 100 € (netto) erforderlich, während sie, soweit sie diesen Betrag überstiegen, erkennbar überhöht und deshalb nicht ersatzfähig seien, einer hinreichend tragfähigen Grundlage entbehrt (BGH, Urt. v. 22.07.2014 – VI ZR 357/13, juris Rn. 21).

In Bezug auf die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs steht der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 1.733,60 €.

Das Landgericht hat zunächst die für die Anmietung eines der Fahrzeugklasse des dem verunfallten Pkw entsprechenden Ersatzfahrzeugs die für den Zeitraum von 20 Tagen erforderlichen Mietwagenkosten – wie in der Rechnung vom 26.06.2012 berücksichtigt (Bl. 30 d. A.) – zutreffend mit 1.590,90 € zuzüglich Umsatzsteuer, also 1.893,17 € brutto angesetzt (Bl. 161 f. d.A.). Die vom Landgericht vorgenommene Schätzung nach dem Mittelwert von Schwacke-Mietpreisspiegel und Marktspiegel des Fraunhofer Instituts entspricht der Rechtsprechung des Senat (NJW-RR 2010, 541, 543) und ist in der Berufungsinstanz nicht angegriffen.

Ferner hat das Landgericht mit Recht ausgeführt, dass die Klägerin die Kosten für die Rückholung des Mietfahrzeugs in Höhe von 29,75 € brutto ersetzt verlangen kann (Bl. 162 d. A.).

Anders als die Berufung meint, steht der Klägerin kein Anspruch auf Ersatz von Kosten für eine Lieferung des Mietwagens außerhalb der Öffnungszeiten in Höhe von 50 € zuzüglich Umsatzsteuer und für eine Lieferung außerhalb der Stadtgrenze in Höhe von 25 € zuzüglich Umsatzsteuer zu. Insoweit kommt es auf die von der Berufung als fehlerhaft gerügten Ausführungen des Landgerichts dazu, dass ein Aufschlag auf Lohn für das Abschleppen nach 18 Uhr nicht doppelt abzurechnen sei (Bl. 163 d. A. unten), nicht an. Das Landgericht hat nämlich ferner nicht feststellen können, dass das Ersatzfahrzeug nicht von der Klägerin selbst abgeholt wurde, d. h. dass es der Klägerin überhaupt geliefert Dabei hat das Erstgericht die Aussage des Zeugen K. mit Recht als in sich widersprüchlich angesehen und außerdem die Abweichung von der Aussage der Tochter der Klägerin, der Zeugin D., bemerkt, dass sie direkt mit dem Mann von C. S. zu dem Gelände der Mietwagenfirma gefahren seien und er ihnen dort ein Auto vermietet habe (Bl. 164 d. A.). Diese überzeugende Beweiswürdigung hat die Berufung nicht angegriffen.

Eine Eigenersparnis ist in Bezug auf die Mietwagenkosten – entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht auch hinsichtlich der Kosten für die Rückholung des Mietfahrzeugs, die ohne den Unfall nicht angefallen wären – in Höhe von 10 v. H. anzurechnen. Das von der Berufung angeführte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 05.03.2013 (VI ZR 245/11, NJW 2013, 1870 ff.) führt vorliegend zu keiner anderen Beurteilung. Der Bundesgerichtshof hat für den Fall der Anmietung eines gleichwertigen Fahrzeugs (auch) den Ansatz einer Ersparnis von 10 v. H. der Mietwagenkosten gebilligt (BGH NJW 2013, 1870, 1872 Rn. 26). Eine solche   Gleichwertigkeit ist   hier nach den   zutreffenden   Feststellungen des Landgerichts gegeben. Als Ersatzfahrzeug war ein in die Mietwagenklasse 5 fallender Pkw Ford C-Max angemietet (Bl. 30 d. A.). Das verunfallte Fahrzeug Opel Vectra 1.6 Edition Erstzulassung 2005 gehört ebenfalls in die Mietwagenklasse 5 (vgl. Schwacke Liste Super Schwacke Bd. 1 04/07, S. 810).

…… es folgen weitere Ausführungen zu Kostenpauschale und Rechtsanwaltskosten.

  1. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen; denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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1 Antwort zu OLG Saarbrücken überprüft in der Berufung die Rechtsprechung des LG Saarbrücken u. a. zu Sachverständigenkosten und Mietwagenkosten (4 U 46/14 vom 09.10.2014)

  1. Inspektor sagt:

    @
    „Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes, dessen Rechtsprechung sich der Senat, wie ausgeführt, angeschlossen hat, hat nunmehr in Bezug auf die vom Erstgericht zitierte Rechtsprechung der 13. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken ausdrücklich entschieden, dass die Auffassung, die zusätzlich zu einem Grundhonorar berechneten Nebenkosten seien in Routinefällen grundsätzlich in Höhe von 100 € (netto) erforderlich, während sie, soweit sie diesen Betrag überstiegen, erkennbar überhöht und deshalb nicht ersatzfähig seien, einer hinreichend tragfähigen Grundlage entbehrt (BGH, Urt. v. 22.07.2014 – VI ZR 357/13, juris Rn. 21).“

    Hallo C-H Bloger,
    das hätten die 3 Hilfsjuristen, in ihrem jüngsten Münchener OLG Hinweisbeschluss vom Dez. 2015 auch erkennen können, wenn nicht Unwissenheit, Willkür und Sozialneid die Antriebsfeder gewesen wäre.
    Solange ein OLG sich so offensichtlich gegen die ständige Rechtsprechung stellt, wird der Rechtsfrieden immer mehr infrage gestellt. Kein Wunder wenn in Deutschland prähistorische Erinnerungen wach werden.

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