Vom AG Nürnberg beauftragter Gerichtsgutachter widerspricht der von der R+V-Versicherung vorgenommenen Schadensregulierung und bestätigt das vom Geschädigten vorgerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten (AG Nürnberg Urt. vom 31.3.2014 – 20 C 10301/12 -).

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachfolgend geben wir Euch ein Urteil aus Nürnberg gegen die R+V-Versicherung bekannt. Der Rechtstreit drehte sich um die fiktive Abrechnung mit UPE-Zuschlägen, Verbringungskosten, Reinigungskosten u. Wertminderung sowie um die Sachverständigenkosten des Sachverständigen C.  nebst Kosten für die Stellungnahme nach Schadenskürzung durch den Versicherer. Im vorliegenden Fall kürzte die Carexpert die Reparaturkosten bzgl. der Erneuerung der kompletten Seitenwand und reduzierte auf einen Teilersatz mit einer minimalen Instandsetzungszeit auf die angrenzende aber noch stark verformte restliche Seitenwand. Ebenso wurden der Teilepreisaufschlag bei Opel und die Verbringungskosten gestrichen. Mit der Abrechnung der R+V-Versicherung war der Geschädigte – zu Recht – nicht einverstanden. Als technischer Laie beauftragte er den Sachverständigen C., der bereits das Schadensgutachten erstellt hatte, mit einer Stellungnahme zu den Kürzungen der Carexpert. Diese Stellungnahme beeindruckte die R+V-Versicherung nicht, weshalb der Geschädigte Klage einreichte. Das Gericht holte dann ein Gutachten eines weiteren Sachverständigen ein, der entschieden dem Prüfbericht der Carexpert widersprach. Dementsprechend wurde die R+V-Versicherung zur Zahlung verurteilt. Lest selbst und gebt bitte Eure Meinungen ab, auch die positiven, wenn es welche gibt.  

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Nürnberg

Az.: 20 C 10301/12

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:

gegen

R+V Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorst. Dr. Norbert Rollinger u.a., Mittlerer Pfad 24, 70499 Stuttgart

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

erlässt das Amtsgericht Nürnberg durch die Richterin am Amtsgericht … am 31.03.2014 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO folgendes

Endurteil

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.280,09 € nebst Zinsen aus 1.869,67 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.09.2009 sowie weitere 192,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 05.01.2013 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 5 % und die Beklagte 95% zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.366,17 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um restliche Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall im Juli 2009.

Am 23.7.2009 ereignete sich in Nürnberg ein Verkehrsunfall, an dem das Fahrzeug des Klägers, ein Pkw Opel, mit dem amtlichen Kennzeichen … und ein Pkw BMW mit dem amtlichen Kennzeichen … , der bei der Beklagten versichert ist, beteiligt waren. Diesen Unfall verursachte zu 100 % der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs. Der Kläger ließ seinen Schaden im Sachverständigenbüro C. in Z. begutachten. Dieses Büro stellte am 29.7.2009 für die Erstellung des Gutachtens 722,60 € in Rechnung. Auf die von dem Kläger geltend gemachten Schadensersatzforderungen bezahlte die Beklagte am 10.9.2009 Reparaturkosten in Höhe von 3.995,23 €, eine Wertminderung von 500,00 € sowie Nebenkosten von 25,00 €. Eine weitere Bezahlung lehnte die Beklagte ab. Da sich die Beklagte vorgerichtlich gegen dieses Gutachten wandte, wandte sich der Kläger erneut an den Sachverständigen C. und beauftragte ihn mit einer Ergänzung seiner gutachterlichen Stellungnahme. Dafür stellte der Sachverständige C. dem Kläger am 27.8.2012 mit 496,50 € in Rechnung.

Der Kläger behauptet, ihm seinen Reparaturkosten von insgesamt 5.017,30 € netto entstanden.

Außerdem habe die Wertminderung seines Fahrzeugs insgesamt 625,00 € betragen. Auch seien die beiden Sachverständigenrechnungen als Schadensposition vom Beklagten anzuerkennen.

Ferner schulde die Beklagte Ersatz der vorprozessualen angefallenen Rechtsanwaltsgebühren. Bei einem Gegenstandswert von 2.366,17 und einer 1,3 Geschäftsgebühr betragen diese 272,87 €.

Die Klage vom 20.12.2012 wurde der Beklagten am 5.1.2013 zugestellt. Darin beantragt der Kläger:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.366,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.869,67 € seit 25.9.2009 und aus 496,50 € seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 192,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Klageabweisung.

Sie macht geltend, die im Sachverständigengutachten des Klägers behaupteten Reparaturkosten seien zu hoch. Der vorgeschlagene Reparaturweg sei zu umständlich. Die hintere Seitenwand des Fahrzeugs habe nicht komplett erneuert werden müssen. Auch die in dem Gutachten geltend gemachten UPE-Zuschläge, die dort geltend gemachten Verbringungskosten und Reinigungskosten seien nicht zu berücksichtigen. Insgesamt seien dem Kläger daher nur Reparaturkosten in Höhe von 3.995,23 € entstanden. Auch die Wertminderung habe lediglich 500,00 € betragen. Da das Gutachten, das vom Kläger in Auftrag gegeben worden war, von vornherein unbrauchbar war, seien diese Sachverständigenkosten nicht zu ersetzen. Entsprechendes gelte für das Nachtragsgutachten.

Mit Beweisbeschluss vom 26.2.2013 beauftragte das Gericht den Sachverständigen S. K. über die Erforderlichkeit der vom Kläger geltend gemachten Reparaturkosten. Dieser legte sein schriftliches Gutachten am 2. Januar 2014 vor. Die Parteien waren mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist zum überwiegenden Teil begründet. Die Beklagte haftet gem. §§ 7, 18 StVG, 115 VVG 2008 unstreitig für den aus dem Unfall entstandenen Schaden in vollem Umfang.

1.

Gem. § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadenersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. § 249 S. 2 BGB bestimmt, dass der Geschädigte den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen kann. Daraus folgt, dass der Geschädigte berechtigt ist, auf der Basis des Sachverständigengutachtens abzurechnen, ohne dass der Schädiger die Vorlage einer Rechnung oder eines Reparaturnachweises verlangen kann.

Nach dem plausiblen und schlüssigen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen belaufen sich die Reparaturkosten des Klägers auf 4.846,02 €. In dem Gutachten wird ausführlich und verständlich dargestellt, dass die von der Beklagten vorgeschlagene Teilreparatur der hinteren Seitenwand im vorliegenden Fall kein akzeptabler Reparaturweg ist. Sich daraus ergebende Einsparmöglichkeiten können also nicht berücksichtigt werden.

2.

In dem im Gutachten ausgewiesenen Schadensbetrag sind die von der Beklagten bestrittenen UPE-Zuschläge berücksichtigt. Nach Auffassung des Gerichts sind UPE-Aufschläge auch bei fiktiver Schadensberechnung zu ersetzen, jedenfalls wenn sie in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen würden. Dies ist auch nach dem Gutachten des Sachverständigen hier eindeutig der Fall.

Auch fiktive Verbringungskosten sind in diesem Fall zu akzeptieren. Der Sachverständige führt aus, dass allein die Fa. K. über eine eigene Lackiererei verfügt und keine Verbringungskosten berechne. Bei sämtlichen übrigen Opel Vertragswerkstätten in der Region werde ein Aufwand zwischen 1 und 1,5 Stunden in Rechnung gestellt. Daher sind auch die Verbringungskosten in Höhe von 85,20 € netto zu berücksichtigen. Reparaturkosten stehen dem Geschädigten daher in Höhe von 4.931,22 € zu, 3.995,23 € wurden bereits bezahlt, so dass ihm im Urteil noch 935,99 € zuzusprechen waren.

3.

Gemäß dem Gutachten des Sachverständigen ist der ermittelte merkantile Minderwert in Höhe von 625,00 € marktgerecht. Da die Beklagte bislang nur 500,00 € ersetzt hat, fehlen weitere 125,00 €.

4.

Weiter sind die Sachverständigenkosten in Höhe von 1.219,10 € zu ersetzen. Sachverständigenkosten sind grundsätzlich erforderlicher Herstellungsaufwand. Einwendungen gegen die Höhe der Sachverständigenkosten wurden nicht erhoben. Der Kläger kann grundsätzlich als erforderlichen Herstellungsaufwand die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Zur Erstellung eines Schadensgutachtens ist der Geschädigte berechtigt einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl zu beauftragen. Auch die Beauftragung einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme auf die Entgegnungen der Beklagten hin durfte der Kläger für erforderlich halten. Er war auf die Hilfe des Gutachters angewiesen, um den von der Beklagten vorgeschlagenen Reparaturweg entgegen zu treten.

5.

Auch die angefallenen Rechtsanwaltskosten sind in voller Höhe erstattungsfähig. Auch bei einfachen Verkehrsunfallsachen ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts als erforderlich anzusehen. Eine Geschäftsgebühr von 1,3 für einen durchschnittlichen Verkehrsunfall ist nicht unbillig. Die vorgerichtlichen Kosten sind daher ebenfalls zu erstatten.

6.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 92 Abs. 1 ZPO, die vorl. Vollstreckbarkeit nach den §§ 709, 708, 711 ZPO.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>

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11 Antworten zu Vom AG Nürnberg beauftragter Gerichtsgutachter widerspricht der von der R+V-Versicherung vorgenommenen Schadensregulierung und bestätigt das vom Geschädigten vorgerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten (AG Nürnberg Urt. vom 31.3.2014 – 20 C 10301/12 -).

  1. Headline sagt:

    „Untauglicher Versuch einer rechtswidrigen Regulierungsverkürzung kläglich gescheitert“
    oder
    „R äu… + V er… bis auf die Knochen blamiert“
    oder
    „Carexpert als Anstifter zum Geschädigtenbetrug“
    oder
    „Vollpfosten im Dienste der Versicherung“
    oder
    „Hirn ist aus“
    oder
    machma einer bitte weiter…..

  2. SV Wehpke sagt:

    Das dargestellte Regulierungmuster führt leider immer wieder zum Erfolg. In geschätzte 90% derartiger Fälle geht das Kalkül der Versicherer auf, weil Geschädigte – aus welchen Gründen auch immer – einknicken.
    Einer der Gründe dafür dürfte die schlechte Beratung der Geschädigten sein, was, so glaube ich, die Mehrzahl der hier mitlesenden SV/RA sicherlich bestätigen können. Es sind zu viele Opportunisten unterwegs.
    Wehpke Berlin

  3. Franz Erdmann sagt:

    Dass die R+V-Versicherung bis auf die Knochen blamiert ist, dürfte ausser Frage stehen.
    Was wohl Herr Rollinger dazu sagen wird?

  4. Roland R. sagt:

    Herr Dr. Rollinger gehört dem Vorstand der R+V an und ist auch Mitglied des GDV. Also wird er den GDV von der Pleite der R+V vor dem AG Nürnberg berichten. So gehe ich auf jeden Fall davon aus.

  5. Dipl.-Ing. Andreas Hoppe sagt:

    Hallo Herr Wehpke,

    es gibt noch einen weiteren Faktor: die Unsicherheit darüber welcher gerichtlich bestellte Sachverständige ein Gutachten erstatten soll…

    Ein Sachverständiger, der mehr als 5% Umsatz aus Aufträgen aus der Versicherungsbranche generiert, ist meiner Meinung nach völlig ungeeignet, objektiv unparteiisch sein Gutachten zu erstatten.

    Weil er nämlich mit jedem Ergebnis gegen die Versicherung damit rechnen muss, dass ihm durch einen Gerichtsauftrag 5% Umsatz verloren gehen…

    Viele Grüße

    Andreas

  6. RA Schwier sagt:

    Ja, das Kalkül geht ld. zu oft auf!

    Dies liegt nicht daran, dass die Mdt. mitunter schlecht beraten sind, sondern daran, dass man es einem Mdt. ohne RSV kaum erklären kann, dass er wegen 125,00 € Wertminderung einen Prozess nebst Sachverständigenvorschuss, mithin 2.105,00 € vorfinanzieren muss. Leider!

    Gegen die R+V haben wir aber grade eine Sache wegen ner Wertminderung, Abzug 900,00 €, am Laufen. Dieses Urteil wird in jedem Fall an die Redaktion gehen!

    Es muss doch ein „Schlag“ in den Berufsstand aller SV sein, wenn die vorgerichtlichen Gutachten immer angezweifelt werden, oder nicht?

  7. WOSA sagt:

    Freie Sachverständige sollten mehr und mehr ihren Kunden anbieten, für Kürzungen zur Verfügung zu stehen. Sie sollte diese Stellungnahme mit großer Sorgfalt erstellen und die aufgewandte Zeit von dritter Seite stoppen zu lassen und dann der gegnerischen Versicherung in Rechnung stellen. Nur eine Zunahme der Gegenmaßnahmen gegen Versicherungskürzungen kann das Blatt wenden. Denn für Versicherungen sind verlorene Prozesse in Wahrheit keine Blamage mehr.

  8. Zwilling sagt:

    @ WOSA

    Was nützt mir als SV das schreiben von Stellungnahmen, wenn die RA´s diese zwar weitergeben, aber die Rechnung der Stellungnahme zurückbehalten?
    Z.Zt schreibe ich mir die Finger an Stellungnahmen wund (tlw. wegen Dummheit der VS), aber auch immer mehr Aussführungen aus Rechlicher Sicht müssen mit einfliessen. Da macht der SV die Hausaufgaben für den RA, indem er Urteile raussucht und beifügt, erläutert und sonsige Aufwendungen treibt. Da fährt der SV auch schon mal zu einem „Referenzbetrieb“ um den Preisaushang der Stundenverrechnungssätze und die technischen Unterlagen zu prüfen (da ja angeblich gleichwertig gearbeitet wird).
    Wofür ?
    In den letzen beiden Jahren ist nicht eine Stellungnahme vergütet worden !

  9. Vaumann sagt:

    @ Zwilling
    deine Kunden brauchen einen anderen Anwalt?

  10. Bösewicht sagt:

    @Zwilling

    Dann sollte man den Kunden einen fähigen Anwalt vermitteln (von denen es zugegebenermaßen nicht sehr viele gibt). Aktuell läuft das hier sehr gut – allerdings gibt es immer wieder ein paar Schlaumeier, die ihren eigenen Anwalt benutzen wollen (der war bei meiner Scheidung auch gut usw.). Dort gibt es dann von mir im Anschreiben den Hinweis, dass Stellungnahmen mit einer Kostennote verbunden sind. Mache mir da keinen Streß mehr … wer nicht will, der hat schon …

  11. DerHukflüsterer sagt:

    @ Zwilling
    „In den letzen beiden Jahren ist nicht eine Stellungnahme vergütet worden !“

    Fragen Sie mal die Anwälte, wo das Geld hingekommen ist, welches Ihnen zusteht.

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