Wochenendserie zum Ersten: AG Leipzig verurteilt Allianz Versicherung AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 16.9.2015 – 113 C 2269/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

weil die bisherigen Wochenendreihen mit Urteilen eines Amtsgerichtes bisher eine gute Resonanz hervorgebracht haben, haben wir uns entschlossen, diese Reihe fortzusetzen und an diesem Wochende fünf Urteile des Amtsgerichts Leipzig hier zu veröffentlichen, praktisch als „Leipziger Allerlei“. Vielleicht habt Ihr Spaß an der Leipziger Reihe. Wir beginnen heute mit einem Urteil zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Allianz Versicherung AG. In diesem ersten Urteil hat das erkennende Gericht zutreffend auf die beiden Grundsatzentscheidungen des BGH, nämlich VI ZR 67/06 und VI ZR 225/13 hingewiesen. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 113 C 2269/15

Verkündet am: 16.09.2015

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

– Klägerin

gegen

Allianz Versicherungs-AG, An den Treptowers 3,12435 Berlin,  v.d.d. Vorstand

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richter am Amtsgericht K.
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2015  und dem nachgelassenen Schriftsatz am 16.09.2015

für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 118,24 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 23.05.2014 sowie 3,00 EUR vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird festgesetzt auf 118,24 EUR.

Tatbestand

Gemäß § 313a ZPO wird auf die Darstellung des Tatbestandes verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Schadensersatz aus abgetretenem Recht gemäß § 115 VVG.

Die 100-prozentige Einstandspflicht der Beklagten für Unfallschäden aus dem Verkehrsunfallereignis vom 20.01.2014 ist unstreitig.

Es dürfte unstreitig sein, dass es sich bei den Kosten des Sachverständigengutachtens um Kosten handelt, die im Rahmen einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind.

Vorliegend wurde nicht gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB verstoßen. Selbst wenn man von der Schadenhöhe, die die Beklagtenseite berechnet und die 1.128,90 EUR brutto beträgt, ausgeht, kann nicht mehr von einem „Bagatellschaden“ ausgegangen werden. Selbst der Nettowert von 948,66 EUR liegt über dem Betrag, den die Beklagtenseite als untere Beträge für einen Bagatellschaden angibt.

Zu erstatten sind die Kosten, die ein verständig, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbeseitigung ansehen darf; dabei ist auf seine spezielle Situation und seine Erkenntnismöglichkeit Rücksicht zu nehmen (vgl. BGH, Urt. v. 23.01.2007, Az.: VI ZR 67/06).
Entscheidend für die schadensrechtliche Betrachtung nach § 249 BGB ist nur, ob die an den Sachverständingen zu zahlenden Kosten den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand angemessen repräsentieren.
Die Beklagte macht geltend, dass der Aulwand für die Erstellung des Gutachtens in Höhe der eingeklagten Differenzen nicht als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB angesehen werden kann. Dies betrifft insbesondere nach Auffassung der Beklagten die  geltend gemachten Nebenkosten und dort die Fotokosten und Schreibkosten. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Dresden vom 19.02.2014 vertritt sie die Meinung, dass Nebenkosten generell auf 25 % des Grundhonorars begrenzt sind und sich aus dieser Entscheidung ergebe, dass eine generelle Kappung vorzunehmen sei.
Die Klägerin wendet sich gegen diese Auffassung mit der Begründung, dass die Geschadigte eine vertragliche Vereinbarung mit dem Sachverständigen getroffen habe und selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass das abgerechnete Sachverständigenhonorar überhöht sei, bleibe es bei vollumfänglichen Erstattungsfähigkeit, da ein den Anspruch kürzendes Auswahlverschulden nicht erkennbar vorliege.
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 11.02.2014 (Az.: VI ZR 225/13) zum wiederholten Male dazu ausgeführt: „Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverstandige Honorarsatze für seine Tätigkeit verlangt, die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigt, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverstandigen zu beauftragen.“

Dass der Geschädigten ein Auswahlverschulden bei der Beauftragung des Sachverständigen vorzuwerfen ist, ist weder aus dem Sachverhalt erkennbar, noch durch die Beklagte dargelegt und unter Beweis gestellt. Die Beklagte wäre für die Verletzung der Schadensminderungspflicht beweispflichtig.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Geschädigte, anderes ist nicht bekannt, zum ersten Mal den Unfall erlitten hat, so dass ihr üblicherweise gar nicht bekannt ist, wie viele Sachverständigenbüros es im Raum Leipzig überhaupt gibt und zu welchen Tarifen diese jeweils arbeiten.
Die Geschädigte hat mit dem Sachverständigenbüro eine Honorarvereinbarung getroffen. Das Sachverständigenbüro hat entsprechend der Honorarvereinbarung seine Kosten geltend gemacht.

Als Nebenkosten gesondert abgerechnet werden Fotokosten, Schreib- und Druckkosten, Kosten für Kopien, für weitere Gutachten sowie Versand-/Telefon-/lnternetkosten. Die Beklagte wendet sich insbesondere gegen die Höhe der geltend gemachten Fotokosten und Schreibkosten.
Auch hinsichtlich der geltend gemachten Nebenkosten gilt das oben Dargelegte entsprechend. Selbst wenn man unterstellen wollte, dass überholte Nebenkosten abgerechnet werden, sind jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das für die Geschädigte erkennbar war.

Letztendlich ist davon auszugehen, dass die Geschädigte das im Rahmen zur Wiederherstellung Erforderliche gewahrt hat und somit eine Preiskontrolle weder erforderlich noch zulässig wäre.

Aufgrund der vorgelegten Abtretung der Ansprüche an das Sachverständigenbüro ist die Beklagte zur Zahlung an das selbige zu verurteilen.

Entsprechend der Entscheidung zur Hauptsache hat die Klägerin auch Anspruch auf Verzugszins und Verzugsschaden gemäß der §§ 280, 286, 288 BGB. Der Höhe nach blieben diese Forderungen unstreitig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO entsprechend dem Unterliegen der Beklagten im Rechtsstreit.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 713 ZPO und die Höhe des Streitwertes gemäß § 3 ZPO aus der Höhe der geltend gemachten Forderung.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu Wochenendserie zum Ersten: AG Leipzig verurteilt Allianz Versicherung AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 16.9.2015 – 113 C 2269/15 -.

  1. virus sagt:

    Ein Kollege hat mir gerade ein Schreiben der Allianz vorgelegt, danach seien doch die Fotokosten in den Schreibkosten enthalten. Ich meine die Allianz bewegt sich mit ihren Schadenskürzungen bereits im Bereich der strafbaren Handlungen. Nachtbesichtigen was das Zeug hält, Urheberrechte und Datenschutzrechte verletzen und dann „rumjammern“, dass die Kosten für die Schadenbegutachtungen um 20 % gestiegen seien. Ihr Damen und Herren der Allianz, wie wäre es mal damit, zunächst im eigenen Laden aufräumen, ControExpert und Eucon-Verträge kündigen (sonst können wir uns vor Hubschraubern nachher nicht mehr retten), Schadensersatzansprüche nach AKB in der Regel ungekürzt regulieren und somit Rechtsverfolgungs– und Gerichtskosten sparen. Dann braucht ihr auch nicht mehr jedes Jahr die Kfz-Versicherungsprämien erhöhen. Aber Gier raubt bekanntlich Verstand und mit dem Kundenvertrauen hat es sich sowieso ein für allemal. Siehe Frontal 21 vom 19.01.2015

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