AG Bochum spricht Fachwerkstattlöhne auch bei fiktiver Schadensabrechnung zu (42 C 407/06 vom 13.12.2006)

In einem Rechtstreit gegen die DEVK Allgemeine Versicherungs AG hat das Amtsgericht Bochum durch den Richter der 42. Zivilabteilung dem Kläger die im Schadensgutachten aufgeführten Fachwerkstattlöhne zugesprochen, quasi im Vorgriff auf das VW-Urteil des BGH vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09 -. Das Amtsgericht Bochum hat mit Urteil vom 13.12.2006 – 42 C 407/06 – die DEVK verurteilt, an den Kläger 876,66 Euro nebst Zinsen zu zahlen sowie den Kläger von den Rechtsanwaltskosten der RAe… in Höhe von 58,81 Euro freizustellen. Die Kosten des Rechtsstreites werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz aus dem Unfall vom 24.4.2006 in Bochum, für den die Beklagte dem Grunde nach unstreitig zu 100% haftet. Der Kläger meint, die Beklagte habe ihm fiktiven Schadensersatz gemäß dem Gutachten des Sachverständigen L., das auf den Preisen der Firma … beruht, zu leisten.

Wegen der Ablehnung des geforderten Betrages sie die anwaltliche Geltendmachung erforderlich gewesen, weshalb Freistellung von den Gebühren anteilmäßig verlangt werden könne. Der Kläger beantragt, die Verurteilung zur Zahlung von 888,68 Euro, ansonsten wie entschieden. Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Sie meint, dass dem Kläger über den außergerichtlich regulierten Schadensbetrag weiter kein Schadensersatzanspruch mehr zustehe. Der Schaden sei vollumfänglich reguliert. Sie habe die preisgünszigere Werkstatt Opel F. in Bochum zugrunde gelegt. Dies müsse sich der Kläger im Rahmen der Schadensgeringhaltungspflicht gegen sich gelten lassen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist im wesentlichen begründet.

Bis auf die Kosten der Wagenwäsche in Höhe von 12,– Euro kann der Kläger die vom Sachverständigen L. ermittelten Reparaturkosten ersetzt verlangen, ohne gegen die Schadensgeringhaltungspflicht zu verstoßen.

Nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist der Geschädigte berechtigt, seinen erlittenenen Schaden durch ein Sachverständigengutachten ermitteln zu lassen, das auf den Preisen einer markengebundenen Fachwerkstatt beruht, ohne sich darauf verweisen lassen zu müssen, dass die Obergrenze hierfür bei fiktiver Schadensabrechnung der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region als statistische ermittelte Rechengröße sei, denn der BGH hat in seiner Entscheidung vom 29.4.2003 ( BGHZ 155, 1 – sog. Porsche-Urteil ) ausgeführt (Leitsatz): “ Der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, darf der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region repräsentiert als statistisch ermittelte Rechengröße nicht den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag“.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtes, die mit der obergerichtlichen Rspr. in Einklang steht, ist der Geschädigte zwar gehalten, unter dem Gesichtspunkt der Schadensgeringhaltungspflicht im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, wenn er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Beklagten kann dem Kläger nicht der Vorwurf der Verletzung der Schadensgeringhaltungspflicht gemacht werden, denn wenn schon nicht der abstrahte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region Maßstab der Schadensermittlung bei fiktiver Schadensabrechnung sein kann, können dies erst recht nicht die Stundenverrechnungssätze einer einzelnen markengebundenen Fachwerkstatt sein, mit der die Beklagte zudem noch, wie von der Klägerseite unwidersprochen vorgetragen wurde, einen so genannten „Partnervertrag“ unterhält.

Die Beklagte übersieht bei ihrer Argumentation, dass der Geschädigte im allgemeinen seiner Verpflichtung zur Schadensgeringhaltung dadurch genügt, wenn er den Schaden auf der Grundlage eines eingeholten Sachverständigengutachtens berechnen läßt und dass bei der Prüfung, ob sich der Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen hält, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist. Es ist Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Es darf z.B. einem Geschädigten nicht verwehrt werden, auf der Grundlage eines Gutachtens oder Kostenvoranschlages seiner Markenwerkstatt, in der er schon immer Kunde war, abzurechnen.

Der erforderliche Reparaturaufwand ist durch das Gutachten des Sachverständigen L. nachgewiesen. Die Beklagte hat nicht bestritten, dass die vom Sachverständigen L. angesetzten Stundenverrechnungssätze bei einer Reparatur in der Opel-Vertragswerkstatt … tatsächlich anfallen. Die Beklagte hat auch keine gravierenden Mängel des Sachverständigengutachtens gerügt. Die Beklagte war daher, wie entschieden, zu verurteilen.

Mit diesem Urteil aus dem Jahre 2006 hat der Bochumer Amtsrichter bereits Gesichtspunkte angeführt, die der BGH mit dem VW-Urteil ebenfalls ins Felde führt. Die gilt insbesondere für die Unzumutbarkeit der Reparatur in einer von der Beklagten benannten Referenzwerkstatt, mit der sie durch Partnervertrag verbunden ist. Dies war hier bei der Firma Opel F. in Bochum der Fall.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

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