AG Neubrandenburg wertet die Sachverständigenkosten auch nach § 249 I BGB und verurteilt die HUK-COBURG Allg. Vers. AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 26.9.2016 – 103 C 494/16 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

zum heutigen Sonntag veröffentlichen wir für Euch hier ein Urteil des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 26.9.2016. Geklagt hat der Sachverständige aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG, weil diese vorgerichtlich nicht in der Lage war, den von ihrem Versicherungsnehmer verursachten Schaden – trotz einhundertprozentiger Haftung – vollständig zu regulieren. Der Restschadensbetrag in Form der restlichen Sachverständigenkosten – auch wenn sie abgetreten waren, bleiben sie eine Schadensposition – war Gegenstand des Rechtsstreites. Zu Recht behandelt das erkennende Gericht, ebenso wie bereits das AG Idstein und andere, die nach einem Verkehrsunfall in Auftrag gegebenen Sachverständigenkosten nach § 249 I BGB, wie es das bereits der BGH mit dem Grundsatzurteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (= BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 = ZfS 2007, 560 = VersR 2007, 560) entschieden hat. Die Sachverständigenkosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH aaO.). Das ist schon einmal erfreulich, dass die „bösen Zungen“, die behauptet hatten, dass das AG Idstein alleine mit seiner Rechtsprechung zu § 249 I BGB bleiben wird, nicht Recht behalten. Nach meiner Kenntnis ist das bereits zum dritten Mal jetzt so nach dem AG Idstein entschieden worden. Insoweit ist das Urteil auch im Ergebnis positiv. Allerdings verbleibt ein Wermutstropfen. Das erkennende Gericht wendet die Grundsätze des JVEG an. Dabei hat der BGH in seinem Grundsatzurteil zu den Sachverständigenkosten im Rechtsstreit gegen die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung bereits entschieden, dass die vom damaligen Berufungsgericht Frankfurt / Oder vorgenommene Übertragung der Grundsätze des JVEG für die Vergütung gerichtlich bestellter Sachverständiger auf Privatgutachter nicht angebracht ist (BGH VI ZR 67/06 -). Dies wurde mit den unterschiedlichen Haftungsgrundlagen der Sachverständigen und den unterschiedlichen Rechtsverhältnissen zu den Sachverständigen begründet. Gleichwohl wendet das erkennende AG Neubrandenburg in diesem Fall das JVEG an. Zur Erinnerung zitiere ich:

„JVEG
§ 1 Geltungsbereich und Anspruchsberechtigte
(1) Dieses Gesetz regelt

1.
die Vergütung der Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer, die von dem Gericht, der Staatsanwaltschaft, der Finanzbehörde in den Fällen, in denen diese das Ermittlungsverfahren selbstständig durchführt, der Verwaltungsbehörde im Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten oder dem Gerichtsvollzieher herangezogen werden;“

Schon erst recht geht nicht, dass Einzelposten der Sachverständigenkostenrechnung im Rahmen der Schadenshöhenschätzung am JVEG gemessen werden. Entscheidend ist nur der Gesamtbetrag, denn es handelt sich um eine Schätzung der Schadenshöhe, nicht einelner Posten. Gerade im Grundsatzurteil VI ZR 67/06 hat der BGB eine Preiskontrolle untersagt (vgl dazu auch: v. Ullenboom NJW 2017, 849, 852 Fußn. 45). Insoweit ist das Urteil des AG Neubrandenburg leider nur im Ergebnis richtig. Lest aber selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab. 

Viele Grüße und noch einen schönen sonnigen Sonntag
Willi Wacker

Aktenzeichen
103 C 494/16

Amtsgericht Neubrandenburg

Im Namen des Volkes

Urteil

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand, Bahnhofsplatz 1, 96442 Coburg

– Beklagte –

hat das Amtsgericht Neubrandenburg durch die Richterin am Amtsgericht Dr. A. am 26.09.2016 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber dem Sachverständigen … von der Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 65,28 EUR zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2016 freizustellen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.        Der Streitwert wird auf 65,28 EUR festgesetzt.

Das Urteil bedarf gemäß § 313a ZPO keines Tatbestandes.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat nach den §§ 823, 249 BGB, §§ 7, 17 StVK, § 115 VVG Anspruch auf Freistellung in Höhe der noch offenen Sachverständigenrechnungen von 65,28 EUR. Der Kläger hat seinen Schadensersatzanspruch an den Sachverständigen erfüllungshalber abgetreten.

Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeuges gehören zu den mit den Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB (Hervorhebung durch Autor!) auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig war. Dies ist hier der Fall. Die Beklagte hat nach Vorlage des Gutachtens den Fahrzeugschaden in der Höhe, in der der Gutachter diesen festgestellt hat, ausgeglichen.

Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung der restlichen Sachverständigengebühren (gemeint sind wohl: -kosten, Anm. des Autors!). Zwar obliegt dem Geschädigten im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes grundsätzlich eine gewisse Plausibilliätskontrolle der vom Sachverständigen berechneten Preise. Auch nach dieser Plausibilitätskontrolle ist die Vergütungsrechnung des Sachverständigen nicht zu beanstanden. Der Sachverständige befindet sich mit seinem Grundhonorar im Rahmen der BVSK Befragung vorgegebenen Korridor. Im Gegensatz zur Rechtsanwaltsvergütung gibt es keinen Rechtssatz das Sachverständige grundsätzlich eine Mittelgebühr zu berechnen haben. Der Geschädigte ist weiter nicht verpflichtet, zugunsten des Schädigers den absolut preiswertesten Sachverständigen zu ermitteln. Daher ist er auch nicht verpflichtet zu ermitteln, welcher Sachverständige die wenigsten Fahrtkilometer in Rechnung stellen, die wenigstens Fotos machen und welcher Sachverständige die wenigstens Seiten schreiben würde. Dabei ist zu Bedenken, dass der Geschädigte in der Regel nichts dafür kann, dass sein Auto beschädigt wurde.

Ausgehend davon, dass der Kläger als Geschädigte nicht verpflichtet ist im Interesse der Beklagten den billigsten Sachverständigen herauszusuchen, sondern nur zu einer Plausibiliätskontrolle der im in Rechnung gestellten Beträge verpflichtet ist, sind die hier vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Beträge nicht zu beanstanden. Die vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten für die Fotos entsprechen denen, die nach § 12 JVEG berechnet werden dürften. Danach sind 2,00 EUR pro Foto und 50 Cent für jeden weiteren Ausdruck des Fotos zu erstatten. Es wurden hier unstreitig 8 Fotos erstellt, sodass für diese nach JVEG 16,00 EUR zu erstatten wären. Für den zweiten Fotosatz wären nach dem JVEG dementsprechend 4,00 EUR zu erstatten, sodass auch danach 20,00 EUR zu erstatten wären.

Das Gutachten wurde bei Gericht nicht eingereicht. Die Anzahl der Anschläge wurden nicht vorgetragen. Ausgehend von den anwaltlichen Schriftsätzen dürfte eine Seite mehr als 1000 Anschläge haben. Pro angefangene 1000 Anschläge können nach dem JVEG 0,90 Cent berechnet werden. Bei 22 Seiten würden nach JVEG pro Seite 1,80 EUR anfallen, sodass bei einer Abrechnung nach dem JVEG ein deutlich höher Betrag als der vom Sachverständigen in Rechnung gestellten 25,00 EUR anfallen würden. Die Pauschale für Telefon und Versand ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Der Streitwert bestimmt nach § 48 GKG.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu AG Neubrandenburg wertet die Sachverständigenkosten auch nach § 249 I BGB und verurteilt die HUK-COBURG Allg. Vers. AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 26.9.2016 – 103 C 494/16 -.

  1. RA. Niederrhein sagt:

    Herr RA. Schepers, da waren Sie aber mit Ihrer Prognose in Ihrem Kommentar vom 16.3.2017 at 15:43 falsch beraten. Sie hatten die Prognose gewagt, dass die Entscheidung des AG Idstein alleine bleiben wird. Jetzt hat mit dem AG Neubrandenburg ein weiteres Gericht die Sachverständigenkosten über § 249 Abs. 1 BGB gelöst.
    Na ja: Irren ist männlich! Nehmen Sie es nicht so tragisch. Das Richtige setzt sich eben durch, auch wenn es länger dauert.

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