LG Kiel verurteilt in der Berufung die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (7 S 64/11 vom 08.12.2011)

Mit Datum vom 08.12.2011 (7 S 64/11) hat das Landgericht Kiel die Berufung der beteiligten Versicherung gegen das erstinstanzliche Urteil des AG Kiel vom 01.06.2011 (115 C 319/10) nahezu in Gänze zurück gewiesen und diese zur Zahlung von weiteren 952,59 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtichen RA-Kosten verurteilt. Das Gericht kann an der Entscheidung des AG Kiel, dass als Schätzungsgrundlage die Schwacke-Liste heranzieht, nichts Böses finden.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nur geringen Erfolg. Die zulässige Anschlussberufung des Klägers ist demgegenüber in vollem Umfang begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 1.943,96 €. Dabei ist das Amtsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass der von dem Kläger aufgewendete Betrag von 2.004, 08 € den regional erforderlichen Normaltarif nicht übersteigt. Dass das Amtsgericht diesen Normaltarif unter Heranziehung der Schwacke-Liste 2010 geschätzt hat (§ 287 ZPO), ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Beklagten war das Amtsgericht nicht verpflichtet, sich näher damit auseinanderzusetzen, ob die Schwacke-Liste 2010 auch im vorliegenden Fall als Grundlage der Schadensschätzung geeignet ist.

Zwar bedarf die Eignung einer zur Schadensschätzung herangezogenen Liste dann – aber auch nur dann – der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH BeckRS 2011, 11776). Dies hat die Beklagte hier aber nicht getan. So hat die Beklagte lediglich ein einziges Angebot benannt, das nach ihrer Behauptung nicht nur wesentlich günstiger, sondern auch vergleichbar gewesen sein soll. Da es sich bei dem der Schätzung zugrunde gelegten Wert aus der Schwacke-Liste 2010 aber um einen Mittelwert handelt, der sich aus dem Durchschnitt sämtlicher eingeholten Angebote zusammensetzt, begründet der Umstand allein, dass es ein einziges günstigeres Angebot gegeben hätte, noch keinen Zweifel an der Eignung der Liste im konkreten Fall. Wie der Schwacke-Liste 2010 vielmehr zu entnehmen ist, sind bei der Ermittlung des Mittelwerts auch Angebote eingeflossen, die deutlich unter dem errechneten Mittelwert liegen, wobei das aus dem jeweiligen „Minimum“ errechnete günstigste Angebot mit insgesamt 764, 90 € (6175,86 € zzgl. 95,- € Vollkaskoversicherung) in einer ähnlichen Größenordnung wie das von der Beklagten behauptete Vergleichsangebot (675,16 €) liegt. Hinzu kommt, dass das von der Beklagten behauptete Angebot auch nicht ohne weiteres vergleichbar ist, weil es lediglich eine Haftungsreduzierung mit Selbstbeteiligung, nicht aber eine der Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung entsprechende Haftungsfreistellung vorsieht, die bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs durch den Geschädigten grundsätzlich ersatzfähig ist (OLG Köln, Schaden-Praxis 2008, 218 ff.). Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte nicht hinreichend aufgezeigt, dass sich die von ihr behaupteten Mängel der Schwacke-Liste 2010 vorliegend in erheblichem Umfang auswirken.

Zu Recht beanstandet die Beklagte allerdings, dass das Amtsgericht keinen Abzug für ersparte Eigenkosten vorgenommen hat. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich ein Kfz-Halter, der für die entgangene Nutzung seines beschädigten Fahrzeugs Erstattung der ihm entstandenen Mietwagenkosten fordert, grundsätzlich im Wege der Vorteilsausgleichung einen Betrag für ersparte Eigenkosten anrechnen lassen muss (BGH NJW1963,1399 f.; Palandt-Grüneberg, 71. Aufl. § 249 Rz. 36). Dass der Kläger während der Mietdauer von insgesamt 18 Tagen lediglich einen Fahrstrecke von knapp 400 km zurückgelegt hat, steht einem Abzug nicht entgegen. Auch bei einer geringen Fahrleistung entfallen gewisse – rechnerisch aufzuschlüsselnde – Betriebskosten (etwa anteilige Kosten für Öl- und Schmierstoffe, Bereifung und Reparatur- und Inspektionsanteile), die dem Geschädigten bei Benutzung des eigenen Fahrzeugs entstanden wären, so dass ein vollständiger Verzicht auf eine Anrechnung nach Auffassung der Kammer nicht gerechtfertigt wäre (vgl. LG Köln RuS 1977, 39; a.A OLG Zweibrücken, Urteil vom 02.05.2007, Az. 1 U 28/07). Die verhältnismäßig geringe Fahrstrecke ist aber im Rahmen der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung der Eigenersparnis des Klägers zu berücksichtigen, so dass nach Auffassung der Kammer vorliegend ein Abzug in Höhe von 3 % der Mietwagenkosten (60,12 €) angemessen, aber auch ausreichend ist. Unter Berücksichtigung der bereits vorgerichtlich gezahlten 991,27 € stehen dem Kläger daher noch weitere Mietwagenkosten in Höhe von 962,59 € (2004,08 € – 60,12 € – 991,27 €) zu.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann der Kläger darüber hinaus nach § 249 BGB auch Ersatz der restlichen vorprozessual aufgewendeten Rechtsanwaltskosten (61,88 €) verlangen. Zwar war der Kläger im Zeitpunkt der Mandatserteilung nicht Inhaber der die Mietwagenkosten betreffenden Schadenssersatzforderung, sondern hatte diese zur Sicherung an die Mietwagenfirma abgetreten. Gleichwohl war die Beauftragung eines Rechtsanwalts aus objektiver Sicht des Klägers auch insoweit erforderlich und zweckmäßig. Nach der Abtretungsvereinbarung vom xx.xx.xxxx war der Kläger nämlich trotz der Sicherungsabtretung verpflichtet, sich selbst um die Schadensregulierung zu kümmern und die Forderung der Mietwagenfirma auszugleichen, sofern diese nicht innerhalb von 3 Monaten vollständig reguliert wird.

Zinsen in geltend gemachter Höhe stehen dem Kläger unter Verzugsgesichtspunkten (§§ 286, 288 BGB) bzw. als Prozesszinsen (§ 291 ZPO) zu

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Voilstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr 10, 713JZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO. Dies gilt auch für die Frage der Geeignetheit der zur Schätzung des Normaltarifs herangezogenen Schwacke-Liste. Die Kammer folgt insoweit ausdrücklich der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Ob mit konkreten Tatsachen aufgezeigt worden ist, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken, ist keine Rechts- sondern eine Tatsachenfrage, die anhand der jeweiligen Sachlage im Einzelfall zu beurteilen ist.

Soweit das LG Kiel.

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