AG Köln verurteilt Württembergische Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (274 C 48/12 vom 06.07.2012)

Mit Datum vom 06.07.2012 (274 C 48/12) hat das Amtsgericht Köln die  Württembergische Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 322,99 € zzgl. Zinsen verurteilt, lehnt jedoch mit bedenklicher Begründung die Pflicht der Versicherung zur Erstattung vorgerichtlicher RA-Kosten ab. Das AG Köln ist nach wie vor der – richtigen – Auffassung, dass die Schwacke-Liste der korrekte Maßstab für die Schätzung der Mietwagenkosten im Normaltarif ist.

Die Klage ist überwiegend begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte, die aus dem Verkehrsunfallgeschehen unstreitig dem Grunde nach haftet, einen Anspruch auf Erstattung von Restmietwagenkosten basierend auf dem Schwacke-Automietpreisspiegel (AMS) 2009 in Höhe von 322,99 € gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 823, 249, 398 BGB.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten darf, wobei er nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit gehalten ist, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (BGH, NJW 2009, 58). Den Maßstab für die wirtschaftliche Erforderlichkeit des gewählten Mietwagentarifs bildet dabei der am Markt übliche Normaltarif. Diesen kann der Tatrichter in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter Anwendung des § 287 ZPO grundsätzlich auf der Grundlage des gewichteten Mittels (Modus) bzw. des arithmetischen Mittels des Schwacke-AMS im maßgebenden Postleitzahlengebiet ermitteln (vgl. etwa BGH, NZV2011, 43 m.w.N.). Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH, a.a.O.).

Derartige konkrete Tatsachen trägt die Beklagte nicht vor. Ihre Ausführungen erschöpfen sich teilweise (S. 4 d. Schriftsatzes v. 25.04.2012) in allgemeinen Angriffen gegen die Schätzungsgrundlage und die angewandte Erhebungsmethodik des Schwacke-AMS sowie in einer Erläuterung der Vorzüge des Fraunhofer Marktpreisspiegel Mietwagen. Eine konkrete Auswirkung auf den zu entscheidenden Fall ist nicht erkennbar.

Auch das von der Beklagten vorgelegte Internetangebot („Screenshot“), mit dem sich das Gericht entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auseinanderzusetzen hat (vgl. BGH, Urt. v. 22.02.2011, Az.: VI ZR 353/09; Urt. v. 18.05.2010, Az.: VI ZR 293/08), gibt keine Veranlassung von der Schätzung nach dem Schwacke-AMS abzurücken. Die Beklagte hat mit dem vorgelegten Internetangebot nicht hinreichend konkret dargetan, dass die Anmietung eines Mietfahrzeugs bei der Fa. Avis zu wesentlich günstigeren Preisen möglich war und der im Schwacke-AMS ausgewiesene Tarif deshalb überhöht ist.

Bereits eine Vergleichbarkeit dieses Angebots mit der im hiesigen Fall vorliegenden Anmietsituation ist nicht gegeben. Der von der Beklagten vorgetragene Mietbeginn vom 25.04.2012 betrifft einen anderen als den tatsächlichen Mietzeitraum. Soweit die Beklagte behauptet, die von ihr recherchierten Preise seien auch zum hier streitgegenständlichen Unfallzeitpunkt unter den vorliegend gegebenen Umständen zugänglich gewesen, so stellt sich die insoweit beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens als unzulässiger Ausforschungsbeweis dar. Das Angebot lässt zudem nicht erkennen, ob Vorbuchungsfristen einzuhalten sind (vgl. LG Köln, Urt. v. 28.02.2012, Az.: 11 S 253/11) und folglich auch nicht, ob eine unmittelbare Verfügbarkeit des Mietwagens, wie üblicherweise im Anschluss an eine Unfallsituation erforderlich, bei der Anmietung über das Internet gewährleistet ist. Auch fehlt in den Angeboten die Angabe etwaiger Nebenkosten, wie etwa die Kosten einer Zustellung und Abholung des Mietwagens oder der Höhe einer evtl. Selbstbeteiligung des Mieters im Schadensfalle (vgl. LG Köln a.a.O.). Weiterhin ist zu beachten, dass die Anmietung eines Fahrzeugs zu den im Internet angebotenen Preisen oft nur möglich ist, wenn auch unmittelbar über das Internet gebucht wird (vgl. LG Köln a.a.O.).

Das vorgelegte Angebot repräsentiert schließlich nicht den regionalen Markt, sondern nur einen Sondermarkt, der sich nicht ohne weiteres mit dem regionalen Mietwagenmarkt vergleichen lässt (BGH, Urt. v. 02.02.2010, VI ZR 7/09, Rz. 21, zit. n. juris; LG Köln, a.a.O.). Internetangebote sind nur demjenigen zugänglich, der eine Zugangsmöglichkeit zum Internet besitzt. Eine solche steht keinesfalls jedem zur Verfügung, insbesondere nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Unfallsituation, aus der heraus eine Anmietung erforderlich wird. Dass der ausgewiesene Preis auch bei Anmietung an einer Station der Unternehmen Gültigkeit besäße, hat die Beklagte nicht dargelegt, z.B. durch die Vorlage von Preislisten.

Grundsätzlich stellt der sich aus dem Schwacke-AMS ergebende Normaltarif die Höchstgrenze dar, die ein Geschädigter aufgrund einer unfallbedingten Anmietung als erforderlich ersetzt verlangen kann. Die Klägerin kann daher einen den Normaltarif übersteigenden Betrag von der Beklagten nur dann ersetzt verlangen, wenn im jeweiligen Schadensfall objektiv besondere Umstände vorliegen, die mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis (den sog. Unfallersatztarif) rechtfertigen würden. Dabei ist darauf abzustellen, ob spezifische, in der Situation der Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs regelmäßig anfallende Mehrleistungen beim KFZ-Vermieter aus betriebswirtschaftlicher Sicht allgemein einen (pauschalen) Aufschlag rechtfertigen (BGH NJW 2008, 2910, OLG Köln, Urt. v. 14.6.2011, 15 U 9/11; Urt. v. 13.10.2009, 15 U 49/09, jew. zit. n. juris). Das setzt voraus, dass die Anmietung eines Fahrzeugs gerade in einer typischen Situation der „Unfallersatzanmietung“ geschieht, da nur dann ein kausaler Zusammenhang zwischen einerseits der Anmietung des jeweiligen Fahrzeugs und andererseits dem gerade mit Blick auf die Situation der Unfallersatzanmietung typischerweise anfallenden und pauschal kalkulierten Zusatzaufwand besteht. Allein der Umstand, dass noch am Schadenstag oder einen Tag später ein Unfallersatzfahrzeug von dem Zedenten angemietet wurde, lässt nicht darauf schließen, dass ihm die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für sein unfallbeschädigtes Fahrzeug zum „Normaltarif“ nicht zu zumutbaren Bedingungen zugänglich war (OLG Köln a.a.O.). Dass die Anmietung im konkreten Fall durch die Besonderheit der Unfallsituation geprägt war, lässt sich nicht erkennen. Die Klägerin hat zur Frage, warum es der Geschädigten in der konkreten Unfallsituation nicht zuzumuten war, zum Normaltarif anzumieten, nichts Entscheidungserhebliches vorgetragen. Im Gegenteil: Da sich der Unfall bereits am Freitag, dem 05.05.2009 zutrug, die Reparatur aber erst am 08.05.2009 begann, wäre es der geschädigten Zedentin ohne weiteres möglich gewesen, sich nach einem Mietfahrzeug zum Normaltarif zu erkundigen. Dies hat sie unterlassen. Der weitere Vortrag der Klägerin beschränkt sich darauf, darzulegen, warum ein Unfallersatztarif – durch Aufschlag von 25% auf den Normaltarif – angeboten wird und welche Zusatzleistungen dabei erbracht werden. Warum die Geschädigte nur zum Unfallersatztarif mit den von der Klägerin erbrachten Mehrleistungen, wie z.B. keinemPrüfung der Bonität, Vorfinanzierung des Mietzinses, anmieten konnte, und nicht zum Normaltarif, ist nicht ersichtlich (so im Ergebnis auch OLG Köln a.a.O.).

Die Kosten für die abgeschlossene Vollkaskoversicherung sind entgegen der Auffassung der Beklagten erstattungsfähig. Unabhängig davon, ob das bei dem Verkehrsunfall beschädigte Fahrzeug ebenfalls voll- oder teilkaskoversichert war, besteht jedenfalls grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse der Kunden, für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit höherwertiger sind als die beschädigten Fahrzeuge. In dem hier einschlägigen Schwacke-AMS 2009 (Anmietzeit-raum) sind – im Unterschied zum Schwacke-AMS 2011 -die Kosten einer Haftungsreduzierung nicht eingepreist und folglich gesondert zu berechnen.

Die Kosten für Abholung und Zustellung des Mietwagens sind nicht ersatzfähig. Die Erforderlichkeit dieser Schadensposition i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB ist nicht ersichtlich. Es fehlt konkreter Vortrag der Klägerin zum jeweiligen Ort der Zustellung und Abholung. Allein die pauschale Geltendmachung dieser Abrechnungsposition reicht nicht aus.

Die Klägerin muss sich auch ersparte Eigenaufwendungen anrechnen lassen, da die geschädigte Zedentin ihr eigenes Fahrzeug während der Anmietzeit nicht genutzt hat und dieses somit keinem Verschleiß unterworfen war. Nur wenn – was hier nicht der Fall ist (s. sogleich) ein klassenkleineres Fahrzeug angemietet worden ist, ist dieser Abzug nicht vorzunehmen, da bereits eine niedrige Grundmiete anfällt.

Nach diesen Gesichtspunkten ergibt sich entsprechend des Schwacke-AMS 2009 im Postleitzahlengebiet 471 (Anmietort) folgende Abrechnung (jeweils incl. MwSt.):

Bei dem verunfallten Fahrzeug handelt es sich um einen VW Caddy, angemietet wurde für 6 Tage ein VW Golf Kombi 1,4 Trendline. Beide Fahrzeuge sind unbestritten in die Mietwagengruppe 4 einzuordnen.

1. Normaltarif (2×3-Tagespauschale, Modus)                  540,— €
2. abzgl. ersparte Aufwendungen 10%                          – 54,— €
3. Haftungsreduzierung (3-Tagespauschale. Modus)       132,— €

Erforderliche Mietwagenkosten i.S.d. § 249 BGB             618,— €

Abzgl. Zahlung der Beklagten                                        295,01 €

Rest:                                                                              322,99 €

Der Klägerin stehen indes keine vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Schadensersatz zu. Die Ersatzpflicht setzt voraus, dass die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war. Dies trifft in einfach gelagerten Fällen nur zu, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt ist oder die Schadensregulierung verzögert wird. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalles aus der Sicht des Geschädigten darstellt. Die Klägerin als Mietwagenunternehmen war nicht gehalten, vorprozessual anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die aktuelle Rechtsprechung zur Höhe der Mietwagenkosten und deren Berechnung muss der Klägerin in ihren Grundzügen bekannt gewesen sein. Der Umstand, dass die Beklagte bereits eine Teilzahlung geleistet und weitere Zahlungen abgelehnt hatte, musste Veranlassung geben, sogleich einen unbedingten Klageauftrag zu erteilen. Die Zusatzkosten wären im Rahmen der Schadensminderungspflicht vermeidbar gewesen. Die Beklagte haftet für diese Kosten nicht.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO. Im Hinblick auf die Abweisung der vorgerichtlichen Anwaltskosten, die ausgehend von einem fiktiven Streitwert gebildet aus Hauptforderung und Nebenforderungen einen Anteil von mehr als 10% dieses Streitwerts ausmachen, waren die Kosten des Rechtsstreits gerechnet hiernach unter Berücksichtigung der Abweisung – so wie erkannt – zu quoteln (Zöller/Herget, ZPO, 28. Auflage 2010, § 92 Rn. 11).

Soweit das AG Köln.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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