AG Ettlingen verneint die Anwendung des JVEG auf Nebenkosten der Privatgutachter und verurteilt HUK-COBURG Allg. Vers. AG zur Zahlung reslicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 15.5.2015 – 1 C 58/15 -.

Sehr geehrte Captain-HUk-Leserinnen und -Leser,

hier ein positives Urteil aus Ettlingen zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG. Bis auf den üblichen BVSK-Vergleich eine runde Sache, wie wir meinen. Hervorzuheben sind die Ausführungen zur JVEG-basierten Überprüfung der Sachverständigen-Nebenkosten. Auch das Amtsgericht Ettlingen weigert sich, der Rechtsprechung des LG Saarbrücken in dem nicht rechtskräftigen Urteil vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 – zu folgen. Zu Recht und mit Recht, wie wir meinen, denn zum ersten steht die BGH-Rechtsprechung aus dem Grundsatzurteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (=BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144) entgegen und zum anderen verbietet sich aus § 1 JVEG eben die Anwendbarkeit des JVEG auf Privatsachverständige; und zwar nicht nur bezüglich des Grundhonorars, sondern auch bezüglich der Nebenkosten. Damit dürfte das LG Saarbrücken im Wesentlichen alleine dastehen, wenn es die einzelnen Nebenkossten am JVEG misst. Auffällig war in dem nachstehend veröffentlichten Urteil des AG Ettlingen, dass das erkennende Gericht anfänglich von „Mietwagenkosten“ sprach, obwohl eindeutig über restliche Sachverständigenkosten zu entscheiden war. Der Lapsus mit den „Mietwagenkosten“ dürfte daher wohl auf das Konto der allgemeinen Textbausteinpraxis zurückzuführen sein. Lest selbst das Urteil aus Ettlingen und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße und noch eine schöne nicht mehr so heiße Woche
Euer Willi Wacker

Aktenzeichen:
1 C 58/15

Amtsgericht Ettlingen

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

HUK Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand Dr. Wolfgang Weiler, Willi-Hussong-Straße 2, 96442 Coburg

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Ettlingen durch den Richter am Amtsgericht M. am 15.05.2015 auf Grund des Sachstands vom 06.05.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:

1.       Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 70,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.02.2014 zu bezahlen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 70,90 € festgesetzt.

Tatbestand

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Die Parteien streiten um den Ersatz von Mietwagenkosten im Anschluss an einen Verkehrsunfall am 14.10.2014 in Ettlingen-Schöllbronn. Streitpunkt ist insbesondere die Erforderlichkeit der Kosten. Die Rechnung wurde noch nicht beglichen.

Die Klägerseite hält die Sachverständigenkosten in der Fassung der Rechnung des Sachverständigen von 544,90 EUR, Anlage As. 13, sämtlich für gerechtfertigt und erstattungsfähig.

Sie beantragt daher

wie erkannt,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger in Höhe 70,90 EUR gegenüber dem Sachverständigen … aus dessen Honorarforderung freizustellen.

Die Beklagte beantragt

Klagabweisung.

Die vom Sachverständigen gestellte Rechnung sei zu hoch. Die enthaltenen Nebenkosten dürften nicht auch noch abgerechnet werden.

Das Gericht hat das schriftliche Verfahren angeordnet und einen Verkundungstermin bestimmt, As. 101.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage führt zum Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung von sämtlichen Sachverständigenkosten in der eingeklagten Höhe gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG.

1. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat daher grundsätzlich gem. § 249 BGB den Geldbetrag zu ersetzen, der zur Herstellung des Zustandes erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde.

Dies umfasst auch die Kosten eines Sachverständigengutachtens, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und damit als Begleitkosten zur Herstellung des Zustandes, der ohne Schädigung bestehen würde, erforderlich sind (BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13). Der Umfang, indem unter anderem Sachverständigenkosten erforderlich sind, richtet sich danach, ob sie Aufwendung darstellen, die ein verständiger, wirtschaftlichdenkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Es besteht insoweit zwar ein Wirtschaftlichkeitsgebot dahingehend, dass im Rahmen des zumutbaren vom Geschädigten von mehreren möglichen Alternativen der wirtschaftlichere Weg der Schadensbeseitigung zu wählen ist, soweit er dessen Kosten beeinflussen kann. Jedoch ist kein Sparen auf Kosten des Schädigers geschuldet (vgl. BGHZ 132, 373).

Dabei ist Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten und seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014 aaO).

Zu einer Markforschung ist der Geschädigte grundsätzlich nicht verpflichtet.

Das Landgericht Hamburg hat hierzu kürzlich ausgeführt, Urteil vom 22.1.2015, Az. 323 S 7/14, BeckRS 2015, 06583:

„Der Geschädigte ist – anders als bei Mietwagenkosten – nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes an Kfz-Sachverständigen verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.  Zum einen gibt es bei Kfz-Sachverständigen – anders als etwa im Mietwagengewerbe – keine allgemein zugänglichen Preislisten, zum anderen orientiert sich das in der Regel geltend gemachte Grundhonorar an der erst noch zu ermittelnden Schadenhöhe,  so dass  vor der Begutachtung ohnehin keine konkreten Angaben zu den tatsächlichen Kosten des Sachverständigengutachtens gemacht werden könnten, die der Geschädigte miteinander vergleichen könnte. Der Schädiger kann daher nur dann den Ausgleich der Sachverständigengebühren in voller Höhe ablehnen, wenn sich dem Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen und Unterzeichnung einer ihm vorgelegten Vergütungsvereinbarung   aufdrängen   muss,   dass   Preis   und   Leistung   in   einem   auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, weil das Entgelt „deutlich erkennbar“ (BGH, NJW 2014, 1947, 1948) bzw. „erkennbar erheblich“ (BGH, NJW 2014, 3151, 3153) über den üblichen Preisen liegt.

Nach Auffassung der Kammer ist bei der Frage, wann von „erkennbar“ überhöhten Preisen auszugehen ist, nicht auf Einzelpositionen wie z. B. Foto-/Fahrtkosten etc. abzustellen, sondern die Überhöhung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, d. h. ausgehend von den zu erwartenden Rechnungsendbeträgen, zu beurteilen, da die Gesamthöhe der Rechnung darüber zu entscheiden hat,  ob ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt. Anderenfalls käme es angesichts der unterschiedlichen Abrechnungsmodalitäten der Kfz-Sachverständigen in denjenigen Fällen zu unbilligen Ergebnissen,  in denen ein geringes, deutlich unterhalb der üblichen Sätze in Ansatz gebrachtes Grundhonorar, dafür aber verhältnismäßig hohe Nebenkosten in Rechnung gestellt werden, ohne dass es insgesamt zu einer Überschreitung der üblichen Vergütung kommt.“

Es hat selbst bei einer Überschreitung des dortigen Honorartableaus um 34 % Prozent im konkreten Fall keine offensichtliche Unangemessenheit angenommen.

Diesen Ausführungen der zitierten Entscheidung schließt sich das Gericht nach eigener Prüfung an.

Daran gemessen erscheinen hier die geltendgemachten Kosten insgesamt erstattungsfähig. Wie von der Klägerseite nachvollziehbar dargelegt, bewegen sich die abgerechneten Werte insgesamt und auch in der Abrechnungweise im Rahmen der BVSK Honorarbefragung 2013. Ob diese Befragung im Sinne einer Höchstgrenze Sachverständigenkosten nach oben begrenzen kann, kann hier offen bleiben. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass Kosten, die sich im Rahmen dieser Befragung halten, für einen Geschädigten nicht erkennbar überhöht sind. Dies ergibt sich schon aus der Kontrollüberlegung, dass selbst ein intensiv recherchierender Geschädigter, der auf diese Honorarbefragung als eine der wesentlichen denkbaren Quellen für Preisvergleiche zurückgreifen würde, nicht hätte erkennen können, dass einzelne Positionen gegebenenfalls auch anders abgerechnet werden könnten. Dies betrifft im Anschluss an die zitierte Rechtsprechun-gauch die von Beklagtenseite insbesondere beanstandeten Fahrt- und sonstigen Nebenkosten.

Eine weitere Beschränkung, zum Beispiel auf die Sätze des JVEG, ist nicht angezeigt. Das JVEG zeichnet sich gerade dadurch aus, dass es im Interesse der Rechtspflege nur für den Bereich des Gerichtsverfahrens eine besondere Pauschalierung und auch Deckelung vom Sachverständigenhonoraren herbeiführen will. Für die Preisgestaltung auf dem freien Markt und außerhalb von Gerichtsverfahren lässt sich daher aus dem JVEG nichts ableiten.

2. Die Tatsache, dass die Rechnung noch nicht ausgeglichen worden ist, ändert nichts daran, dass der Klägerseite der geltend gemachte Anspruch schon jetzt zusteht. Ein Freistellungsanspruch wandelt sich in einen Zahlungsanspruch des Geschädigten um, wenn der Schädiger jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert und der Geschädigte Geldersatz fordert (BGH NJW 2004, 1868). Die ernsthafte und endgültige Verweigerung ist vorprozessual unstreitig erfolgt und ergibt sich im Übrigen auch spätestens aus der Klageerwiderung.

III.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 ZPO.

Eine Zulassung der Berufung hat keine Seite ausdrücklich begehrt. Es liegen hierfür auch im Übrigen keine Gründe vor. Insbesondere ist die grundsätzliche Rechtsfrage durch die neuere Rechtsprechung des BGH, die bereits oben zitiert wurde, hinreichend geklärt. Die Anwendung auf den Einzelfall führt damit nicht zu einer grundsätzlichen Bedeutung der Sache.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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