AG Gießen verurteilt HUK-Coburg zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Urteil vom 06.11.2008 (49 C 2457/07) hat das AG Gießen die HUK-Coburg Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von140,05 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht wendet die Schwacke-Liste an, die Erhebung von Dr. Holger Zinn als Schätzungsgrundlage wird abgelehnt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist wie im Tenor ausgesprochen begründet, im Übrigen unbegründet. Der Kläger hat lediglich einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 140,05 €.

Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Mietvertrag mit dem in der Rechnung genanntem Tarif zustande gekommen ist. Der Tarif richtet sich nach der vom Vermieter vorgegebenen Preisliste. Der Mietvertrag kam mit diesem Tarif zustande. Dass der Mietpreis erst nach Abgabe des PKW auf dem Mietformular eingetragen, worden ist, ist unschädlich.

Der Geschädigte kann nach § 249 BGB nur den Betrag verlangen, der objektiv zur Schadenbeseitigung verständige, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH NJW 2006,2621; NJW 2006,1726,1727). Demnach muss der Geschädigte darlegen und nachweisen, dass sich die Kosten für den Mietwagen im Rahmen das Erforderlichen halten (BGH NJW 2006,1726,1727 f.). Es ist also nach Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten gefragt. Das bedeutet, dass der Geschädigte von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs – innerhalb eines gewissen Rahmens -grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann (BGH NJW 2006,2621,2622).

Dem Vortrag der Beklagten, der Kläger hätte das Ersatzfahrzeug zu einem teureren Unfallersatztarif gemietet wird nicht gefolgt. Nach dem Vortrag des Klägers handelt es sich bei dem in Rechnung gestellten Tarif der Mietwagenfirma um einen Normaltarif, da die Mietwagenfirma lediglich einen Tarif anbietet. In Fällen, in denen mit ein Tarif angeboten wird, ist dieser Tarif nicht mit Unfallersatztarifen, sondern mit Normaltarifen zu vergleichen, es sei denn es werden im Einzelfall konkrete unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters in Anspruch genommen (BGH NJW 2006, 2106). Vorliegend ist von einem Normaltarif auszugehen, da keine Anhaltspunkte für unfallbedingte Mehrleistungen der Mietwagenfirma vorliegen. Für die Frage der Erforderlichkeit der Mietwagenkosten kommt es demnach darauf an, ob der in Rede steinende Tarif den üblichen Normaltarifen entspricht. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Zur Ermittlung der üblichen Normaltarife kann der Wert der Schwackeliste-Mietspiegel 2006 gemäß § 287 ZPO als Schätzgrundlage herangezogen werden. Dass ein Normaltarif auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietspiegels 2006 ermittelt wird, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken (so zuletzt BGH-Urteil vom 11.03.2007 Az.: VI ZR 164/07)- Es hält sich insoweit im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO (vgl. BGH VersR 2007, 1286, 1287). Die Schadenshöhe darf zwar nicht aufgrund falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Wesentliche, die Entscheidung bedingte Tatsachen dürfen nicht außer Acht bleiben (vgl. BGH VersR 1992,886, 888 m.w.N.).

Jedoch ist es nicht Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltene Angriffe gegen eine Schätzgrundlage nachzugehen. Einwendungen gegen die Grundlage der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Die Eignung einer Liste oder Tabelle nur Schadensbemessung bedarf nur dann einer Klärung, wenn mit konkrete Tatsachen aufgezeigt wird, dass die geltend gemachten Mängel der betreffenden Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH-Urteil vom 11.03.2008 AZ VI ZR 164/07).

Vorliegend fehlt es an einem Vortrag der Beklagten, der erörtert, weshalb der Schwacke-Mietspiegel 2006 für die vorzunehmende Schätzung nicht zutreffe. Vielmehr verliert sich die Beklagte in allgemein gehaltenen Angriffen gegen die Liste. Insbesondere greifen die Einwände, dass die Schwackeliste im Modus eine reine Angebotserhebung ist und dass die Preisveränderung in der Schwackeliste von 2003 zu 2006 mit der Statistik des statistischen Bundesamtes nicht vereinbar sind nicht durch (vgl. hierzu LG Gießen vom 30.05.2007 Az.: 1 S 349/06).

Das Gericht sieht keinen Anlass, weshalb die von der Beklagten vorgelegte Erhebung „Der Stand der Mietwagenpreise in Deutschland im Sommer 2007″ von Herrn Dr. Holger Zinn besser geeignet sein sollte, als die Schwackeliste 2006. Der Erhebung von Dr. Zinn liegen anonymisierte Anrufe zur Ermittlung der Tarife zugrunde. Bei der Erstellung der Schwackeliste wurden Fragebogen verwendet. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Methode von Dr. Zinn besser geeignet sein soll. Insbesondere kann hieraus nicht gefolgert werden, dass Mietwagenfirmen bei einer offenen Umfrage bewusst andere Tarife angeben als bei einer anonymen Umfrage. Die Erhebung von Dr. Zinn bildet zum Einen die regionalen Unterschiede nicht ausreichend ab. Zum Anderen wurden die Erhebungen zu verschiedenen Zeitpunkten durchgeführt. Mietwagenpreise unterliegen wie andere Preise auch gewissen Schwankungen. Diese Schwankungen ergeben sich beispielhaft aus einem sich ändernden Kostenniveau, unterschiedlicher Nachfrage, der Marktzusammensetzung sowie dem Zeitpunkt der Anmietung (Normal- oder Urlaubszeit). Die Erhebung des Herrn Dr. Zinn belegt auch nicht, dass die Schwackeliste 2006 eine falsche oder unsachgemäße Liste darstellt. Die Erhebung von Dr. Zinn bietet keine aussagekräftigere Schätzgrundlage als die Schwackeliste.

Das sich bei einer Internetrecherche andere Tarife finden lassen, bietet keinen Anlass die Schwackeliste 2006 nicht als Schätzgrundlage zu verwenden. Denn es ist nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um aussagekräftigeres Datenmaterial handelt als bei der Schwackeliste (LG Gießen vorn 30.05.2007 Az.: 1 S 349/06). Zudem kann es sein, dass die bei der Internetrecherche gefundenen Tarife gar nicht für einen in Rede stehenden Zeitraum verfügbar sind. So dass es sein kann, dass man trotz der gefundenen billigen Tarife einen teureren nehmen muss. Außerdem kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Bürger einen Internetzugang hat. Dass sich der Geschädigte einen Zugang zum Internet verschaffen muss, wäre überzogen und übersteigt die Schadensminderungspflicht.

Die Beklagte teilte dem Kläger vor Anmietung des Ersatzfahrzeugs Tarife mit, zu denen ihrer Ansicht nach Ersatzfahrzeuge angemietet werden können. Für einen PKW der in Rede stehenden Klasse 7 gab die Beklagte einen Wert von 49,00 € pro Tag an. Aufgrund dieser Angabe kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Schadensminderungspflicht verletzt hat. Denn es ist nicht ersichtlich, wie die Beklagte auf einen Wert von 49,00 € pro Tag kommt. Der Betrag für einen Mietwagen dieser Klasse beträgt laut Schwackeliste für das Gebiet, in dem das Ersatzfahrzeug gemietet wurde, 126,00 € pro Tag. Selbst in der von der Beklagten zur Ermittlung vorgeschlagenen Erhebung des Herrn Dr. Holger Zinn beträgt der Preis für einen Tag 79,22 €. Der Betrag von 49,00 € pro Tag für ein Ersatzfahrzeug der Klasse 7 ist unrealistisch und für den Kläger nicht maßgeblich. Als Schätzgrundlage für die Erforderlichkeit von Mietwagenkosten ist die Schwackeliste-Mietpreise 2006 maßgeblich. Auch dass die Beklagte ihre Hilfe bei der Anmietung anbot ist unerheblich, da der Geschädigte die Anmietung und die Wahl des Ersatzfahrzeuges selbst vornehmen darf.

Nach der Schwackeliste betragt der Modus 374,00 € für drei Tage. Dieser Dreitagestarif ist anzusetzen, da das Fahrzeug für fünf Tage gemietet wurde und die Anmietung zu dem günstigeren Tarif erfolgen muss. Für die verbleibenden zwei Tage sind für einen Tag 126,00 also 252,00 € anzusetzen. Ersparte Aufwendungen werden nicht berücksichtigt, da die Anmietung lediglich für 5 Tage erfolgte und nur ca. 400 Km gefahren wurden. In dieser Zeit und bei nur ca. 400 gefahrenen Kilometern entstehen nach Ansicht des Gerichts keine ansatzfähigen ersparten Aufwendungen. Die Erforderlichkeit der Anmietung für fünf Tage wurde nicht angegriffen. Da das geschädigte Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung hatte, ist dies auch bei dem Mietfahrzeug zu berücksichtigen.

Auf den Betrag von (526,00 € sind nach der Schwackeliste-Mietspiegel 2006 115,00 6 Kosten für die Vollkaskoversicherung (drei Tage 69,00 € zuzüglich zwei Tage von jeweils 23,00 €) zu addieren. Hinzu kommen 6,00 € für die Abholung des Mietwagens, so dass sich der zu erstattende Betrag auf 747,00 € beläuft. Da die Beklagte 606,96 € schon gezahlt hat, schuldet sie noch 140,05 €.

Soweit das AG Gießen

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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