AG Hamburg-Harburg spricht bei verzögerter Schadensregulierung mit Urteil vom 30.4.2014 – 648 C 422/13 – erhöhten Nutzungsausfall zu.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

zum beginnenden Wochenende veröffentlichen wir für Euch noch ein Nutzungsausfallurteil aus Hamburg-Harburg nebst Berichtigungsbeschluss. Aufgrund eines offensichtlichen Rechenfehlers musste das ursprüngliche Urteil berichtigt werden. In der Sache selbst ist der erkennenden Richterin der 648. Zivilabteilung des Amtsgerichts Hamburg-Harburg zuzustimmen. Wer die Schadensregulierung verzögert, der muss für den verlängerten Nutzungsausfall bluten!! So einfach ist das. So müsste es immer sein. Immer feste druff, wenn Versicherer die Regulierung in die Länge ziehen! Eigentlich müssten die Versicherer bei verzögerter Schadensregulierung „Strafgelder“ zusätzlich zahlen, denn Schadensersatzansprüche sind sofort fällig. Das hat bereits der VI. Zivilsenat des BGH in seinem Beschluss vom 18.11.2008 – VI ZB 22/08 – (= BGH VersR 2009, 128 = ZfS 2009, 79 = NJW 2009, 910 = NZV 2009, 73 = DS 2009, 29 m. Anm. Wortmann ) ausgeführt. Lest aber selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes Wochenede.
Willi Wacker

Amtsgericht Hamburg-Harburg
Az.: 648 C 422/13

Verkündet am 30.04.2014

Urteil

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

– Beklagte –

erkennt das Amtsgericht Hamburg-Harburg – Abteilung 648 – durch die Richterin S. auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2014 für Recht:

1.                Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.596,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.12.2011 sowie vorgerichliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 61,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.10.2013 zu zahlen.

2.               Die Beklagten werden desweiteren verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 14,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. April 2012 durch Zahlung an die … Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft freizustellen.

3.                Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4.               Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Hohe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Am 07.10.2011 kam es auf dem … weg zu einer Kollision zwischen dem im Eigentum des Klägers stehenden Fahrzeugs … mit dem amtlichen Kennzeichen … und dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Sattelzug mit dem amtlichen Kennzeichen … . Der Verkehrsunfall ist von dem Versicherungsnehmer der Beklagten bzw. dessen Fahrer alleinverantwortlich verschuldet worden, insofern besteht zwischen den Parteien Einigkeit dass die Haftung vollumfänglich von der Beklagten zu tragen ist.

Die Parteien streiten vorliegend noch um den Nutzungsausfall. Durch den Verkehrsunfall wurde das Fahrzeug des Klägers erheblich beschädigt Es war nicht mehr fahrbereit Der Kläger holte unverzüglich ein Sachverständigengutachten über das Sachverständigenbüro … ein.

Dieses lag am 10.10.2011 vor und wurde der Beklagten am 11.10.2010 weitergeleitet. Mit Schreiben vom 10.10.2010 teilte der Kläger der Beklagten zudem mit, dass „eine Vorfinanzierung größerer Beträge leider nicht möglich ist so dass wir bei ungeklärter Haftungsfrage anregen, vorab in Form eines Darlehens oder alternativ unter Rückforderungsvorbehalt zu regulieren„.

Der Kläger ließ die an seinem Fahrzeug entstandenen Schäden ab dem 18.11.11 reparieren. Die Haftungsbestätigung der Beklagten erfolgte am 23.11.2011. Für die Dauer der Reparatur entbehrte der Kläger das Fahrzeug. Für die Nutzungsausfallzeit begehrt der Kläger einen kalendertäglichen Nutzungsausfall von 59,00 €, mithin 3.186,00 €. Hierauf hat die Beklagte 890,00 € vorgerichtlich gezahlt, so dass ein Forderungsbetrag von 2.596,00 € verleibt.

Der Kläger behauptet das Fahrzeug sei 60 Tage nicht nutzbar gewesen. Die Reparatur des Fahrzeugs sei zwischen dem 18.11.2011 und dem 12.12.2011 erfolgt und nicht wie von der Beklagten angenommen, vom 18.11.2011 bis zum 06.12.2011. Zwischen dem Unfalltag und der Fahrzeugherausgabe befänden sich mithin 60 Tage.

Der Kläger hat zur Vermeidung einer aufwändigen Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung die Kosten für den Nutzungsausfall für die Tage vom 7.12.2011 bis 12.12.2011 zurückgenommen. Nachdem der Kläger zunächst hinsichtlich Ziff. 1 des Klageantrags beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.950,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
648 C 422/13 dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 29.12.2011 zu zahlen, beantragt der Kläger nunmehr,

1.         Die Beklagte zu verurteilen, 2.596,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.12.2011 zu zahlen.

2.       Die Beklagte desweiteren zu verurteilen, an den Kläger weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 61,88 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkelt zu zahlen.

3.        Die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in höhe von 14,28 € zuzüglich Zinsen in höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 13. April 2012 durch Zahlung an die … Rechtsanwälte Partnergesellschaft freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass dem Kläger kein weiterer Ersatz des Nutzungsausfalis zusteht, da das vom Kläger eingeholte Gutachten eine voraussichtliche Reparaturdauer von vier bis fünf Tagen aufweist und obwohl dem Kläger das Sachverständigengutachten seit dem 10.10.2011 vorlag, mit der Reparatur erst am 22.11.2011 begonnen worden ist.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

1.

Der Kläger hat einen Anspruch auch auf den Ersatz des Nutzungsausfalls für die geltend gemachten 54 Tage, d. h. in Höhe von 2.596,00 Euro aus § 823 BGB i.V.m. § 115 VVG.

a)  Der Anspruch des Klägers auf eine Nutzungsentschädigung setzt eine „spürbare Gebrauchsbeeinträchtigung“ voraus, was Nutzungsmöglichkeit und Nutzungswillen seitens des Geschädigten voraussetzt (BGH in NJW 1986, 2037; Az. 27 U 79/00 OLG Hamm; Palandt. Rn. 22 vor § 249 BGB).

Sofern die Beklagte bestritten hat dass der Kläger auf sein Fahrzeug angewiesen sei, ist dies mangels Substantiierung unerheblich, nachdem der Kläger im Prozess vorgetragen hat dass er in der …straße wohne und seine Arbeitsstätte sich im H. in H. und damit südlich der Elbe befinde und er damit eine Fahrtstrecke von ca. 50 km pro Tag habe.

b) Grundsätzlich ist der Nutzungsausfall nur für den Zeitraum zu ersetzen, der benötigt wird, um das beschädigte Fahrzeug zu reparieren oder zu ersetzen (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 1.11.2012, Az. 331 S 35/12). Im vorliegenden Fall durfte der Kläger darauf warten, dass die Beklagte eine Entscheidung über die Regulierung des Unfallschadens mitteilt, nachdem er der Beklagten mit Schreiben vom 11.10.2011 auch mitgeteilt hat, dass er Reparaturkosten nicht vorstrecken könne. Da nicht ersichtlich ist dass der Kläger seine insoweit vorliegende Mittellosigkeit bloß vorgeschoben hat, durfte er auf die Regulierungsentscheidung der Beklagten warten (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 1.11.2012, Az. 331 S 35/12). Zwar war der Kläger als Unfallbeteiligte in voller Kenntnis des Unfallhergangs. Seine Anwälte konnten auf der Grundlage seiner Sachverhaltskenntnisse wahrscheinlich auch zutreffend die Rechtslage beurteilen. Jedoch legte die verzögerte Bearbeitung des Falls durch die Beklagte nahe, dass es zu Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Ansprüche kommen könnte. Der Kläger durfte daher aufklären bzw. abwarten, von welchem Sachverhalt die Beklagte im Hinblick auf den Unfall ausgegangen ist. Denn es ist etwa denkbar, dass der Unfallgegner gegenüber der Beklagten als seiner Versicherung eine Unfallschilderung abgegeben hat, die Anlass gegeben haben könnte, den Unfall nicht nach Maßgabe des von dem Kläger erinnerten Sachverhalts regulieren zu wollen.

Dass der Kläger noch vor Erteilung der Regulierungszusage der Beklagten die Reparatur in Auftrag gegeben hat, ist kein Indiz dafür, dass der Kläger die Beauftragung der Reparatur nicht unverzüglich ausgesprochen hat, vielmehr spricht dies dafür, dass der Kläger in Kenntnis des Inhalts der Ermittlungsakte nunmehr das Risiko eingehen konnte, dass die Beklagte den Schaden nicht regulieren wollte. Es spricht nach dem Sach- und Streitstand nichts dagegen, dass anhand der Ermittlungsakte das Prozessrisiko einer Inanspruchnahme der Beklagten als vernünftigerweise in Kauf zu nehmen eingeschätzt werden konnte.

2.

Der Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Freihaltung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 823, 249 BGB.

Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB ab Zustellung der Klage.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709 S. 1 ZPO.

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Amtsgericht Hamburg-Harburg
Az.: 848 C 422/13

Beschluss

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

– Beklagte –

beschließt das Amtsgericht Hamburg-Harburg – Abteilung 648 – durch die Richterin K. am 29.08.2014:

Das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 30.04.2014 wird
im Tenor wie folgt berichtigt:

1.          Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 2,596,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.12.2011 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 81,88 € nebst Zinsen in Höbe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.10.2013 zu zahlen.
2.          Die Beklagten werden desweiteren verurteilt, den Kläger von vorgerichtlcihen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 14,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. April 2012 durch Zahlung an die … Partnerschaftsgesellschaft freizustellen.
3.           Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 7/8 und der Kläger zu 1/8 zu tragen.
4.            Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Es liegt ein offensichtlicher Rechenfehler vor, § 319 ZPO.

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