AG Leipzig verurteilt HUK 24 AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten im Schadensersatzprozess mit Urteil vom 30.6.2017 – 103 C 9164/16 -, allerdings überzeugt die Begründung nicht.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

hier und heute stellen wir Euch noch ein Urteil gegen die HUK-COBURG vor. Von Cuxhaven geht es weiter nach Leipzig. Auch in diesem Fall hatte die HUK-COBURG wieder einmal – oder noch immer – den Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach eigenem Ermessen gekürzt. Mit welcher Rechtsgrundlage ist es der HUK-COBURG gestattet, den nachgewiesenen Schadensbetrag eigenmächtig zu kürzen? Die HUK-COBURG verkennt offenbar das gesetzliche Schuldverhältnis nach einer unerlaubten Handlung. Danach ist der Schädiger Schuldner und der Geschädigte Gläubiger des Schadenseratzanspruchs. Der Schuldner muss leisten und der Gläubiger kann fordern. So ist das gesetzliche Bild des Schuldrechts. Daran kann auch die Verhaltensweise der HUK-COBURG nichts ändern. In dem konkreten Fall hatte die HUK 24 AG die berechneten Sachverständigenkosten gekürzt. Da die Schadensersatzforderung auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen erfüllungshalber gemäß § 398 BGB abgetreten waren, klagte der Sachverständige aus abgetretenem Recht den restlichen Schadensersatz (nicht seinen Werklohn!) ein. Zwar hat das erkennende Gericht im Ergebnis richtig entschieden und die beklagte HUK 24 AG zur Zahlung weiteren (abgetrenenen) Schadensersatzes verurteilt, aber die Begründung überzeugt keineswegs. So wird in dem Urteil des AG Leipzig auf das Pinocchio-Urteil des BGH Bezug genommen und eine Überprüfung der Einzelpositionen unter Hinweis auf § 287 ZPO nebst Prüfung nach BVSK, JVEG usw. vorgenommen. Dass § 287 ZPO, wie hier ständig betont wird, eine Darlegungs- und Beweiserleichterungsnorm zu Gunsten des Klägers ist, wird nicht gesehen. Die Grundsatzentscheidungen des BGH zu den Sachverständigenkosten, nämlich BGH VI ZR 67/06 sowie BGH VI ZR 225/13, existieren wohl auch nicht mehr? Diese beiden Entscheidungen gefallen ohnehin der HUK-COBURG nicht, obwohl ihr BGH VI ZR 225/13 genauestens bekannt sein muss, denn sie war ja selbst involviert. Lest aber selbst das Urteil des AG Leipzig und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 103 C 9164/16

Verkündet am: 30.06.2017

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

HUK24 AG, Willi-Hussong-Straße 2, 96440 Coburg, v.d.d. Vorstand

– Beklagte –

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin am Amtsgericht D.
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2017 am 30.06.2017

für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 152,64 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.01.2014 zu zahlen.

2.        Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12,00 € Mahnkosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.02.2014 zu zahlen.

3.        Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird festgesetzt auf 152,64 EUR.

Tatbestand

(Auf die Abfassung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO verzichtet.)

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 StVG, §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 249, 398 BGB begründet.

Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die Abtretung ist wirksam. Einerseits hat die Beklagte auf die Forderung bereits an den Kläger 581,00 € gezahlt. Demzufolge ist sie davon ausgegangen, dass eine wirksame Abtretung der Forderung der Sachverständigenkosten an den Kläger erfolgt ist. Wenn auch nicht der Geschädigte, Herr M. E., selbst die Abtretungserklärung unterzeichnet hat, so war dies seine Ehefrau und der Geschädigte hat die Abtretung genehmigt. Es verstößt gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB, wenn die Beklagte vorprozessual eine, ihrer Auffassung nach abschließende Zahlung leistet (und nicht lediglich einen Vorschuss), und sich sodann im Rechtsstreit darauf beruft, dass der Anspruch bereits dem Grunde nach nicht bestehe.

Das Gericht hat vorliegend nicht über die dem Kläger als Sachverständigen zustehende Vergütung gemäß § 632 BGB zu entscheiden, sondern maßgeblich ist vielmehr, ob der in der Person des Geschädigten E. entstandene Schadenersatzanspruch aus § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG die von dem Kläger in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten in voller Höhe umfasst. Die Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen zu 100 % steht nicht in Streit, so dass der geschädigte Zedent gemäß § 249 BGB verlangen kann, so gestellt zu werden, wie er ohne den Verkehrsunfall stünde. Seiner im Rahmen des § 249 BGB ihn treffenden Darlegungslast hat der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeuges beauftragten Sachverständigen genügt. Sind allerdings die tatbestandlichen Voraussetzungen, die der Bundesgerichtshof für die Indizwirkung einer Rechnung aufgestellt hat, wie im vorliegenden Fall deshalb nicht erfüllt, weil nicht der Geschädigte, sondern der Sachverständige selbst klagt, besteht Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Beauftragung des Sachverständigen, bestehend aus Grundhonorar und Nebenkosten dann, wenn und soweit diese nicht deutlich überhöht sind (vgl. BGH, Urteil vom 26.04.2016, Az: VI ZR 50/15). Maßstab für eine Überhöhung ist zunächst die eigene Einschätzung des Geschädigten von den bei der Begutachtung zu erwartenden Aufwendungen. Ungeachtet der Berechnung des Sachverständigen muss der Geschädigte im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsgebots eine Plausibilitätskontrolle durchführen (siehe BGH, Urteil vom 26.04.2016 a.a.O.). Der BGH hat im angegebenen Urteil entschieden, dass das Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz eine Orientierungsfunktion besitzt, da dieses für jedermann mühelos zugänglich ist. Das JVEG bildet daher zugleich einen Rahmen dafür, welche Nebenkosten für den Geschädigten im Einzelfall erkennbar überhöht sind. Ein Geschädigter darf im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle Nebenkosten eines Kfz-Sachverständigen jedenfalls dann nicht mehr für erforderlich halten, wenn die hierfür vorgesehene Vergütung nach den Regelungen des JVEG um mehr als 20 % überschritten wird. Eine solche Überschreitung liegt im streitgegenständlichen Fall nicht vor.

Die BVSK-Honorarbefragung 2013 steht für die Ermittlung der üblichen Vergütung eine taugliche Schätzgrundlage dar. § 287 ZPO gibt die Art der Schätzgrundlage nicht vor. Es ist anerkannt, dass sich der Tatrichter in Ermangelung konkreter Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung im Rahmen der Schadensschätzung gesetzlich geregelter oder in anerkannten Tabellen enthaltene Erfahrungswerte bedienen kann. Daher muss auch die Klägerseite nicht vortragen, dass sie sich auf genau diese Tabelle stützen möchte. Die Schätzgrundlage kann das Gericht selbst wählen, sofern sie geeignet ist. Das Grundhonorar ergibt sich hier bei einer Schadenshöhe zwischen 3.000,00 € und 3.250,00 € (Schaden und Wertminderung) und bewegt sich im HB- 5-Korridor zwischen einem Honorarsatz von 431,00 € – 468,00 € netto als Grundhonorar. Das vorliegend geltend gemachte Grundhonorar von 499,00 € weicht somit nicht mehr als 20 % ab, sondern weniger als 10%. Diese Abweichung ist nicht erheblich. Darüber hinaus hat der Kläger dem Zedenten pro Foto nur 2,00 € in Rechnung gestellt, 2,55 € pro Foto hätten es sein dürfen. Für die Schreibkosten wurden pro Seite jeweils auch nur 2,00 € angesetzt, diese hätten mit 2,86 € angesetzt werden können. Der Ansatz von Porto und Telefonkosten mit pauschal 8,00 € netto ist ebenfalls nicht zu beanstanden, 25,00 EUR als Pauschale sind anerkannt. Auch eine Fahrtkostenpauschale von 35,00 € ist nicht zu beanstanden.

Hinsichtlich der Fahrtkosten ist das JVEG als Schätzgrundlage nicht geeignet, da es von 0,30 €/km ausgeht, was keinesfalls die anfallende Fahrtkosten inklusive der für den Betrieb eines Kraftfahrzeuges erforderlichen Kosten abdeckt.

Somit ist der Gesamtbetrag nicht zu beanstanden und der Kläger hat Anspruch auf die geltend gemachten weiteren Kosten.

Die Nebenforderungen resultieren aus §§ 280, 286, 288 BGB, die geltend gemachten Mahnkosten i.V.m. § 287 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 704, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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3 Antworten zu AG Leipzig verurteilt HUK 24 AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten im Schadensersatzprozess mit Urteil vom 30.6.2017 – 103 C 9164/16 -, allerdings überzeugt die Begründung nicht.

  1. Pluto Platt sagt:

    @Willi Wacker

    Deine einleitende Kommentierung zum Urteil des des AG Leipzig ist das Beste zu diesem Beitrag.

    Pluto Platt

  2. Iven Hanske sagt:

    JVEG + 20 %, hier habe ich zwar zu 100 % gewonnen und die 20% wurden mal berücksichtigt aber leider trotzdem rechtswidrig. Weiss die Richterin, was nach JVEG in den Grundkosten zu berechnen ist bzw. hier nicht wurde? Nein, muss Sie auch nicht, denn nur die ex-ante Plausibilität (z.B. VKS-BVK Befragung oder eigene Lebenserfahrung) des Geschädigten zur Gesamtschau der Rechnung mit Bezug auf die Evidenz bzw. laut Grundgesetz auf die Sittenwidrigkeit ist entscheidend.
    Wann hört das mal auf, dass solche Angestellte der Gesetze nicht begreifen, dass Sie nicht der Gesetzgeber sind, sondern lediglich angestellter Schützer des Gesetzes sein sollen?
    Das ist Allgemeinbildung die manche Richter in Ihrer Arroganz nicht haben und Korruption, wie Herr Wellner, wenn vorsätzlich (bezahlt durch Lobbyisten) diese Allgemeinbildung missachtet wird.
    Ihr sollt für Frieden in unserer Marktwirtschaft sorgen und provoziert leider verantwortungslos Gegenteiliges!

  3. Jennifer sagt:

    Noch ne „Rechnungsprüferin“ !

    Jennifer

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