AG München urteilt zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 15.9.2015 – 344 C 16121/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

zum Wochenbeginn veröffentlichen wir hier ein Urteil aus München zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die (leider nicht bekannte!) Versicherung. Es wurde uns leider wieder ein Urteil zugesandt, aus dem man nicht mehr erkennen konnte, um welche Versicherung es sich handelt. Daher erfolgt noch einmal unser Aufruf, keine anonymisierten Urteile einzusenden, damit wir das entsprechende Urteil der einen oder der anderen Urteilsliste zuordnen können. Eine Anonymisierung wird von uns vorgenommen. Nun aber zurück zu dem Urteil des AG München. Die Amtsrichterin der 344. Zivilabteilung des AG München benötigte ausschweifende Begründungen, um letztlich zu dem gefundenen Ergebnis zu gelangen. Links und rechts von hinten durch die Brust. So oder so ähnlich könnte man die Urteilsbegründung der Amtsrichterin umschreiben. Auch die Exkursion zu dem Schrotturteil aus München zum Bagatellschaden war entbehrlich, da das BGH-Urteil zum Bagatellschaden nach dem Urteil des LG München I ergangen war. Das Ganze hätte man – unserer Meinung nach – locker auf maximal zwei Seiten abhandeln können. So wurden es eben fünf. Was denkt Ihr. Gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker

Amtsgericht München

Az.:  344 C 16121/15

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

– Beklagte –

wegen Forderung

erlässt das Amtsgericht München durch die Richterin am Amtsgericht M.-S. am 15.09.2015 auf Grund des Sachstandes vom 10.09.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes

Endurteil

1.       Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 134,41 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.07.2015 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.       Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.       Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 134,41 € festgesetzt.

(abgekürzt nach  § 313a Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht gründsätzlich den gesamten Ateninhalt.

Die Haftung der Beklagten dem Gründe nach für die Schaden aus dem Unfall vom 11.05.2015 ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger macht als Sachverständiger die Ansprüche des Geschädigten aus abgetretenem Recht geltend.

Streit besteht nur über die Erstattungsfähigkeit der restlichen Kosten für das Sachverständigengutachten.

Die restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von EUR 134,41 EUR sind im vorliegenden Fall erstattungsfähig.

1. Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, wenn der Geschädigte nach einem Kfz-Unfall einen Sachverständigen hinzuzieht. Die hierdurch entstehenden Kosten sind in der Regel erstattungsfähig. Dies gilt jedoch nicht bei bloßen Bagatellschäden. Ein solcher ist hier vorliegend aber letztlich nicht gegeben.

Der BGH hat hierzu ausgeführt (Urteil vom 30.11.2004, VI ZR 365/03): „Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist […]. Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist […]. Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen […]. Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte […]. Diese Voraussetzungen sind zwar der Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB verwandt. Gleichwohl ergeben sie sich bereits aus § 249 BGB, so dass die Darlegungs- und Beweislast hierfür beim Geschädigten liegt […]. Für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht allein darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt. Allerdings kann der später ermittelte Schadensumfang im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nach § 287 ZPO oft ein Gesichtspunkt für die Beurteilung sein, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere, kostengünstigere Schätzungen – wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebs – ausgereicht hätten […]. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beauftragung eines Sachverständigen sei erforderlich gewesen, weil der Schaden im Streitfall mehr als 1.400 DM (715,81 €) betragen habe und es sich deshalb nicht um einen Bagatellschaden gehandelt habe, ist revisionsrechlich nicht zu beanstanden. Der Betrag liegt in dem Bereich, in dem nach allgemeiner Meinung die Bagatelschadensgrenze anzusiedeln ist […]“.

Diese Ausführungen sind nach wie vor zutreffend, insbesondere auch die Feststellung, dass das Gericht im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO der festgestellten Schadenshöhe wesentliche Bedeutung beimessen darf bei der (nachträglichen) Beurteilung der Frage, ob der Geschädigte die Einholung eines Gutachten für erforderlich halten durfte oder nicht.

Nicht mehr maßgeblich ist dagegen der vom BGH seinerzeit angegebene Bereich, in dem nach allgemeiner Meinung die Bagatellschadensgrenze anzusiedeln ist, von damals EUR 715,81. Dass eine solche Wertgrenze bzw. ein Wertbereich sich im Lauf der Zeit wesentlich verändern kann, hat das Landgericht München I bereits früher festgestellt (Urteil vom 20.03.2001, 19 S 10340/01, Orientierungssatz): „Schadensgutachten dürfen nicht routinemäßig und ohne wirkliche Notwendigkeit eingeholt werden, sondern nur, wenn aus der Sicht des Geschädigten auch bei Berücksichtigung der Verhaltnismäßigkeit in Bezug auf die zu erwartenden Reparaturkosten ein vernünftiger Grund hierfür besteht. Die in der Praxis vielfach angewandte Bagatellgrenze von 1.000 DM ist angesichts des heutigen Reparaturkostenniveaus viel zu niedrig. Im Bereich der Reparaturkosten von 2.500 DM bis 3.000 DM hat der Geschädigte besondere Gründe darzulegen, weshalb er die Einholung eines Sachverständigengutachtens (anstatt einer einfachen Kostenkalklulation oder eines Kostenvoranschlags) für erforderlich halten durfte.“

Wo die Bagatellschadensgrenze im Einzelnen anzusetzen ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Das erkennende Gericht hält jedoch unter Berücksichtigung der früheren Rechtsprechung und der Einbeziehung der seitdem vergangenen Zeit jedenfalls bei einer Schadenshöhe von EUR 1,004,97 (hier: Brutto-Reparaturkosten) den Bereich für erreicht, in dem der Geschädigte ein Sachverständigengutachten für erforderlich halten durfte (vgl z.B. Münchener Kommentar, BGB, 5. Auflage, § 249, Rdn. 372: „Im Lichte der vorstehend referierten Judikatur ist es unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher Kostensteigerungen angemessen, die Grenze für einen Bagatelschaden im Regelfall bei 1.000 Euro zu ziehen“).

Darüber hinaus ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Geschädigte im Hinblick auf das geringe Alter des Fahrzeugs (Erstzulassung 09.12.2013) und die Laufleistung mit einer Wertminderung rechnete, die bei Einholung lediglich eines Kostenvoranschlags nicht emittelt worden wäre.

Dass eine Wertminderung durch den Privatgutachter letztlich nicht festgestellt wurde ändert nichts daran, dass eine solche vorliegend im Räume stand.

2. Die Sachverständigenkosten waren vorliegend auch der Höhe nach als angemessen und ortsüblich anzusehen.

Entscheidend ist insoweit für die Erstattungsfähigkeit gemäß § 249 Absatz 1 BGB eine zubjektbezogene Schadensbetrachtung. Dabei ist gemäß § 249 BGB entscheidend, welche Aufwendungen „ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und geboten halten darf“ (BGHZ 115,364/389). Zwar macht vorliegend nicht der Geschädigte die Erstattung geltend, sondern der Sachverständige aus abgetretenem Recht; entscheidend ist aber, dass die Abtretung vorliegend keine Entlastung des Geschädigten von der Schadensabwicklung enthält und der Anspruch durch die Abtretung keine Inhaltsänderung erfährt (so auch AG Viechtach DV 2014, 258). Umstände, die dazu führen würden, dass nicht auf die subjektive Schadensbetrachtung abzustellen wäre, hat die Beklagte nicht vorgetragen, sondern nur pauschal den dolo-petit-Einwand erhoben, welcher aber ohne näheren Sachvortrag ausweislich des oben Stehenden ins Leere geht.

Bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich dar Geschädigte damit begnügen, die ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH vom 11.2.2014, VI ZR 225/13).

Dabei ist der Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfe des Unfallgeschädigten. Die Sachverständigenkosten sind daher in der Rege! voll erstattungsfähig, es sei denn, die Rechnung wäre in einer Weise überhöht, dass der Unfallgeschädigte als Laie die Überhöhung erkennen hätte müssen und als wirtschaftlich denkender Mansch die Sachverständigenrechnung nicht bezahlt hätte.

Solange der Geschädigte also den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen wahrt, sind weder der Schädiger noch das Gericht berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen, Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars (vgl. LG München I, 17 S 24136/10 mm 13.1.2012 m. w. N.). Insbesondere ist das Gericht auch nicht berechtigt. anhand einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes die vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten zu kürzen (BGH vom 11.2.2014, VI ZR 225/13). Selbst einzeln überhöht erscheinende Nebenkosten sind danach zu erstatten, wenn kein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Gesamtbetrag des Sachverständigen und seiner Leistung besteht Die Erstattungsfähigkeit kann vorliegend nur verneint werden, wenn selbst für einen Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt (OLG München, Beschluss vom 12.03.2015, Az.: 10 U 579/15).

Vorliegend erscheinen die Gesamtgebühren von 284,41 € brutto im Hinblick auf die vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten in Hohe von brutto 1.084,97 € nicht als so unangemessen hoch, dass der Unfallgeschädigte als Laie gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht des § 254 BGB verstoßen hatte (vgl. auch BGH vom 11.2.2014, VI ZR 225/13; hier betrugen die Sachverständigenkosten sogar deutlich über 60 % der Reparaturkostan).

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

Der Zinsanspruch besteht vorliegend erst ab Rechtshängigkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Absatz 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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