LG Bonn: Amtsgericht Bonn wird korrigiert wg. Mittelwert, statt dessen gilt die Schwacke-Liste

Mit Urteil vom 10.05.2011 (8 S 13/11) hat das LG Bonn auf die Berufung der Klägerin das erstinstanzliche Urteil des AG Bonn vom 30.12.2010 (108 C 241/10) abgeändert und die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 751,93 € zzgl. Zinsen verurteilt. Auch für die Bonner Landrichter gilt die Schwacke-Liste gilt und keinesfalls die Fraunhofer Tabelle.

Aus den Entscheidungsgründen:

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

1.
Der Klägerin steht über den in dem angefochtenen Urteil tenorierten Betrag hinaus ein Anspruch auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 600,96 € aus abgetretenem Recht gemäß § 7 StVG, § 115 Abs. 1 VVG, § 398 S. 2 BGB zu.

a)
Soweit das Amtsgericht die Höhe der nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu ersetzenden Mietwagenkosten auf nur 600,97 € beziffert hat, hat es das ihm gemäß § 287 ZPO zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt.

aa)
Zwar ist der Ansatz des Amtsgerichts, eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel zwischen dem Schwacke-Automietpreisspiegel und dem „Marktspiegel Mietwagen Deutschland“ des Fraunhofer-Instituts vorzunehmen, entgegen der Ansicht der Klägerin nicht von vornherein zu beanstanden. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof diesen Ansatz in seiner Entscheidung vom 18.05.2010 in einem obiter dictum nicht als grundsätzlich rechtsfehlerhaft erachtet (vgl. BGH, Urt. v. 18.05.2010 – AZ: I ZR 293/08, juris Rn. 4).

bb)
Allerdings ist schon rechnerisch nicht pausibel, wie das Amtsgericht auf der Grundlage des von ihm gewählten Ansatzes die zu ersetzenden Mietwagenkosten auf 600,97 € beziffert hat. Geht man davon aus, dass sich nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel ein Betrag in Höhe von 1.201,93 € und nach dem „Marktspiegel Mietwagen Deutschland“ des Fraunhofer-Instituts ein Betrag in Höhe von 450 € ergibt (vgl, Bl. 3, 5 GA), so beläuft sich das arithmetische Mittel zwischen beiden Erhebungen auf einen Betrag in Höhe von 825,97 €. Das Amtsgericht scheint dagegen den auf der Grundlage des Schwacke-Automietpreisspiegels ermittelten Betrag in Höhe von 1.201,93 € halbiert zu haben. Darauf deutet auch die Formulierung am Ende der Entscheidungsgründe hin, wonach eine Schätzung nach dem „arithmetischen Mittel beider Parteivorstellungen“ sachgerecht sei. Dies aber widerspricht dem eigenen Ansatz des Amtsgerichts.

cc)
Zudem ist nicht begründet, aus welchen Erwägungen das Amtsgericht die von der Klägerin beanspruchten Kosten für die Vollkaskoversicherung in die Berechnung des arithmetischen Mittels einbezogen hat. Da der „Marktspiegel Mietwagen Deutschland“ des Fraunhofer-Instituts anders als der Schwacke-Automietpreisspiegel keine gesonderten Nebenkosten ausweist, hatte das Amtsgericht entweder die Nebenkosten separat ermitteln und zusprechen oder aber zurückweisen müssen. Nicht folgerichtig ist es dagegen, die auf der Grundlage des Schwacke-Automietpreisspiegels ermittelten Nebenkosten im Ergebnis schlicht zu halbieren (vgl. LG Bonn, Urt. v. 14.12.2010 – 8 S 268/10, n.v., S. 2f.).

b)
Demzufolge ist die Kammer gehalten, die Höhe der Mietwagenkosten selbst gemäß § 287 ZPO zu schätzen.

aa)
Die Kammer hält es ihrer Rechtsprechung folgend für sachgerecht, als Schätzungsgrundlage den Schwacke-Automietpreisspiegel heranzuziehen (vgl. nur LG Bonn, Urt. v. 14.12.2010 – 8 S 268/10, n.v., S. 3f.).

(1)
Die von der Beklagten vorgetragenen Einwendungen sind nicht geeignet, Zweifel an dessen Eignung zu begründen.

Die diesen Einwendungen zugrunde liegende Annahme, dass der Schwacke-Automietpreisspiegel enorme Preissteigerungen enthalte, die auf unredliches Verhalten der Mietwagenunternehmen zurückzuführen seien, ist bereits nicht nachvollziehbar. Es sind auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die etwa im Schwacke-Automietpreisspiegel 2008 enthaltenen Preisänderungen nicht an der tatsächlichen Marktentwicklung orientieren (vgl. LG Bonn, Beschl. v. 21.01.2010 – 8 S 274/09, n.v., S. 3).

Soweit die Beklagte darüber hinaus auf Sachverständigengutachten verweist, die in anderen Verfahren eingeholt worden sind, können deren Ergebnisse allein deshalb schon nicht zuverlässig beurteilt werden, weil der zugrunde liegende Sachverhalt und das Vorgehen der Sachverständigen nicht im Einzelnen bekannt ist. Im Übrigen ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich die Kammer weiterhin anschließt, nicht Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzungsgrundlage nachzugehen. Einwendungen sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang ausgewirkt haben (vgl. nur BGH, Urt. v. 18.05.2010 – VI ZR 293/08, juris Rn. 4 mwN). Dies ist jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht in durchgreifender Weise geschehen. Dass – wie die Beklagte geltend macht – andere Erhebungen, wie der „Marktspiegel Mietwagen Deutschland“ des Fraunhofer-Instituts, oder gerichtlich bestellte Sachverständige zu anderen Ergebnissen als der Schwacke-Automietpreisspiege! gelangt sein mögen, genügt nicht, um Zweifel an der Richtigkeit der letztgenannten Erhebung zu rechtfertigen (vgl. LG Bonn, Urt. v. 14.12.2010 – 8 S 268/10, n.v., S. 3 mwN).

(2)
Die in dem Schwacke-Automietpreisspiegel ausgewiesenen Werte werden auch nicht durch das von der Beklagten vorgelegte Angebot der Firma Sixt (vgl. Bl. 66f. GA) erschüttert. Denn dieses Angebot stammt aus August 2010, während der Geschädigte A. das Mietfahrzeug im Mai und Juni 2009 benötigte. Dass der in dem Angebot ausgewiesene Preis von 349,99 € auch in dem vorgenannten Zeitraum gegolten hat, kann nicht einfach unterstellt werden. Die entsprechende Behauptung der Beklagten ist unsubstantiiert.

bb)
Die von der Klägerin in Rechnung gestellten Nebenkosten für die Vollkaskoversicherung sind ohne weiteres ersatzfähig, und zwar auch dann, wenn das Unfallfahrzeug des Geschädigten … zum Zeitpunkt des Unfalls nicht vollkaskoversichert war. Da der durch einen Unfall Geschädigte während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist, hat er regelmäßig ein schutzwürdiges Interesse daran, für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietfahrzeuge in der Regel neuer und damit höherwertiger sind als die beschädigten Fahrzeuge (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2005 – VI ZR 9/05, juris Rn. 12; LG Bonn, Urt. v. 14.12.2010 – 8 S 268/10, n.v., S. 5 mwN).

cc)
Unter Zugrundelegung des Schwacke-Automietpreisspiegeis beläuft sich der ersatzfähige Betrag – was zwischen den Parteien auch unstreitig ist – auf insgesamt 1.201,93 €. Zieht man davon die vorgerichtliche Zahlung der Beklagten in Höhe von 450 € und den in dem angefochtenen Urteil tenorierten Betrag in Höhe von 150,97 € ab, kann die Klägerin von der Beklagten Zahlung eines weiteren Betrags in Höhe von 600,96 € verlangen.

2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

3.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

4.
Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO bestand keine Veranlassung. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Soweit das LG Bonn.

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