LG Kleve verurteilt beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Urteil vom 18.01.2008 (5 S 97/07) hat das LG Kleve auf die Berufung der beteiligten Versicherung das erstinstanzliche Urteil des AG Moers vom 25.05.2007 (563 C 495/06) abgeändert und diese zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.045,98 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht wendet zwar die Schwacke-Liste an, hat jedoch bedenken gegen die Liste 2006. Statt dessen greift das LG Kleve auf die Schwacke-Liste 2003 zurück und gewährt einen „Inflationsausgleich“.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die Klägerin hat gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 249, 398 BGB, 3 PflVG einen Anspruch auf Zahlung von 1.045,98 EUR gegen die Beklagte.

Der Geschädigte kann vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagen kosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. In Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO kann das Gericht die angemessenen Mietwagen kosten auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke Miet­preisspiegels im Postleitzahlengebiet des Geschädigten schätzen (BGH, NJW 2006, Seite 2106).

Bei der demnach zulässigen Schadensschätzung stützt sich die Kammer allerdings nicht auf den Schwacke Mietpreisspiegel für das Jahr 2006. Denn es bestehen Zwei­fel, ob die darin wiedergegebenen Mietpreise tatsächlich marktgerecht sind. Im Ver­gleich mit dem Schwacke Mietpreisspiegel 2003 soll es zu einem erheblichen Preis­anstieg gekommen sein. Dies ergibt sich beispielhaft aus einem Vergleich der Preise für den hier im Streit stehenden Mietwagen. Die Unfallgeschädigte hat den Wagen an Ihrem Zweitwohnsitz in Bonn, also im Postleitzahlengebiet 532 des Schwacke Mietpreisspiegels, angemietet. Unstreitig ist, dass das Ersatzfahrzeug In der Klasse 7 des Mietpreisspiegels einzustufen ist. Ausweislich des Schwacke Mietpreisspiegels 2003 betrug der Tarif in der Klasse 7 im gewichteten Mittel 145,00 EUR (Tagespreis), 401 EUR (3-Tagespreis) und 657,00 EUR (Wochenpreis). In dem Schwacke Miet­preisspiegel 2006 wird das gewichtete Mittel als Modus bezeichnet (siehe Seite 4 des Mietpreisspiegels). Danach kostete die Anmietung eines solchen Fahrzeuges

169.00   EUR (Tagespreis), 507,00 EUR (3-Tagespreis) und 845,00 EUR (Wochenpreis). Demnach müsste es in der Zeit von 2003 bis 2006 zu Preissteigerungen von 16,55 % (Tagespreis), 26,43 % (3-Tagespreis) und 28,61 % (Wochenpreis) gekom­men  sein. Ausweislich des vom Statistischen Bundesamt  herausgegebenen Verbraucherpreisindex sind die Verbraucherpreise von 2003 bis 2006 von 104,5 auf 110.1  Punkte gestiegen (Jahr 2000 – 100 Punkte). Daraus ergibt sich eine Preisstei­gerung von ca. 5 %. Wirtschaftliche Gründe, die eine weit darüber hinausgehende Preissteigerung in der Mietwagenbranche in den letzten Jahren rechtfertigen könn­ten, liegen nicht vor. Weder die Kosten für die Beschaffung von Fahrzeugen für die Vermietung noch die Personalkosten sind in den letzten Jahren überdurchschnittlich gestiegen. Es besteht der Verdacht, dass die Preisangaben in dem Mietpreisspiegel durch künstliche Angebotspreise in die Höhe getrieben worden sind. Dies ist möglich, weil im Schwacke Mietpreisspiegel lediglich Angebotspreise erhoben werden. Die Zahl der auf dieser Grundlage abgeschlossenen Geschäfte spielt dabei keine Rolle. Als Plausibilitätskontrolle sind lediglich Im Rahmen einer zeitlich begrenzten Phase Testanrufe vorgenommen worden, um die dort genannten Preise mit den gemeldeten Daten vergleichen zu können. Die genaue Anzahl der Testanrufe und das Ergebnis ist nicht bekannt. Da demnach nicht auszuschließen ist, dass die Preisermittlung durch Angebote beeinflusst worden ist, die dem Markt nicht entsprechen, legt die Kammer den Schwacke Mietpreisspiegel für das Jahr 2006 der Schadensschätzung nicht zugrunde. Sie stützt sich vielmehr auf den Mietpreisspiegel für das Jahr 2003.

Als Inflationsausgleich nimmt die Kammer jedoch einen Preisaufschlag von 5 % ent­sprechend dem Verbraucherindex des Statistischen Bundesamtes vor.

Auf dieser Grundlage schätzt die Kammer die angemessenen Mietwagenkosten für 11 Tage auf 1.263,15 EUR (ein Wochenmietpreis in Höhe von 657,00 EUR + ein 3-Tagesmietprels in Höhe von 401,00 EUR + einen Tagestarif in Höhe von 145,00 EUR = 1,203,00 EUR + 5 % Inflationsausgleich = 1.263,15 EUR)

Hinzu kommen die Zuschläge für weitere Leistungen des Autovermieters, die in dem Grundpreis nicht enthalten sind. In dem Schwacke Mietpreisspiegel 2003 werden sie in einer Nebenkostentabelle gesondert dargestellt. Sie betragen für die Vollkasko­versicherung 231 EUR, einen zusätzlichen Fahrer 110,00 EUR, Zustellung/Abholung 50,00, Navigationsgerät 110,00 EUR und Anhängerkupplung 110,00 EUR. Die drei letzten Beträge hat die Kammer dem Mietpreisspiegel für das Jahr 2006 entnommen. Die Kosten für die Zustellung und Abholung war in dem Mietpreisspiegel 2003 als Pauschale nicht enthalten. Die beiden weiteren Einzelangaben fehlten in diesem Mietpreisspiegel 2003 noch. Die Aufwendungen für diese Zusatzleistungen sind e­benfalls erstattungsfähig. Die Unfallgeschädigte konnte ein Ersatzfahrzeug anmieten, welches hinsichtlich der Leistungsmerkmale dem unfallgeschädigten Fahrzeug ent­spricht. Ausweislich des Mietvertrages vom 18.9.2006 (Blatt 11 der Akten) verfügte das angemietete Ersatzfahrzeug über die vorgenannten Ausstattungsmerkmale. Dass diese in dem beschädigten Fahrzeug nicht enthalten waren, trägt die Beklagte nicht vor.

Unter Berücksichtigung dieser Zuschläge ist ein Mietpreis in Höhe von 1,874,15 EUR angemessen,

Ein Abzug In Höhe von 10 % wegen ersparter Eigenkosten ist nicht vorzunehmen weil die Geschädigte unbestritten ein Fahrzeug einer niedrigeren Fahrzeugklasse angemietet hat.

Es ist jedoch gerechtfertigt, einen weiteren Zuschlag in Höhe von 20 % wegen der Anmietung eines Fahrzeuges nach einem Verkehrsunfall zu gewähren. Ein höherer Betrag als der Normaltarif ist ersatzfähig, wenn dieser erhöhte Tarif mit Rücksicht auf die Besonderheiten der Unfallsituation (zum Beispiel Notwendigkeit der Vorfinanzierung, Ausfallrisiko der Forderung u.a.) gerechtfertigt ist (vgl. Schubert, in: Bamber- ger/Roth, Beck’scher Onlinekommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Stand; 1.9.2006, § 249 BGB Rn 242 m.w.N.). Ob und In welcher Höhe unfallbedingte Zu­satzleistungen des Vermieters die Erstattung höherer Mietwagenkosten als nach dem Normaltarif rechtfertigen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gemäß § 287 ZPO vom Tatrichter zu schätzen (BGH NJW 2006, 1506, 1507). Dabei muss die jeweilige Kalkulationsgrundlage des konkreten Anbieters vom Geschädigten be­ziehungsweise vom Gericht nicht im einzelnen betriebswirtschaftlich nachvollzogen werden; die Mehrleistungen und besonderen Risiken müssen aber generell einen erhöhten Tarif – unter Umständen auch durch einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif – rechtfertigen (vgl, Rüßmann, in; jurisPK-BGB, 3. Auflage 2006, § 249 BGB Rn 81 m.w.N,). Aufgrund der Besonderheiten der Unfallsituation ist in der Regel ein höherer Mietwagenpreis als der Normaltarif zur Schadensbeseitigung i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich. Zu den durch die Unfallsituation bedingten besonde­ren Leistungen des Vermieters zählen solche, die bei der gebotenen subjektbezoge­nen Schadensbetrachtung zu dem zur Beseitigung des Schadens erforderlichen Aufwand des Geschädigten gehören und nicht nur dem Geschädigten die eigene Mühewaltung oder die Durchsetzung der Ersatzforderung abnehmen, aber In Rech­nung stellen (vgl. Greiner ZfS 2006, 124, 128 m.w.N.). Als rechtfertigende Gründe sind etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung we­gen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder den Kfz-Vermieter u. ä. zu nennen (vgl. BGH, NJW 2006, 360, 361). Ein solcher Auf­schlag unabhängig davon, in welchem Umfang im konkreten Fall unfallbedingte Zu­satzleistungen des Autovermieters in Anspruch genommen wurden, erscheint auch allein praktikabel und notwendig, um die Schadensabwicklung zu vereinheitlichen und zu erleichtern (vgl. Greger NZV 2006, 1, 5). Die Kammer folgt insoweit dem Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 2.3.2007 (NZV 2007, Seite 199) und hält gemäß § 287 ZPO einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif In Höhe von 20 % für gerechtfertigt, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfall­ersatzfahrzeuggeschäfts im Vergleich zur „normalen“ Autovermietung angemessen zu berücksichtigen. Die Kammer setzt sich damit nicht in Widerspruch zu der Ent­scheidung des BGH vom 26.6.2007 (NJW 2007, Seite 2916). Entgegen der Auffas­sung der Berufung hat der Bundesgerichtshof nicht entschieden, dass ein Aufschlag auf Grund der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges nach einem Unfall nur dann in Be­tracht kommt, wenn vorgetragen wird, dass spezifisch unfallbedingte Leistungen vorgelegen haben. In der zitierten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof vielmehr ausgeführt, dass auch ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif in Betracht kommt.

Unter Berücksichtigung eines Zuschlages in Höhe von 20 % sind Mietwagenkosten in Höhe von 2.246,98 EUR angemessen. Gezahlt hat die Beklagte 1.203,00 EUR. Es verbleibt der zuerkannte Betrag in Höhe von 1.045,98 EUR.

Die Klägerin hat darüber hinaus keinen Anspruch auf Erstattung des von ihr berech­neten Unfallersatztarifes. Über das objektiv erforderliche Maß hinaus kann der Ge­schädigte im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung den übersteigenden Betrag nur ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Ein­flussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zu­mutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer „(Normal-)Tarif“ zugänglich war (BGH, NJW 2006, Seite 2106). Hierzu hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen. 

Soweit das LG Kleve.

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