Amtsrichterin des AG Neunkirchen (Saar) verurteilt mit kritisch zu sehender Begründung die HUK-COBURG zur Freistellung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 12.8.2014 – 4 C 923/13 (02) -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

und schon wieder ein Urteil gegen die HUK-COBURG. Nachstehend veröffentlichen wir hier ein Urteil des AG Neunkirchen an der Saar zu den Sachverständigenkosten. Es handelt sich um die Klage des Geschädigten gegen die HUK-COBURG, sodass das Grundsatzurteil des BGH vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – (= BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90) anzuwenden wäre, auch hinsichtlich der Nebenkosten. Am Anfang hat die ekennende Amtsrichterin wieder alles richtig gemacht und zutreffend auf das BGH-Urteil VI ZR 225/13 hingewiesen. Dann aber bei den Nebenkosten doch wieder gekürzt, obwohl sich aus BGH VI ZR 225/13 eine solche Kürzung nicht ergibt und auch nicht begündbar ist. Die erkennende Amtsrichterin muss sich die Frage stellen lassen, ob der Geschädigte  bei Beauftragung des Sachverständigen sofort erkennen konnte, dass Datev-Kosten (soll wohl heißen: DAT-Kosten) im Grundhonorar enthalten sein müssen? Denn auf die Ex-ante-Sicht kommt es nach BGH-Rechtsprechung an (vgl. BGH Urt. v. 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – = BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144). Im übrigen muss sich die Richterin fragen lassen, wo genau es steht, dass die Datev-Kosten der Bearbeitung des Gutachtens zuzurechnen sind? In der nicht vorhandenen Kostenordnung für Sachverständige etwa? Oder hat die erkenende Amtsrichterin nur die von den HUK-COBURG-Anwälten vorgetragenen Behauptungen unreflektiert übernommen? Für den letzteren Fall kann man nur mit Unverständnis reagieren. Fest steht aber, dass für diese gerichtliche Fehlleistung dem Kläger wieder anteilige Kosten auferlegt wurden.  Aber genau diese Fehlurteile befeuern die HUK-COBURG dazu, Schadensersatzkürzungen, insbesondere bei den Sachverständigenkosten, fortzusetzen. Es wird daher Zeit, dass eine staatliche Versicherungsaufsicht anstelle der wenig hilfreichen BaFin die Versicherer auf ihre eigentliche Aufgabe hinweisen und kontrollieren. Was denkt Ihr?

Viele Grüße
Willi Wacker

4 C 923/13(02)                                                                                 Verkündet am 12.03.2014

Amtsgericht Neunkirchen

Urteil

I m   N a m e n   d e s   V o l k e s

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

Beklagte

wegen Sachverständigenkosten
hat das Amtsgericht Neunkirchen durch die Richterin am Amtsgericht H. im schriftlichen Verfahren mit einer Erklärungsfrist bis 5. August 2014 am 12. August 2014

für Recht erkannt:

1.   Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Forderungen der … Sachverständigengeseltschaft mbH, aus der Rechnung Nr. … vom 19.07.2013 in Höhe von 123,85 freizustellen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.09.2013. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.   Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerseite 16 %, die Beklagtenseite 84%.

3.   Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4.   Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte restliche Ansprüche aus einem Verkehrsunfall – Sachverständigenkosten – geltend.

Die Haftung der Beklagten für das Unfallereignis vom 13.07.2013 ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger beauftragte die Sachverständigengesellschaft … mit der Erstellung eines Schadensgutachtens, welches diese mit einem Betrag in Höhe von gesamt 687,65 Euro in Rechnung stellte, K2. Die Reparaturkosten wurden mit netto 2.235,12 Euro bewertet; die eingetretene Wertminderung mit 225,00 Euro.

Mit Schreiben vom 9.08.2013 teilte die Beklagte mit, dass sie dass Sachverständigenhonorar mit nur 540,00 Euro abrechnen werde.

Der Kläger behauptet,
die Sachverständigenkosten, die in Rechnung gestellt worden seien, seien zur Schadensbeseitigung auch erforderlich.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung,
die allenfalls berechtigten Ansprüche des Klägers seien mit der von ihr erbrachten Zahlung vollständig erfüllt. Gemäß §242 BGB sei die dolo agit Einrede zu erheben, da die Kostenrechnung des Sachverständigen weit überhöht ist, was auch ein Laie hätte erkennen können und müssen. Insbesondere könnten auch Nebenkosten, deren tatsächlicher Anfall bestritten werden, nicht neben einem pauschalierten Grundhonorar gezahlt werden. Im Übrigen sei bekannt, dass außergerichtliche Anschreiben nicht zum Erfolg führen, so dass ein Ersatz von Anwaltskosten nicht in Betracht komme, da nicht erforderlich.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

I. Haftung dem Grunde nach

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten aus dem Unfallereignis §§ 7, 18 StVGt § 115 VVG. Die Haftung dem Grunde nach ist unstreitig, in Verbindung mit § 398 BGB.

II. Sachverständigenkosten der Höhe nach

Die Kosten des eingeholten Schadensgutachtens sind dem Grunde nach erstattungsfähig, § 249ff BGB, wobei die Erstattungsfähigkeit auf den erforderlichen Herstellungsaufwand beschränkt ist. Nach § 249 Abs. 2 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11. 02.2014, VI ZR 225/13 ausführt, bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 BGB die tatsächliche Rechnungshöhe ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten beschränkten Erkenntntsmöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Ein Indiz bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes eine maßgebliche Rolle. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen.

Grundsätzlich ist von der Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten auszugehen, wenn sie sich innerhalb des Honorarkorridors bewegen, in dem nach der jeweils einschlägigen BVSK-Honorarbefragung je nach Schadenshöhe zwischen 40 und 60 % der BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen (unter anderem Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 22.06.2012, 13 S 37 /12 – zitiert nach juris). Ausgehend von der BVSK-Befragung für die Jahre 2012/2013 liegt das vorliegende Honorar ausgehend von einem Reparaturschaden brutto in Höhe von 2.719,29 Euro im Rahmen der BVSK-Befragung und ist von daher nicht zu beanstanden.

Des weiteren geht das Gericht davon aus, dass grundsätzlich Nebenkosten auch neben einem pauschalierten Grundhonorar als erstattungsfähig anzusehen sind.

Dass die Nebenkosten angefallen sind, ist nur pauschal bestritten worden. Zudem ergibt sich aus dem Gutachten selbst und dessen Verwendung, dass Nebenkosten jedenfalls angefallen sind. Auch ergibt sich aus der Liquidation, dass das Fahrzeug besichtigt worden ist, so dass schon von daher vom Anfall von Fahrtkosten auszugehen ist. Allerdings sind die Datev-Kosten (soll wohl heißen: DAT-Kosten, Anm. der Redaktion) der Bearbeitung des Gutachtens zuzurechnen und nicht als gesonderte Nebenkosten anzuerkennen.

Unter Berücksichtigung der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht das Gericht vorliegend nicht davon aus, dass der Kläger von vorneherein hätte erkennen können, dass der Sachverständige überhöhte Nebenkosten abrechnen würde. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass die Nebenkosten in der aus der Rechnung ersichtlichen Höhe zu ersetzen sind, insoweit ist hervorzuheben, dass es für die Erkennbarkeit einer Überhöhung der Nebenkosten auf die Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung ankommt, wobei der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung hervorgehoben hat, dass der Geschädigte, zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigen Honorarangebot nicht verpflichtet ist.

Im vorliegenden Fall fallen die geltend gemachten Kosten nicht von vorneherein aus dem Rahmen des für die Behebung erforderlichen Geldbetrages des für die Behebung des Schadenserforderlichen Geldbetrages. Das Gericht geht in diesem Zusammenhang darüber hinaus davon aus, dass die in Rechnung gestellten Nebenkosten aufgrund eigener Inaugenscheinnahme durch Sachverständige der Klägerin auch entstanden sind.

Vorliegend hat die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Schädigers auch nicht dargelegt, dass der Kläger als Geschädigter gegen seine Pflicht zur Schadensminderurig aus § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte. Vorliegend liegen die Nebenkosten noch innerhalb der BVSK-Befragung.

Zinsen sind unter Verzugsgesichtspunkten zu erstatten, §§ 286ff BGB.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711.

Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, da dies der Vereinheitlichung der Rechtsprechung dient.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu Amtsrichterin des AG Neunkirchen (Saar) verurteilt mit kritisch zu sehender Begründung die HUK-COBURG zur Freistellung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 12.8.2014 – 4 C 923/13 (02) -.

  1. Werner H sagt:

    Nicht umsonst haben damals die Versicherer dafür gesorgt, dass die Bundesaufsichtsbehörde, die eine staatliche Bundesbehörde war, durch die wenig durchsetzungsfähige BaFin ersetzt wurde. Es wurde bewußt ein „Zahnloser Papiertiger“ geschaffen. Lobbyarbeit hat sich wieder einmal gelohnt – für die Vesicherer zum Nachteil der Verbraucher!

  2. zappi sagt:

    Da wollen wir doch mal das Ergebnis der zugelassenen Berufung abwarten und darauf wetten, dass der Berufungskammer bestimmt wieder etwas nicht Vorhersehbares einfällt. Die Brücke des Rechts muss doch zu destabilisieren sein und das bei gesicherter Vollbschäftigung. Wer ist eigentlich rühriger und interessierter, die Berufungskammer des LG Saarbrücken oder der BJM Heiko Maas?

    zappi

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