AG Bad Homburg v. d. H. verurteilt die VHV Versicherungs AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 29.9.2016 – 2 C 2889/15 (28) -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

zum Thema „Sachverständigenkosten“ stellen wir Euch noch ein Urteil aus Bad Homburg v. d. H. vom 29.9.2016 vor. Auch bei einem Schaden, der bei etwa 770,– € lag, was der Geschädigte aber bei Hinzuziehung des Sachverständigen nicht wusste und nicht wissen konnte, ist der Geschädigte berechtigt, einen Sachverständigen seiner Wahl zur Festsellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe zu beauftragen. Auch in diesem Fall hat der Schädiger die Kosten der Begutachtung zu ersetzen, denn bei den Gutachterkosten handelt es sich entweder um Kosten, die mit dem Schaden unmittelbar verbunden sind und gemäß § 249 I BGB auszugleichen sind oder um erforderlichen Herstellungsaufwand, der über § 249 II 1 BGB  zu erstatten ist, wenn die vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 ff.). Vom BGH ist eine Grenze bei etwa 715,– € revisionsrechtlich nicht beanstandet worden. Im konkreten Fall, der vor dem AG Homburg v.d.H. verhandelt und entschieden wurde, lag mithin kein sogenannter „Bagatellschaden“ vor. Lest selbst das Urteil gegen die VHV Versicherung und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Bad Homburg v. d. H.                                      Verkündet durch Zustellung
Aktenzeichen: 2 C 2889/15 (28)                                           am:

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

VHV Versicherung AG vertr. d. d. Vorstand, VHV Platz 1, 30177 Hannover

Beklagte

hat das Amtsgericht Bad Homburg v. d. H. durch den Richter am Amtsgericht W. im vereinfachten schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO am 29. September 2016 für Recht erkannt:

1.   Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in der Höhe von 420,10 € zzgl. Zinsen hieraus in der Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. November 2015 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.   Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3.   Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

(Auf die Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß den §§ 313 a, 495 a ZPO verzichtet)

Die zulässige Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung in vollem Umfang begründet. Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch in der Höhe von 420,10 € gegen die Beklagte. Dieser Anspruch des Klägers stützt sich auf die §§ 823, 249 BGB, 7, 17, 18 StVG i.V.m. den §§ 115, 116 VVG.

Nach der Einschätzung des Gerichts ist der Kläger zur Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs aktiv legitimiert. Soweit die Beklagte die Aktivlegitimation des Klägers im Hinblick auf seine Stellung als Eigentümer an dem streitbefangenen Fahrzeug in Zweifel gezogen hat, greift dies nicht durch. Denn augenscheinlich hat die Beklagte schon vorgerichtlich Zahlungen an den Kläger erbracht. Insoweit kann sie sich nicht nunmehr erst im Prozess auf die fehlende Aktivlegitimation des Klägers stützen (§ 242 BGB).

Nach dem insoweit unstreitig gebliebenen Vortrag des Klägers ist die Beklagte zu 100% für den Unfallschaden des Klägers verantwortlich. Deshalb kann und darf das Gericht davon ausgehen, dass die Beklagte vorgerichtlich schon Entschädigungszahlungen an den Kläger geleistet hat. Insoweit hätte die Beklagte schon zum damaligen Zeitpunkt Einwände gegenüber der Aktivlegitimation des Klägers erheben müssen. Tat sie dies nicht, kann sie sich nunmehr nicht erst im Prozess auf den Standpunkt der fehlenden Aktivlegitimation des Klägers berufen. Der hiervon abweichenden Einschätzung des Landgerichts Darmstadt (vgl. die im Rahmen der Klageerwiderung zitierte Entscheidung in NZV 2007, 89) folgt der unterzeichnende Richter ausdrücklich nicht.

Im übrigen hat der Kläger eine Bescheinigung der Santander Consumer Leasing GmbH vorgelegt. Ob es sich insoweit um die finanzierende Bank des Klägers handelt, kann dahinstehen. Denn ungeachtet dessen hat der Kläger vorgetragen, dass auch die Santander Consumer Leasing GmbH mit der Geltendmachung der Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz aus dem streitgegenständlichen Schadensereignis ausdrücklich einverstanden ist. Hierzu hätte es keine Veranlassung gegeben, wenn es sich bei der Santander Consumer Leasing GmbH nicht um die finanzierende Bank des Klägers handeln sollte. Soweit die Beklagte dies pauschal bestritten hat, hält das Gericht letzteres für unbeachtlich.

Auch die Passivlegitimation der Beklagten ist gegeben. Denn diese haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten ausdrücklich nicht bestritten. Sie haben lediglich – mit Recht – darauf hingewiesen, dass ein Versicherer wie von dem Kläger in Anspruch genommen nicht existiert. Ungeachtet dessen allerdings haben sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten ausdrücklich zur Sache eingelassen, ohne die entsprechende Passivlegitimation der Beklagten zu rügen. Die insoweit augenscheinliche Falschbezeichnung der Beklagten ändert an der Passivlegitimation nichts.

Da allerdings die Prozessbevollmächtigten des Klägers auch keine Berichtigung des Passivrubrums beantragt haben, ist der unterzeichnende Richter hierzu nicht in der Lage. Deshalb muss es der Vollstreckung dieses Urteils vorbehalten bleiben, ob die Beklagte – sollte es sie tatsächlich in der angesprochen Form nicht geben – zu Zahlungen auf die Klageforderung in Anspruch genommen werden kann.

Unstreitig firmiert nämlich die VHV Versicherung als „VHV Allgemeine Versicherung AG“. Dies folgt unzweifelhaft und unmissverständlich aus der entsprechenden Erklärung der Beklagten im Rahmen ihrer Verteidigungsanzeige vom 25. November 2015 (Bl. 27 d.A.). Diese hat der unterzeichnende Richter dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Verfügung gestellt, ohne dass letztere eine Berichtigung des Passivrubrums begehrt hat. Auf die entsprechende Fehlerhaftigkeit des Passivrubrums haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten den Kollegen der Gegenseite auch zweimal hingewiesen. Ohne einen entsprechenden Antrag des Klägers kann das Gericht allerdings nichts veranlassen.

Der geltend gemachte Anspruch des Klägers besteht zu Recht. Insoweit folgt das Gericht der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs im Rahmen des Urteils vom 30. November 2004 (Geschäftszeichen VI ZR 365/03). Insoweit hat der BGH zum Ausdruck gebracht, dass für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der Begutachtung eines Fahrzeugs auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen ist (vgl. hierzu BGH, Seite 11 der Entscheidungsgründe, Anlage zur Klage, Bl. 21 d.A.; BGH, NJW 1995, 446, 447). Demnach kommt es entscheidend darauf an, ob ein verständiger oder wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte (vgl. BGHZ 54, 82, 85; BGH, Urteil vom 30. November 2004, Seite 11 der Entscheidungsgründe).

Anknüpfend hieran konnte der Geschädigte – im vorliegenden Falle also der Kläger – zum Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen nicht beurteilen, ob und inwieweit der Schaden an seinem Fahrzeug lediglich bagatellmäßig abzuwickeln war. Tatsächlich ist aus den Lichtbildern des beschädigten Fahrzeugs lediglich ein geringfügiger Schaden an der Heckstoßstange des Fahrzeugs zu erkennen. Mit welchem Kostenaufwand dieser zu reparieren sein würde, konnte der Kläger allerdings zum damaligen Zeitpunkt beim besten Willen nicht erkennen. Insoweit kann der unterzeichnende Richter die Beauftragung eines Kfz.-Sachverständigen durch den Kläger nicht beanstanden. Denn die Höhe des Schadens war für den Kläger überhaupt nicht zu kalkulieren.

Insoweit sind auch die von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten herangezogenen Entscheidungen anderer Gerichte im vorliegenden Falle nicht ausschlaggebend. Denn ohne detaillierte Kenntnis komplizierter Fahrzeugtechnik war für den Kläger nicht zu erkennen, ob der Reparaturschaden lediglich bagatellmäßig abzuwickeln ist oder ggf. ein höherer Reparaturschaden entstanden sein konnte. Schon aus diesem Grunde ist das Gericht der Auffassung, dass von vornherein keinem Geschädigten die Einschaltung eines Kfz.-Sachverständigen verwehrt sein kann. Das gilt umso mehr, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Fahrzeug des Klägers zum Schadenszeitpunkt lediglich gut zwei Jahre alt war und über eine Kilometerlaufleistung von rund 55.000 km verfügte. Auch deshalb hält das Gericht im Hinblick auf die Neuwertigkeit des beschädigten Fahrzeugs des Klägers die Einschaltung eines Kfz.-Sachverständigen für durchaus geboten.

Im übrigen ist zu beachten, dass der von dem Sachverständigen kalkulierte Reparaturschaden sich auf immerhin 773,29 € netto beläuft. Auch deshalb kann von einem Bagatellschaden keine Rede sein. Denn richtigerweise dürfte die Bagatellschadensgrenze gemäß der von dem unterzeichnenden Richter für zutreffend angesehenen Rechtsprechung des Amtsgerichts Staufen (vgl. das Urteil vom 31. Juli 2015, Az.: 2 C 41/15) bei 750,00 € anzusiedeln sein. Diese Grenze ist allerdings im vorliegenden Falle – wenn auch nur leicht – überschritten.

Allerdings war dies für den Kläger – wie schon vorstehend ausgeführt – überhaupt nicht zu erkennen. Denn mit welchem Kostenvolumen sein Fahrzeug repariert werden konnte, war für den Kläger nicht zu ermessen bzw. zu kalkulieren. Der Umfang eines Fahrzeugschadens ist für einen technischen Laien im Hinblick auf die zunehmend komplizierter werdende Fahrzeugtechnik nur schwer abschätzbar. Gerichtsbekannt können selbst äußerlich kaum sichtbare Schäden teilweise tiefer gehende Schadensbilder erzeugen. Deshalb geht das Gericht davon aus, dass der Kläger einen Kfz-Sachverständigen einschalten durfte. Insoweit muss die Beklagte auch die Kosten des Sachverständigen ersetzen.

Von welcher Differenz der Prozessbevollmächtigte des Klägers insoweit im Rahmen der Klageschrift sprach (Seite 2, Bl. 2 d.A.), welche der Kläger nach der Kürzung durch die Beklagte an den Sachverständigen gezahlt haben soll, weiß der unterzeichnende Richter nicht. Denn gemäß der mit der Klageschrift vorgelegten Bestätigung des Kfz.-Sachverständigen vom 10. November 2015 hat der Kläger die Sachverständigenkosten in vollem Umfang gezahlt. Da von einer verweigerten Zahlung durch die Beklagte auszugehen ist, steht ihm also der Anspruch auf die volle Erstattung der Kfz.-Sachverständigenkosten zu.

Der ausgeurteilte Zinsanspruch folgt in der Höhe des gesetzlichen Zinssatzes als Rechtshängigkeitszins aus den §§ 288, 291 BGB. Rechtshängigkeit trat mit der Zustellung der Klage bei der Beklagten am 24. November 2015 ein.

Von einem Verzug der Beklagten mit dem Ausgleich der Sachverständigenkosten kann das Gericht allerdings nicht ausgehen. Denn das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14. Oktober 2015 hat er mit der Klageschrift nicht vorgelegt. Anknüpfend hieran ist von einer erstmaligen Geltendmachung des Anspruchs des Klägers durch das vorgerichtliche Schreiben vom 14. Oktober 2015 auszugehen. Weshalb dieses einen Verzug der Beklagten begründen sollte, ist nicht dargetan.

Ebenso wenig kommt ein Anspruch des Klägers auf die Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten in Betracht. Denn diese sind auch der Höhe nach gänzlich unsubstantiiert vorgetragen. Im Rahmen der Klageschrift hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers lediglich dargelegt, dass die Beklagte auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten einen Betrag in der Höhe von 147,56 € gezahlt habe. Wie sich dieser Betrag einerseits und die Forderung des Klägers andererseits im Hinblick auf die Gebührenstreitwerte zusammensetzen, bleibt völlig unklar. Es ist nicht die Aufgabe des Gerichts, die Gebührenstreitwerte aus gar nicht vorhandenen Unterlagen zu ermitteln. Deshalb war die Klage insoweit abzuweisen.

Die Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten stützt sich auf § 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO. Da die Klage in Bezug auf die Hauptforderung begründet ist, hat die Beklagte die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Rechtsgrundlage der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit sind die §§ 708 Ziffer 11, 711 und 713 ZPO. Denn das Gericht hat im Hinblick auf den geringen Streitwert keine Veranlassung gesehen, ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil zuzulassen.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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3 Antworten zu AG Bad Homburg v. d. H. verurteilt die VHV Versicherungs AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 29.9.2016 – 2 C 2889/15 (28) -.

  1. Urteilsbeobachter sagt:

    Warum der Klägervertreter keine Passivrubrumsberichtigung beantragt hat, bleibt wohl auch sein Geheimnis, zumal das Gericht bereits aufmerksam gemacht hat. Jetzt kann es bei der möglichen Vollstreckung Schwierigkeiten geben, worauf das Gericht auch bereits hingewiesen hat.

  2. Enno von Entenhausen sagt:

    Hallo,W.W.,
    hier könnte man titeln:

    Auch AG Bad Homburg v. d. H. verurteilt die VHV Versicherungs AG zur Zahlung rechtswidrig gekürzter Gutachterkosten.

    Fazit: In der Klarheit liegt die Wahrheit.-

    Wiederum ein verständliches Urteil, was bei Honorarkürzungen den Versicherungsnehmern dieser VHV nicht vorenthalten werden sollte. Es ist deshalb graphisch aufbereitet schon griffbereit in die VHV-Akte und hat collegialiter schneller Verbreitung bei Werkstätten, Rechtsanwälten und Kfz.-Sachverständigen gefunden, als sich das die VHV überhaupt vorzustellen vermag. Nicht gerade eine gute Werbung für die Versicherungsagenturen.- Na ja, wer Wind säht, wird Sturm ernten, so ist das Leben. Aber dafür haben die in Hannover rein vorsorglich besonders herausragende Prozeßbevollmächtigte und einen nicht zu übersehenden Bonus beim AG Hannover und teilweise auch beim LG. Das ist fast so, wie in Coburg.

    Enno von Entenhausen

  3. Glöckchen sagt:

    Und wieder ist ein untauglicher Versuch gescheitert,dem Unfallopfer wegen fehlender hellseherischer Fähigkeiten ein Mitverschulden anzulasten.
    VHV…….setzen sechs!

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