AG Baden-Baden verurteilt HUK Coburg Versicherung und deren VN zur Erstattung der restlichen Sachverständigenkosten (Az.: 1 C 32/11 vom 26.08.2011)

Mit Entscheidung vom 26.08.2011 (1 C 32/11) wurde die HUK Coburg Versicherung sowie deren VN u.a. zur Erstattung des restlichen Sachverständigenhonorars verurteilt. Die Begründung des Urteils stützt sich im Kern auf schdensersatzrechtliche Gesichtspunkte. Auch hier ist die HUK wieder mit dem Versuch gescheitert, das Gesprächsergebnis BVSK – HUK Coburg/Bruderhilfe, mit dem sich übrigens auch schon das Kartellamt auseinander gesetzt hat, als Maßstab zur „Angemessenheit eines Sachverständigenhonorars“ im Prozess zu etablieren. Das Urteil wurde erstritten und übersandt durch Herrn Rechtsanwalt Michael Huber aus 76547 Sinzheim.

Aktenzeichen:
1 C 32/11

Verkündet am:
26.08.2011

Amtsgericht Baden-Baden

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

gegen

1)

– Beklagte –

2)

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Baden-Baden
durch den Direktor des Amtsgerichts …
am 26.08.2011 auf die mündliche Verhandlung vom 04.08.2011

für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.824,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.12.2010 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Nebenkosten in Höhe von 189,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.12.2010 zu zahlen.

3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls, der sich am 24.11.2010 gegen 15.10 Uhr im Kreuzungsbereich … ereignet hat.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte Ziff. 1 das Alleinverschulden am Zustandekommen des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls trifft und eine Mithaftung ihrerseits nicht gegeben ist. Ihren Schaden beziffert die Klägerin wie folgt:

Reparaturkosten:     1.614,45 €

Gutachterkosten          464,16 €

Nutzungsausfall             87,00 €

Wertminderung           150,00 €

Kostenpauschale           25,00 €

Summe:                    2.340,61 €.

Seitens der Beklagten Ziff. 2 wurde bisher eine Zahlung in Höhe von 516,49 € erbracht. Den Differenzbetrag sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 189,33 € macht die Klägerin mit der Klage geltend.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.824,12 € sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.12.2010 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, vorgerichtliche Nebenkosten in Höhe von 189,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.12.2010 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass der Klägerin eine Vorfahrtsverletzung zur Last zu legen ist, weshalb auf ihrer Seite nur eine Mithaftung in Höhe von 25 % in Betracht kommt.

Die Beklagten tragen vor, dass es sich vorliegend um einen Bagatellschaden gehandelt habe, weshalb die Einschaltung eines Sachverständigen nicht erforderlich gewesen sei. Einen höheren Betrag als 189,50 € könne die Klägerin als Sachverständigenkosten auch nicht beanspruchen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen … . Hinsichtlich ihrer Angaben wird auf die Vernehmungsniederschrift vom 04.08.2011 Bezug genommen.

Weitergehend hat das Gericht Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich der mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen wird auf die Vernehmungsniederschrift vom 04.08.2011 Bezug genommen.

Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die zu Beweiszwecken beigezogene Akte des Polizeireviers Baden-Baden (Az. 505.38.005822.1).

Entscheidungsgründe

Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein weitergehender Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.824,12 € gem. §§ 7 StVG, 823, 249 ff. BGB, 115 VVGzu.

Nach durchgeführter Beweisaufnahme ist das erkennende Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte Ziff. 1 das Alleinverschulden am Zustandekommen des streitgegenständlichen Unfalls trifft. Es ist festzustellen, dass sie deutlich und in eklatanter Weise gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen hat. Sie ist beim Abbiegen nach links mit ihrem Fahrzeug vollständig in die der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs zustehende Fahrspur geraten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Vorfahrtsverletzung durch das klägerische Fahrzeug nicht gegeben. Das klägerische Fahrzeug ist vor der Kollision in keiner Weise in die dem Fahrzeug der Beklagten Ziff. 1 zur Verfügung stehende Fahrspur hineingeraten. Dies lässt sich bereits eindrucksvoll den vorgelegten Lichtbildern entnehmen. Im übrigen wird dies auch durch die Angaben der Unfallbeteiligten sowie durch die Ausführungen des Sachverständigen bestätigt.

Auch wenn man der Auffassung sein sollte, dass die Klägerin den Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses nicht geführt hat, ist das erkennende Gericht der Überzeugung, dass im Hinblick auf das grob verkehrswidrige Verhalten der Beklagten Ziff. 1 eine Mithaftung der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr unangemessen erschiene. Das Fehlverhalten der Beklagten Ziff. 1 wiegt derart stark, dass die vom Fahrzeug der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr dahinter zurücktritt.

Der der Klägerin entstandene Gesamtschaden beläuft sich auf 2.340,61 €. Die Reparaturkosten, der Nutzungsausfall, die Wertminderung und die Unkostenpauschale sind zwischen den Parteien unstreitig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Klägerin die Erstattung von Sachverständigenkosten in Höhe von 464,16 € beanspruchen.

Die Kosten für das vorgerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, da diese Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig war. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Klägerin vorliegend berechtigt, einen Sachverständigen einzuschalten.

Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB haben die Beklagten als Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Sofern die Klägerin hinsichtlich der Sachverständigengebühren den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt, kann eine Preiskontrolle in diesem Zusammenhang nicht durchgeführt werden (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2007; AZ: VI ZR 67/06).

Im Rahmen des vorliegenden Schadensersatzprozesses ist dabei allein maßgeblich, ob die vom Sachverständigen berechneten Kosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten sich im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang, ob die zwischen der Klägerin und dem Sachverständigen getroffene Preisvereinbarung wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 BGB unwirksam ist oder die Frage, welche Vergütung bei fehlender Honorarvereinbarung zwischen der Geschädigten und dem Sachverständigen von letzterem nach „billigem Ermessen“ gem. § 315 Abs. 1 BGB bestimmt werden könnte.

Als erforderlichen Herstellungsaufwand kann die Klägerin als Geschädigte nach § 249 Abs. 2 BGB nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage der Geschädigten zur Behebung zweckmäßig und angemessen erscheinen. Bei der Beurteilung des erforderlichen Herstellungsaufwandes ist auch Rücksicht auf die spezielle Situation der Geschädigten, insbesondere auf ihre individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für sie bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Zu einer Erforschung des ihr zugänglichen Markts, um einen für die Beklagten möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, ist sie nicht verpflichtet. Dies und die Einholung mehrerer Kostenvoranschläge von Sachverständigen sind ihm nicht zumutbar. Auch fehlen Tarifübersichten anhand deren ein Geschädigter entsprechende Informationen einziehen könnte.

Es ist auch kein Grund dafür vorgetragen, weshalb das Sachverständigenbüro vorliegend an die Preisliste des Gesprächsergebnisses BVSK-HUK-Coburg-Bruderhilfe gebunden sein soll.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich der vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag nicht groß von dem Betrag, welcher sich aus dem Gesprächsergebnis BVSK-HUK-Coburg-Bruderhilfe ergibt, unterscheidet sowie unter weiterer Berücksichtigung der Umstände des freien Marktes erscheint das vom Sachverständigenbüro … geltend gemachte Honorar noch als im Rahmen des erforderlichen Herstellungsaufwandes liegender Aufwand.

Vorliegend sind die Beklagten im Hinblick auf die vom Sachverständigenbüro … durchgeführte Preisgestaltung auch nicht rechtlos gestellt, da es ihnen möglich gewesen wäre, seitens der Klägerin die Abtretung evtl. bestehender Rückzahlungsansprüche nach § 255 BGB zu fordern. Dies ist jedoch nicht geschehen. Bei dieser Vorgehensweise wäre es dann jedoch Sache der Beklagten darzulegen und zu beweisen, dass und aus welchen Gründen das Honorar tatsächlich zu hoch bemessen ist.

Der Sachverständige ist auch nicht Erfüllungsgehilfe der Geschädigten, so dass ein etwaiges Verschulden des Sachverständigen der Klägerin nicht zugerechnet werden kann. Da für die Klägerin nicht erkennbar war, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder der Klägerin selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann die Klägerin von den Beklagten den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen. Dass vorliegend kein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Preis besteht, ergibt sich bereits daraus, dass keine große Differenz zwischen dem Wert aus dem von den Beklagten vorgelegten Gesprächsergebnis BVSK-HUK-Coburg-Bruderhilfe und dem vom Sachverständigen berechneten Wert besteht. Ein auffälliges Missverhältnis besteht nicht.

Nach Abzug der seitens der Beklagten Ziff. 2 bisher geleisteten Zahlung über 516,49 € errechnet sich die der Klägerin noch zustehende Schadensersatzforderung mit 1.824,12 €.

Unter Schadensersatzgesichtspunkten kann die Klägerin von den Beklagten als Gesamtschuldner auch die Erstattung der ihr vorgerichtlich entstandener weiterer Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 189,33 € beanspruchen.

Ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von 2.340,61 € errechnen sich vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 272,87 € (1,3-Geschäftsgebühr: 209,30 €, Post- und Telekommunikationspauschale: 20,00 €; 19 % Mehrwertsteuer: 43,57 €).

Nachdem seitens der Beklagten Ziff. 2 bisher eine Zahlung in Höhe von 83,54 € erfolgte, verbleibt der genannte weitere Schadensersaztanspruch der Klägerin.

Die Klägerin hat schlüssig dargetan, dass sich die Beklagten aufgrund der im Aufforderungsschreiben vom 13.12.2010 bis 23.12.2010 gesetzten Zahlungsfrist seit dem 24.12.2010 in Zahlungsverzug befindet. Ab diesem Tag waren jeweils die beantragten gesetzlichen Verzugszinsen zuzusprechen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter Erfüllungsgehilfe, Haftpflichtschaden, HUK-Coburg Versicherung, Rechtsanwaltskosten, Sachverständigenhonorar, Urteile abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert