AG Bergheim verurteilt die LVM Versicherung im Schadensersatzprozess aus abgetretenem Recht zur Zahlung restlichen Schadensersatzes in Form der gekürzten Sachverständigenkosten mit lesenswertem Urteil vom 20.2.2017 – 26 C 380/16 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

von Berlin-Mitte geht es weiter nach Bergheim. Nachfolgend stellen wir Euch hier ein Urteil des Amtsgerichts Bergheim im Schadensersatzprozess um die restlichen  Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die LVM Versicherung vor. Es handelt sich hierbei endlich einmal wieder um ein schadensersatzrechtlich sauber strukturiertes Urteil ohne Angemessenheitsunsinn á la BVSK, JVEG usw. Da es sich bei den Sachverständigenkosten um unmittelbar mit dem Unfallschaden verbundene und gemäß § 249 I BGB auszugleichende Vermögensnachteile handelt (BGH VI ZR 67/06 Rn. 11), bedarf es der werkvertraglichen Angemessenheit nicht. So einfach kann korrekte Rechtsprechung im Schadensersatzprozess sein. Lest selbst das Urteil des AG Bergheim und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

26 C 380/16

Amtsgericht Bergheim

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

… ,

Klägers,

gegen

die LVM Versicherung AG, vertr.d.d. Vorstand J. Herwig u.a., Koldering 21, 48126
Münster,

Beklagte,

hat das Amtsgericht Bergheim
im schriftlichen Verfahren am 20.02.2017
durch den Richter am Amtsgericht O.

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 122,81 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.6.2016 sowie vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskösten i.H.v. 83,54 € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vollstreckbar.

Der Tatbestand entfällt gemäß § 313a ZPO.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger weitere 122,81 zu zahlen. Der Schadensersatzanspruch des Klägers aus abgetretenem Recht folgt aus §§ 398 ff. BGB i.V.m. mit §§ 7, 18 StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG.

Der Kläger hat die Klageforderung auf der Grundlage seiner Rechnung vom 13.5.2016 (Bl. 4 der Akten) unter Berücksichtigung der Teilzahlung der Beklagten dem Grunde und der Höhe nach schlüssig dargelegt. Die hiergegen erhobenen Einwände der Beklagten bleiben im Ergebnis ohne Erfolg. Im Einzelnen gilt hier folgendes:

Der Schadensersatzsnspruch ist dem Grunde nach unstreitig und bedarf insoweit keiner weiteren Erörterung. Entsprechend gilt dies für die grundsätzliche Berechtigung des Geschädigten zur Ermittlung des unfallbedihgten Schadens durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Soweit die Beklagte die von dem Kläger in Rechnung gestellten Gutachterkosten allein wegen der Nebenforderungen als überhöht erachtet, ist zunächst festzustellen, dass ein Geschädigter bei der Auswähl des Sachverständigen frei ist und insoweit keine Marktforschung betreiben muss und auch nicht gehalten ist, Preise zu
vergleichen. Diesen Grundsätzen folgend kommt es nicht allein maßgeblich darauf
an, dass ein Gutachterhonorar bei Zugrundelegung objektiver Maßstäbe überhöht ist. Entscheidungserheblich ist vielmehr, ob der Geschädigte, der generell nicht sachkundig ist, als Laie die Überhöhung einzelner Kostenpositionen erkennen musste und aufgrund dessen im Rahmen seiner ihm gegenüber dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung obliegenden Schadensminderungspflicht verpflichtet war, die Honorarrechnung gegenüber dem Sachverständigen als überhöht zurückzuweisen. Insoweit reicht es aber nicht aus, wenn die Beklagte vorliegend aufgrund ihrer mit Sicherheit gegebenen Sachkunde einzelne Kostenpositionen der Rechnung des Sachverständigen als überhöht bewertet. Vielmehr obliegt es der Beklagten, konkret darzulegen und im Hinblick auf das Bestreiten des Klägers zulässig unter Beweis zu stellen, dass für den Geschädigten als Laien im konkreten Fall die in Rede stehende Überhöhung einzelner Kostenpositionen der Rechnung des Sachverständigen tatsächlich erkennbar war, d.h. dass er die Rechnung des Sachverständigen, wenn er sie denn hätte selbst bezahlen müssen, als überhöht zurückgewiesen hätte. Insoweit fehlt es sowohl an einem hinreichend substantiierten Vortrag der Beklagten als auch an einem diesbezüglich zulässigen Beweisantritt. Nach allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln geht dies im Ergebnis zulasten der Beklagten, wobei selbst bei Zugrundelegung allein Vortrags der Beklagten zu berücksichtigen ist, dass die von ihr behauptete Überhöhung der Nebenforderungen auch objektiv nicht so eklatant ist, dass diese bereits als offenkundig gelten muss. Dass der Geschädigte vorliegend die Rechnung des Klägers nicht bezahlt, sondern die hieraus resultierende Forderung an diesen abgetreten hat, hat für das erkennende Gericht keine hinreichende Indizwirkung dafür, dass der Geschädigte die einzelnen Rechnungspositionen der Höhe nach als ordnungsgemäß oder als nicht ordnungsgemäß überhöht angesehen hat. Insoweit kommt es auch nicht entscheidungserheblich darauf an, ob der Kläger in dem von ihm erstellten Gutachten ein Honorartabelle beigefügt hat oder nicht.

Sind nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen Überhöhungen der Gutachtenkosten weder schlüssig vorgetragen noch nachgewiesen, war die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Schädigers verpflichtet, diese mit dem in Rechnung gestellten Betrag i.H.v. 682,11 € zu bezahlen. Da die Beklagte tatsächlich nur 559,30 € an den Kläger gezahlt hat, restiert die Forderung noch in Höhe von 122,81 €.

Der Klage wird damit stattzugeben.

Die darüber hinaus zuerkannten Nebenforderungen sind aus dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzuges gerechtfertigt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Streitwert: 122,81 €

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4 Antworten zu AG Bergheim verurteilt die LVM Versicherung im Schadensersatzprozess aus abgetretenem Recht zur Zahlung restlichen Schadensersatzes in Form der gekürzten Sachverständigenkosten mit lesenswertem Urteil vom 20.2.2017 – 26 C 380/16 -.

  1. HR sagt:

    Der Richter O. des AG Bergheim versteht sein Handwerk, wie dieses schnörkellose Urteil zeigt.

    Bis auf ein offensichtliches Missverständnis zu den EDV-Kosten, als Fremdkosten der Fa. AUDATEX, hat aber auch die Berufungskammer des LG Essen ein Urteil des AG Gelsenkirchen (200 C 56/15) gegen die VN der LVM abgeändert und neu gefasst.

    Aus den Entscheidungsgründen:
    „Insgesamt ist es fehlerhaft, die Nebenkosten bei der Beurteilung der Frage, ob geltend gemachte Sachverständigenkosten überhöht sind, isoliert zu betrachten.“

    „Der Ansatz des Amtsgerichts die einzelnen Nebenkostenpositionen für sich genommen zu betrachten, so überzeugend die dazu angestellten Erwägungen teilweise auch sein mögen, ist somit verfehlt.“

    „Im Übrigen liegt das vom Kläger berechnete Honorar im Rahmen der VKS/BVK-Umfrage, auf die er in seinen AGB ausdrücklich Bezug nimmt.“

    „Allerdings sollte nicht aus dem Auge verloren werden, dass eingeholte Gerichtsgutachten, bei denen die eigentliche Sachverständigentätigkeit nach Stundensätzen abgerechnet wird, in der Gesamtsumme in der Regel deutlich teurer sind, als die vorprozessual eingeholten Kfz-Sachverständigengutachten zur Schadensbewertung. Das JVEG wird im Urteil des BGH vom 01.06.2017 – VII ZR 95/16, Rn 23 auch nicht mehr als heranzuziehende Bemessungsgrundlage genannt.“
    (LG Essen 10.12.2017 – 15 S 69/17 )

    HR

  2. J.M.C. sagt:

    Guten Abend, Willi Wacker,
    hinter allen Kürzungsschreiben der div. Versicherungen verbirgt sich eine Täuschungshandlung und Irrtumserregung, denn damit soll für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung den Unfallopfern, ihren Rechtsanwälten und den Gerichten obendrein auch noch der Eindruck vermittelt werden, als würde es eine „Gebührenordnung“ für freiberuflich tätige Sachverständige geben, die von diesen nicht beachtet wurde.

    Dazu rufen wir in Erinnerung:

    Eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB ist jede Einwirkung des Täters auf die Vorstellung des Getäuschten, welche objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände hervorzurufen. Sie besteht in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Dabei kann die Täuschung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erfolgen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber durch sein Verhalten miterklärt. Ein solches Verhalten wird dann zur tatbestandlichen Täuschung, wenn der Täter die Eignung einer – inhaltlich richtigen – Erklärung, einen Irrtum hervorzurufen, planmäßig einsetzt und damit unter dem Anschein äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens gezielt die Schädigung des Adressaten verfolgt, wenn also die Irrtumserregung nicht die bloße Folge, sondern der Zweck der Handlung ist (vgl. BGHSt 47, 1, 5).

    Eine solche Vorgehensweise kann generell aber nicht Anlass zu einer werkvertraglichen „Überprüfung“ geben, die überdies der BGH aus guten Gründen verboten hat, weil es nur um die Frage der Erforderlichkeit zur Einholung eines Schadengutachtens geht aus der subjektiven Sicht des Geschädigten direkt nach dem Unfall bzw. zum Zeitpunkt vor Auftragserteilung. Der Auslöser für eine „Überprüfung“ könnte allenfalls dann unterstellt werden, wenn es sich um eine möglicherweise sittenwidrige Abrechnung des Sachverständigen handeln würde und da scheuen sich die Gerichte durchaus verständlich, eine solche „rote Linie“ näher zu definieren. Der IX. Zivilsenat des BGH hat da bekanntlich eine Ausnahme gemacht, die wie folgt ausreichend deutlich sein dürfte:

    BGH-Beschluss vom 24.07.2003 (IX ZR 131/00)

    „Honorarvereinbarungen dürfen im Hinblick auf die Verfassungsgarantie der Berufsausübung (Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz) in ihrer Rechtswirksamkeit nicht ohne ausreichenden Sachgrund beschnitten werden.

    Eine Honorarvereinbarung kann grundsätzlich das Sittengesetz nicht verletzen, wenn sie zu einem aufwandsangemessenen Honorar führt (BGH Urteil vom 03.04.2003 aaO).

    Die äußerste Grenze eines angemessenen Honorars ist überschritten, wenn der Auftragnehmer seinen Aufwand in grober Weise eigensüchtig aufbläht und das Wirtschaftlichkeitsgebot wissentlich außer Acht lässt.

    Das ist der Fall, wenn die äußerste Grenze eines aufwandsangemessenen Honorars um etwa das Doppelte überschritten wird.

    Würde man nur das, was eine Versicherung durch Kürzung zubilligen will als das aufwandangemessene Honorar unterstellen, so kann man fast alle weitschweifigen Gedankengänge andere Art entsorgen, weil vom Ergebnis her die Einwendungen der Versichherer damit ad absurdum geführt werden. Die Erklärung liegt auch in der Vorstellung begründet, dass den Versicherern diese Schadengutachten schlichtweg „zu teuer“ sind und man deshalb die Gerichte für eine „Lösung“ in Anspruch nehmen will, die zum Ziel hat, durch geeignete Urteile den versicherungsseitigen Vorstellungen Gesetzescharakter zu verleihen. Dem steht jedoch als bekannt entgegen, dass die Gerichte nicht legitimiert sind, im Rahmen einer schadenersatzrechtlichen Bewertung einen „gerechten Preis“ festzulegen,denn bekanntlich umfasst der zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag auch die Kosten,welche der Geschädigte für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens aufwenden musste (vgl. auch: Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Auflage 2016, § 249 Rn. 58).
    Danach verpflichtet die Vorschrift des § 249 BGB den Schädiger grundsätzlich, Die Vorschrift des § 249 BGB verpflichtet den Schädiger grundsätzlich, im Rahmen seiner Haftung die dem Geschädigten entstandenen Nachteile vollständig auszugleichen und es ist auch nicht Anliegen dieser Norm diese Haftung unter Inanspruchnahme des Geschädigten auf dessen Kosten zu mindern bzw. auszuhöhlen. Wie heißt es ansonsten so trefflich? Die Auseinandersetzung soll nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden. Das ist in der Tat ein guter Vorsatz.-

    J.M.C.

  3. Willi Wacker sagt:

    @ J.M.C.
    So isses!

  4. Knurrhahn sagt:

    @J.M.C.
    @Willi Wacker

    Wird nicht generell bei Honorarkürzungen dem jeweiligen Sachverständigen unterstellt, er habe den Aufwand, was die Erforderlichkeit angeht, in grober Weise eigensüchtig aufgebläht und das Wirtschaftlichkeitsgebot wissentlich außer Acht gelassen ?

    Und wird dem Unfallopfer mit jeder Kürzung nicht gleichlaufend diskriminieren unterstellt, ein nicht vernünftiger und nicht wirtschaftlich denkender Mensch zu sein, was dann einige Gerichte auch noch genau so sehen?

    Die Kürzung dient danach also wohl dem guten Zweck, die in grober Weise eigensüchtige Aufblähung „zum Wohle der Versichertengemeinschaft“ rückgängig zu machen und damit dem „Wirtschaftlichkeitsgebot“ Rechnung zu tragen, wobei die Vernunft und der wirtschaftlich denkende Mensch wohl nur im Lager der honorarkürzenden Versicherungen zu finden ist.

    Wünsche dennoch ein entspanntes Wochenende.

    Knurrhahn

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