AG Betzdorf verurteilt HDI Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Urteil vom 22.12.2008 (33 C 15/08) hat das AG Betzdorf die HDI-Gerling Industrie Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 761,17 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das AG Betzdorf hat dargelegt, warum die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage anerkannt wird im Gegensatz zur Fraunhofer Tabelle.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten und der Nebenkostenpauschale aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 823,249 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 3 Nr. 1 PflichtVG in Höhe des zugesprochenen Betrages.

Streitig zwischen den Parteien war allein die Frage, ob die von dem Kläger in Rechnung gestell­ten Mietwagenkosten in der geltend gemachten Höhe erstattungsfähig im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB sind.

Die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges gehören grundsätzlich zu den Kosten der Schadensbehebung im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB (vgl. PalandVHeinrichs, BGB, 66. Auflage, § 249 Randnummer 29 ff. m. w. N.). Allerdings hat der Schädiger diese nicht unbegrenzt zu er­setzen.

 Erstattungsfähig sind nur solche Aufwendungen, die als erforderlich anzusehen sind. Hierzu zählen lediglich diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (BGH in ständiger Rechtsprechung – vgl. z. B. Urteil vom 11.03.2008 VIZR 164/07 mit weiteren Nachwei­sen).

Inwieweit in Rechnung gestellte Mietwagenkosten objektiv als erforderlicher Aufwand zur Scha­densbeseitigung gem. § 249 BGB anzusehen sind, hat der Tatrichter nach § 287 ZPO zu schät­zen (vgl. z.B. BGH in NJW 2006, Seite 360). Die Mietpreise nach dem Normaltarif der Schwacke-Mietpreisliste stellen hierbei eine geeignete Schätzungsgrundlage im Sinne des § 287 ZPO dar, denn in dieser Liste werden die durchschnittlichen Automietpreise für die jeweiligen Postleit­zahlengebiete umfassend dargestellt (vgl. z. B. BGH in NJW 2006, Seite 2106).

Soweit die Beklagte vorgetragen hat, der dem Kläger von der Fa. C. berechnete Preis sei so nicht vereinbart gewesen, ist diese pauschale Behauptung angesichts der vom Kläger vor­gelegten Preislisten der Fa. C. unbeachtlich.

Nach der Schwacke-Mietpreisliste 2006 ergibt sich für das Postleitzahlengebiet des Klägers im gewichteten Mittel bei einer Anmietung von 14 Tagen ein Durchschnittspreis von 1.336,78 EUR. Dieser Betrag beinhaltet bereits die Mehrwertsteuer. Hinzuzurechnen sind noch die Zustellungs­- und Abholungskosten in Höhe von 42,01 EUR sowie die Kosten für Winterreifen in Höhe von 117,16 EUR. Beide Beträge entsprechen nach gerichtlicherseits telefonisch eingeholten Auskünften ortsansässiger Unternehmen den üblicherweise berechneten Bruttobeträgen.

Die geltend gemachten Kosten der Haftungsfreistellung sind nur zur Hälfte, also i.H.v. 147,- € zu erstatten, so dass sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 1.642,95 EUR netto ergibt, auf welchen die Beklagte bereits einen Betrag in Höhe von 906,78 EUR gezahlt hat. Mithin verbleibt ein an den Kläger weiter zu erstattender Betrag in Höhe von736,17 EUR zzgl. der geltend gemachten Nebenkostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR, mithin der ausgeurteilte Gesamtbetrag i.H.v. 761,17 EUR.

Bei Beschädigung eines Kraftfahrzeuges ist dem Geschädigten, sofern es sich um mehr als einen Bagatellschaden handelt, für Telefon-, Porto- und Fahrtkosten ohne weitere Spezifizierung eine Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 bis 25,00 EUR zuzuerkennen (vgl. Palandt/ Hein­richs, a.a.O., Randnummer 43 zu § 249 BGB mit weiteren Nachweisen),

Zwar hat der Schädiger grundsätzlich auch die für ein Ersatzfahrzeug erforderlichen Mehraufwen­dungen für Vollkaskoschutz als adäquate Schadensfolge zu ersetzen (vgl. BGH in NJW 2005, 1041 ), denn es besteht grundsätzlich bei Benutzung fremder, dem Fahrer unbekannter Fahrzeu­ge ein erhöhtes Unfallrisiko, welches der Geschädigte nicht selbst zu tragen braucht (vgl. BGH in NJW 2005, Seite 1041). Allerdings ist unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung ein Abzug vorzunehmen, wenri das eigene Fahrzeug des Geschädigten zum Unfallzeitpunkt nicht vollkaskoversichert war. Dieser kann in der Regel mit 50 % angenommen werden (vgl. LG Biele­feld, 21. ZK, Urteil vom 25.10.2006 – 21 S 211/05 ).

Dieser Abzug kommt vorliegend zum Tragen, da der Kläger trotz Bestreitens der Vollkaskoversi­cherung seitens der Beklagten weder glaubhaft gemacht noch Beweis für die Tatsache angetre­ten hat, dass sein geschädigtes Fahrzeug im Unfallzeitpunkt vollkaskoversichert gewesen ist.

Da der Kläger in D., wo auch das Unfallereignis stattgefunden hat, wohnhaft ist, ist nicht er­sichtlich, wie der Kläger günstiger zum Sitz der Firma C. in Betzdorf hätte gelangen können, um die Zustell- und Abholkosten in Höhe von insgesamt 42,01 EUR zu vermeiden. Zwei Taxifahrten hätten Kosten in ähnlicher Höhe verursacht.

Der darüber hinaus geltend gemachte, über den Durchschnittspreisen der Schwacke-Liste liegen­de Teil der Rechnung ist nicht erstattungsfahig, da der Kläger keine Umstände vorgetragen hat, die eine über dem Normaltarif liegende Erstattung begründen. Der Kläger hatte vor Anmietung des Ersatzfahrzeuges die Verpflichtung, sich nach günstigen Mietpreistarifen zu erkundigen.

Dass ein Mietwagenunternehmen dem Geschädigten nur einen Tarif angeboten hat, reicht grund­sätzlich nicht für die Annahme aus, dem Geschädigten sei kein wesentlich günstigerer Tarif zu­gänglich gewesen (vgl. BGH in NJW 2006, Seite 2621).

Es sind vielmehr die weiteren Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Erforderlich ist, dass dem Geschädigten unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einfluss­möglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstren­gungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt zumindest auf Nachfrage kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ergeben hätte, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, sich telefonisch oder per In­ternet zumindest zwei oder drei weitere Angebote machen zu lassen. Er kann daher keinen über dem gewichteten Mittel des Schwacke-AMS 2006 liegenden Mietpreis geltend machen.

Allerdings kann der bei der Schadensabrechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Ta­trichter den Modus des Schwacke-AMS entgegen der Auffassung der Beklagten als Normaltarif zugrunde legen (vgl. LG Koblenz, U.v. 21.12.2007 -13 S 27/07 – und BGH NJW 2006, 2106, 2107).

Soweit die Beklagte behauptet, der Schwacke-Mietpreisspiegel stelle nicht den vom BGH seiner Rechtsprechung zu Grunde gelegten „Normaltarif“ dar, da dieser nicht den Preis wiedergebe, der einem selbstzahlenden Kunden berechnet würde, hat die Beklagte selbst keine geeignete­ren Schätzgrundlagen zur Begründung ihrer Auffassung herangezogen.

Die Beklagte behauptet, der Schwacke-Automietpreisspiegel 2006 basiere auf Angebotspreislisten, welche von Seiten der Autovermietungen überhöht angegeben würden, da sie bei Beantwor­tung der Fragen wüssten, dass davon die Regulierung abhängig sein könnte. Es kann nicht aus­geschlossen werden, dass manche Unternehmen unter diesen Umständen höhere Preise ange­ben, als sie dies bei der Anfrage eines selbst zahlenden Kunden, der nicht aufgrund eines Unfal­les auf einen Mietwagen angewiesen ist, tun würden.

Allerdings sind auch die von der Beklagten zitierten Gutachten von Herrn Dr. Zinn und des Fraun­hofer Institutes in der Art und Weise ihres Zustandekommens angreifbar.

So resultieren die von Fraunhofer ermittelten Preise ausschließlich von 6 Autovermietungsunter­nehmen, die bundesweit tätig sind, so dass eine Betrachtung des regionalen Mietmarktes gera­de nicht erfolgt ist. Überdies wurden gerade die im Falle einer Schädigung durch Unfall üblicher­weise herrschenden Bedingungen nicht angenommen, indem jeweils eine Vorbuchungszeit von einer Woche und ein festgelegter Mietzeitraum zugrunde gelegt wurde.

Im Rahmen der von Herrn Dr. Zinn durchgeführten Testanrufe wurden Legenden verwendet, die sich überwiegend dadurch auszeichnen, dass der potentielle Kunde eine hohe Flexibilität in den Modalitäten der Anmietung aufweist. Dies führt dazu, dass der Vermieter in der Lage ist, weni­ger ausgelastete Fahrzeuge zu Sonderkonditionen anzubieten. Bei Anmietungen in einer Unfallsi­tuation wird die Inanspruchnahme für Sonderkonditionen dagegen regelmäßig nicht in Betracht kommen, da der Geschädigte Anspruch auf ein klassengleiches Fahrzeug hat. Auch ist er regel­mäßig auf einen bestimmten Anmietungszeitpunkt angewiesen.

Es ist daher nicht ersichtlich, dass die von der Beklagten zitierten Gutachten bessere Schätz­grundlagen darstellten als der allgemein anerkannte, auf einer breiten Datenbasis beruhende Schwacke-Auto-mietpreisspiegel.

Die konkrete Möglichkeit, vor Ort im Unfallzeitpunkt ein günstigeres klassengleiches Fahrzeug an-zumieten, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Sie ist aber entgegen ihrer Auffassung diesbezüg­lich beweispflichtig (vgl. BGH in NJW 2008, Seite 2910 – Urteil vom 24.06.2008 VI. ZR 234/07 -„Der Schädiger muss darlegen und ggf. beweisen, dass dem geschädigten ein günstigerer Ta­rif nach den konkreten Umständen ohne Weiteres zugänglich gewesen ist“).

Das Gericht geht davon aus, dass dieser Nachweis grundsätzlich nicht mit Tabellen, Listen oder Gutachten geführt werden kann.

Das Gericht hält den Schwackeautomobilmietpreisspiegel in Übereinstimmung mit der ständi­gen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, des LG Koblenz und auch aus Praktikabilitätsgründen sowie mangels überzeugenderer Alternativen für eine sachgerechte Schätzgrundlage.

Nach dem Urteil des 6. Zivilsenates des BGH vom 11.03.2008 (NJW 2008, Seite 1519 bis 1520) ist es nicht Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätz­grundlage nachzugehen. „Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadenschätzung Verwendung finden können, nur dann der Erklärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken.“

Ein solcher konkreter Vortrag wird seitens des Gerichtes aber in den Gutachten des Fraunhofer-Institutes bzw. von Dr. Zinn nicht gesehen, sondern muss durch konkreten Sachvortrag im Ein­zelfall belegt werden, was hier durch Vorlage eines konkreten günstigeren Konkurenzangebotes im Unfallzeitpunkt hätte geschehen können. Dies kann auch nachträglich durch Anfrage bei ver­schiedenen ortsansässigen Unternehmen geschehen.

Der Kläger kann nach alledem Ersatz weiterer Mietwagenkosten auf Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Automietpreisspiegels verlangen, im vorliegenden Fall jedoch nicht die darüber hinaus geltend gemachten Kosten, da er insoweit seiner Darlegungslast nicht in aus­reichendem Umfang nachgekommen ist. Die Klage war daher im Übrigen abzuweisen.

Soweit das AG Betzdorf.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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