AG Böblingen entscheidet mit Urteil vom 21.1.2015 – 20 C 1995/14 – zu der sogenannten Bagatellschadensgrenze.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

trotz einer Kritik zu unserer neuen Reihe „Bagatellschadensgrenze“ setzen wir die Veröffentlichung von Urteilen mit diesem Thema fort, denn nur den Beitrag von Peter Pan lesen – und gut, ist es nicht getan. Die Diskussion um die sogenannte „Bagatellschadensgrenze“ wird weiterlaufen. Von den Versicherern wird das Thema immer wieder neu befeuert, um die freien Kfz-Sachverständigen aus dem Geschäft herauszudrängenn. Gerade in dem Bereich zwischen 700,– € und 3000,– € haben die freien Kfz-Sachverständigen ihr Hauptbetätigungsfeld. Wer daher auf einen bestimmten Aufsatz hinweist – und gut ist, hat offensichtlich das Problem nicht verstanden. Wenn aber in Zukunft mit einer Liste von – sagen wir mal einhundert – Urteilen mit Angabe der Grenzbeträge erwidert werden kann, gibt das mehr Gewicht als nur der Hinweis auf einen Aufsatz von Peter Pan. Nachfolgend geben wir Euch daher in der Reihe „Bagatellschadensgrenze“ ein weiteres, sogar aktuelles Urteil des Amtsgerichts Böblingen (Baden-Württemberg), bekannt. Lest selbst das Urteil des Amtsrichters der 20. Zivilabteilung des AG Böblingen vom 21.1.2015 und gebt dann bitte Eure Kommentare ab. Es wäre schön, wenn Ihr auch zu der neuen Reihe Eure Stellungnahme abgeben könntet. Wir freuen uns über jede sachdienliche Anregung.

Viele Grüße
Willi Wacker

Aktenzeichen:
20 C 1995/14

Amtsgericht Böblingen

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

– Beklagte –

wegen Forderung
hat das Amtsgericht Böblingen durch den Richter am Amtsgericht R. auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2015 für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von dem verbleibenden Gebührenanspruch des Ingenieurbüro MM in Höhe von 235,38 € freizustellen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: Bis 500,00 €

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung hinsichtlich der geltendgemachten Sachverständigenkosten in Höhe von 235,38 € aus den §§ 7, 17 StVG, 823 BGB, 3 Pflichtversicherungsgesetz.

Der Schädiger eines Verkehrsunfalls hat grundsätzlich die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Vorliegend hat der Kläger nicht gegen seine Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB verstoßen, da er bei dem durch den Sachverständigen errechneten Schaden in Höhe von 783,53 € davon ausgehen konnte, dass kein Bagatellschaden vorliegt. Die Grenze für einen Bagatellschaden liegt bei 700,00 € (AG Dortmund, Urteil vom 26.1.2005, Aktenzeichen 134 C 13376/04) bis 750,00 € (LG Stuttgart, Entscheidung vom 19.11.2008, Aktenzeichen 4 S 255/07).

Da der vom Sachverständigen errechnete Schaden noch oberhalb der Bagatellgrenze liegt, konnte der Kläger ohne das Hinzutreten weiterer Umstände einen Sachverständigen mit der Feststellung seines Schadens beauftragen. Zudem hat sich die Beklagte das klagerseits vorgelegte Gutachten selbst zu Nutze gemacht, indem sie die von dem Sachverständigen errechnete Wertverbesserung in Höhe von 42,02 € von den Reparaturkosten in Abzug gebracht hat.

Das Sachverständigengutachten war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Der Klage war stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt § 91 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Berufung gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 Ziff, 1 ZPO nicht gegeben sind, zumal das Berufungsgericht mit Urteil vom 19.11.2008 (4 S 255/07) bereits die Grenze für den Bagatellschaden beziffert hat.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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9 Antworten zu AG Böblingen entscheidet mit Urteil vom 21.1.2015 – 20 C 1995/14 – zu der sogenannten Bagatellschadensgrenze.

  1. Norbert P. sagt:

    Willi Wacker,
    lass dich durch den Hinweis auf Peter Pan nicht vom richtigen Weg abbringen. Die neue Urteilsliste ist schon gut. In diesem Urteil sind doch schon zwei weitere zitiert. Die Sammlung kann daher wachsen:
    AG Dortmund Urt. v. 26.1.2005 Az. 134 C 13376/04 : 700,00 Euro
    LG Stuttgart Urt. v. 19.11.2008 Az. 4 S 255/07: bis 750,00 Euro.
    Macht weiter so. Ich suche mal nach älteren Entscheidungen.
    Grüße von der Saarschleife

  2. Glöckchen sagt:

    @Norbert P.
    Wenn Sie BGH VI ZR 365/03 gelesen und verstanden hätten,dann würden Sie bestimmt nicht „vom richtigen Weg“ sprechen!
    Es kann keine betragsmässige Bagatellschadensgrenze geben,weil dem Unfallopfer VOR dem Ergebnis des Gutachtens die Schadenshöhe schlicht unbekannt ist.
    Es ist daher ein grundsätzlich falscher Ansatz ,Gutachterkosten unter Verweis auf eine betragsmässige Bagatellschadensgrenze garnicht zu entschädigen!
    Es ist daher auch grundsätzlich verfehlt,Urteile zu irgendwelchen betragsmässigen Grenzen zu sammeln und zu veröffentlichen,weil damit der falsche Eindruck entsteht,es gebe überhaupt so etwas wie eine Bagatellschadensgrenze.
    Also,bitte die BGH-Entscheidung lesen!

  3. Babelfisch sagt:

    @Glöckchen:
    So isses!

  4. Hilgerdan sagt:

    @Norbert P. says:
    28. April 2015 at 15:33
    „Willi Wacker,
    lass dich durch den Hinweis auf Peter Pan nicht vom richtigen Weg abbringen.“

    Hi Leute,
    Wann werden es Richter/Anwälte jemals fertigbringen neben juristischen Argumenten auch die dazu gehörende Logik so klar u. sachgerecht zu sehen, dass es keiner Sammlung von falschen Urteilen bedarf.
    Schadenfeststellungskosten müssen bezahlt werden ( auch wenn kein Schaden feststellbar ist) kann der Geschädigte die in Rechnung gestellten Überprüfungskosten eines SV fordern.
    Wie fehlgeleitet muss man denn sein, um solche einfache Sachverhalte nicht zu kapieren.
    Natürlich hat Glöckchen die richtige Sach- u. Gesetzeslage erkannt.

  5. RA. Bayern sagt:

    Ach Hilgerdan,
    in der Fassung, wie du es dargestellt hast, ist das nicht richtig. Der BGH hat wiederholt ausgeführt, dass der Geschädigte eine Pflicht zur Schadensminderung gem. § 254 BGB hat. Sobald der Geschädigte die Höhe der Kosten beeinflussen kann, hat er im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen.
    Auf die Sachverständigenkosten bezogen, bedeutet das, dass der Geschädigte, wenn nur ein geringer Schaden, der z.B. nur den Lack betrifft und nicht das darunter liegende Blech, das in diesem Fall ken aufwendiges Gutachten in Auftrag gegeben werden darf. Und von dieser BGH-Rechtsprechung abzuweichen, wird auch dem stursten Sachverständigen schwerfallen.
    Eine Liste zu den Urteilen erscheint mir durchaus hilfreich.

  6. Hilgerdan sagt:

    @RA. Bayern says:
    29. April 2015 at 16:05
    „Und von dieser BGH-Rechtsprechung abzuweichen, wird auch dem stursten Sachverständigen schwerfallen“

    RA. Bayern
    Genau das ist es, vor lauter Ehrfurcht bezüglich der BGH Urteile, wird es leider versäumt über den § 249 BGB nachzudenken, bezüglich der Schadenfeststellungskosten!
    Ich habe nicht von einem GA gesprochen, sondern von einer Überprüfung eines durch einen Anstoß tuschierten Fahrzeuges, mit einer Schadenfeststellungsrechnung.
    Zahlreiche RA können nicht selbständig denken und schon gar nicht richtig lesen.

    Das habe ich geschrieben:
    “ Schadenfeststellungskosten müssen bezahlt werden ( auch wenn kein Schaden feststellbar ist) kann der Geschädigte die in Rechnung gestellten Überprüfungskosten eines SV fordern“.
    Wo steht etwas von einem aufwendigen Gutachten?
    Wo steht, dass man bei einem Anstoß, wo offensichtlich nichts zu erkennen ist, obwohl es“ ordentlich gescheppert hat“, gegen die Schadenminderungspflicht verstößt, wenn man das Fahrzeug zur Sicherheit von einem SV untersuchen lässt?
    Nur der kann bestätigen, dass keine versteckten Schäden entstanden sind und somit kein offenbarungspflichtiger Unfall vorliegt.
    Und das ist untersagt? Lassen Sie sich ihr Lehrgeld auszahlen!
    So eine Klage ziehe ich sogar als SV locker und mit Erfolg durch.

  7. Dipl.-Ing. Harald Rasche sagt:

    @ RA.Bayern
    Sehr geehrter RA Bayern,
    zu Ihren Ausführungen habe ich einige Fragen.-
    Sie zitieren den BGH, erklären jedoch nicht, w i e der Geschädigte die Höhe der Beweissicherungskosten „beeinflussen“ könnte und auch nicht „den Rahmen des ihm insoweit Zumutbaren“. Was ist denn Ihrer Meinung nach im beurteilungsrelevanten Zusammenhang der „wirtschaftlichere Weg der Schadenbeseitigung“, wenn ein Kostenvoranschlag nach Meinung der Gerichte kein ausreichendes Beweismittel ist ? Und was ist Ihrer Meinung nach denn wohl ein „geringer Schaden“, der nur den Lack betrifft und nicht das darunter liegende Blech ? Wissen Sie nicht, dass es in der Praxis Lackschäden an Kraftfahrzeugen gibt, die – zumindest bei oberflächlicher Inaugenscheinnahme oder laienhafter Beurteilung zunächst vielfach als geringfügiger Schaden eingeschätzt werden (ohne dass „das darunter liegende Blech“ in Mitleidenschaft gezogen wurde) und bei fachlich tragfähiger Beurteilung einen Schadenbeseitigungsaufwand erfordern, der kostenmäßig als durchaus beachtlich zu klassifizieren ist ?
    Kann in solchen Fällen nicht auf eine qualifizierte Beweissicherung zurückgegriffen werden, wird der Versicherer aus verständlichen Gründen die Höhe des geltend gemachten Schadenersatzanspruches vielfach infrage stellen, wobei ich davon ausgehe, dass Sie DAS sicherlich auch nicht „mit in diesem Fall“ meinen, bezüglich Ihrer Einschätzung, dass der Geschädigte dann nicht ein „aufwendiges“ Gutachten in Auftrag geben dürfe. Halten Sie einfach mal die qualifizierten und unabhängigen Kraftfahrzeugsachverständigen auch vor dem Hintergrund der von Ihnen zitierten BGH-Rechtsprechung nicht für so blöd, dass diese die BGH-Rechtsprechung nicht in ihrer Bedeutung praxisgerecht beurteilen könnten. Aber was haben SIE denn ansonsten noch für eine Lösung des Problems, das eigentlich keins ist, anzubieten ?

    Mit freundlichen Grüßen
    aus Bochum & Tangendorf

    Dipl.-Ing. Harald Rasche

  8. Ein SV sagt:

    @ Harald Rasche

    „Halten Sie einfach mal die qualifizierten und unabhängigen Kraftfahrzeugsachverständigen auch vor dem Hintergrund der von Ihnen zitierten BGH-Rechtsprechung nicht für so blöd, dass diese die BGH-Rechtsprechung nicht in ihrer Bedeutung praxisgerecht beurteilen könnten.“

    Hallo Herr Rasche, deine Frage ist mehr als berechtigt. Die qualifizierten und unabhängigen Kraftfahrzeugsachverständigen sind auch nicht so blöd, wie nicht wendige Polizeibeamte meinen glauben zu dürfen? Wie erklärt es sich sonst, dass mal wieder die Tagebuchnummern auf Zetteln stehen, wo die Unfallbeteiligten zwingend auch ihre Telefonnummer eintragen müssen und dann noch die so versorgten mit dem Satz – ein Gutachten müsse der Geschädigte selber bezahlen – in eine Werkstatt für einen Kostenvoranschlag geschickt werden. So jedenfalls gerade geschehen. Dies bei einer Konstellation, Wiederbeschaffungswert 3500 Euro, Reparaturkosten 4.200 Euro, Höchstgebot eines örtlichen Restwertaufkäufers 600,00 Euro. Selbstverständlich habe ich ein auf die Rechtslage hinweisendes Gespräch mit einem der Beamten geführt. U. a., wie er sich das vorstelle, einen Kostenvoranschlag bei einem zu erwartenden Totalschaden? Das Fahrzeug hätte keinen Totalschaden, so dessen Meinung.
    Auch habe ich gefragt, warum seitens der Beamten so gehandelt wird, dass Geschädigte mit derlei nicht dem Recht entsprechenden „Hinweisen“ ihren berechtigten Schadensersatz durchsetzen könnten, wenn sie dessen Höhe nicht kennen. Was haben die Beamten davon? NICHTS, so die Antwort.

  9. Juri sagt:

    Ein SV – na klar. In Bayern ist das halt so. Die einen Polizisten können lesen (etwas) und die anderen (etwas) schreiben. Und manchmal geben sie auch noch Töne von sich. AAAhh – Weerkstatt – gäää – Haamas? Füührtdiee…. und so

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