AG Dortmund urteilt über den Anspruch des Geschädigten von 80 Tagen Nutzungausfall. Amtsgericht Dortmund, Urteil vom 20.09.2011 – 429 C 4933/11

Hier ein Beitrag von Herrn Rechtsanwalt Kampmann aus Dortmund, der dieses Urteil erstritten und zur Verfügung gestellt hat:

Mit bemerkenswert deutlicher Begründung hat das Amtsgericht Dortmund in seinem Urteil vom 20.09.2011 – 429 C 4933/11 den Anspruch des Geschädigten auf Nutzungsausfall für 80 Tage bejaht. Der Kläger habe mehrfach auf seine fehlende Vorfinanzierungsmöglichkeit hingewiesen. Er sei auch zur Kreditaufnahme schon deshalb nicht verpflichtet gewesen, weil er wegen der streitigen Haftungsfrage nicht sicher sein konnte, überhaupt Ersatzleistungen von der Versicherung zu erhalten.

Das Urteil ist auch lesenswert im Zusammenhang mit den bei der Schadensposition Nutzungsausfall häufig streitigen Punkte Nutzungswille und Kausalität.

 

Amtsgericht Dortmund

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

Klägers,

gegen

die DA Deutsche Allgemeine Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand, Oberstedter Str. 14, 61440 Oberursel,

Beklagte,

hat das Amtsgericht Dortmund
auf die mündliche Verhandlung vom 20.09.2011
durch die Richterin am Amtsgericht Dr. …
für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.150,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 430,00 € vom 01.01.2011 bis 11.01.2011, aus 1.247,00 € vom 12.01.2011 bis 02.02.2011, aus 2.150,00 € vom 03.02.2011 bis 04.03.2011, aus 3.440,00 € vom 05.03.2011 bis 10.03.2011 und aus 2.150,00 € seit dem 11.03.2011 zuzahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus dem Verkehrsunfallereignis vom 07.12.2010 geltend. Die alleinige Einstandspflicht der Beklagten für das Unfallereignis ist inzwischen unstreitig. Allein die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs hat die Beklagte dem Kläger nur teilweise ersetzt. Mit der Klage macht der Kläger restliche Nutzungsentschädigung geltend. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.12.2010 wurde die Beklagte zum Ausgleich von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 12.664,03 € mit Fristsetzung zum 31.12.2010 aufgefordert. In diesem Schreiben wird darauf hingewiesen, dass der Kläger zur Vorfinanzierung des Schadens aus eigenen Mitteln finanziell nicht in der Lage sei, dass nur durch eine zeitnahe Regulierung des Schadens bzw. die Zahlung eines kostendeckenden Vorschusses ein weitergehender Schaden, insbesondere im Hinblick auf den Ausfallschaden sowie die Standkosten, verhindert werden könne. Gleichwohl leistete die Beklagte erst am 09.02.2011 eine Zahlung in Höhe von 8.590,28 € und am 09.03.2011 in Höhe weiterer 1.340,– € Zahlung zu Händen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Die Weiterleitung des Schadensbetrages in Höhe von 8.590,28 € erfolgte seitens der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11.02.2011. Der Kläger hatte den Betrag frühestens am 13.02.2011 zur Verfügung. Sodann kümmerte er sich um die Ersatzbeschaffung eines Pkw. Am 24.02.2011 ließ der Kläger einen Ersatzwagen auf sich zu.

Er ist der Ansicht, er habe einen Anspruch auf Ersatz des gesamten Nutzungsausfallschadens. Ein Verstoß gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB sei nicht anzunehmen. Schließlich habe er der Beklagten umgehend mitteilen lassen, dass er finanziell nicht in der Lage sei, aus eigenen Mitteln ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen.

Er beantragt,

die Beklagte in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Kläger habe gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen. Sie bestreitet die fehlende Finanzierungsmöglichkeit des Klägers. Selbst wenn diese vorgelegen haben sollte, wäre der Kläger gehalten gewesen, einen Kredit aufzunehmen und ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Beklagten für die Regulierungsentscheidung eine Prüfungsfrist von bis zu acht Wochen zuzubilligen sei.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 2.150,- € gem. §§ 7, 18 StVG, 823, 249, 251 BGB, 115 VVG.

Als Eigentümer des privat genutzten verunfallten Pkw Audi hat der Kläger gem. §§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB Anspruch auf Ersatz desjenigen Schadens, der ihm durch den Entzug der Gebrauchsmöglichkeit des Unfallfahrzeugs entstanden ist (sog. Nutzungsausfallschaden). Der Kläger konnte das verunfallte Fahrzeug vom Unfalltage an (07.12.2010) nicht nutzen. Die Zulassung eines Ersatzfahrzeugs erfolgte erst am 24.02.2011, nachdem die Beklagte im Anschluss an die Regulierungsprüfung eine Zahlung in Höhe von 8.590,28 € am 09.02.2011 und in Höhe weiterer 1.340,- € am 09.03.2011 vorgenommen hat.

Insgesamt hat der Kläger daher Anspruch auf Entschädigung des Nutzungsausfalls für 80 Tage. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, der Kläger habe gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen, folgt das Gericht dieser Einschätzung nicht. Bereits mit anwaltlichem Schreiben vom 16.12.2010, mithin neun Tage nach dem Unfallereignis, hat der anwaltlich vertretene Kläger darauf hinweisen lassen, dass er aus eigenen finanziellen Mitteln nicht in der Lage sei, den Schaden zu finanzieren. Vielmehr sei ein kostendeckender Vorschuss oder aber die Regulierung des geltend gemachten Schadens durch die Beklagte erforderlich. Auch mit anwaltlichem Schreiben vom 04.01.2011 ließ der Kläger noch einmal darauf hinweisen, dass aufgrund der Verzögerungen bei der Schadensregulierung eine Ausweitung des Ausfallschadens drohe. Gleichwohl nahm die Beklagte die Regulierung erst gem. Schreiben vom 03.02. und 07.03.2011 vor. Der Umstand, dass der Kläger nach Erhalt der Zahlung der Beklagten ein Ersatzfahrzeug tatsächlich auch angeschafft hat, zeigt, dass während des gesamten Zeitraums ein Nutzungswille für das beschädigte Fahrzeug gegeben war.

Dem Anspruch des Klägers auf Ersatz des Nutzungsausfalles kann nicht entgegengehalten werden, dass er es unterlassen habe, durch eine Kreditaufnahme die baldige Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs zu finanzieren. Der anwaltlich vertretene Kläger hatte vorprozessual bereits zweimal darauf hingewiesen, dass er aus finanziellen Gründen zur Vorfinanzierung nicht in der Lage sei und ein entsprechender Ausfallschaden drohe.

Die dem Geschädigten obliegende Pflicht zur Information des Schädigers wurde mithin erfüllt. Ohnehin wäre eine evtl. Pflichtverletzung des Klägers durch spätere Information der Beklagten für eine Erhöhung des Schadens auch gar nicht kausal gewesen. Denn die Beklagte hat trotz der Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.12.2010, 04.01.2011, 25.01.2011 und 25.02.2011, die jeweils eine Fristsetzung zur Zahlung enthielten, erst im Februar und März 2011 die Regulierung vorgenommen. Dies deshalb, weil die Beklagte im Rahmen der Regulierungsprüfung zunächst die Ermittlungsakte der Polizei zur Unfallaufnahme einsehen wollte. In Kenntnis der finanziellen Situation des Klägers hat die Beklagte gleichwohl weder Zahlungen geleistet noch Finanzierungshilfen angeboten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sie selbst dann, wenn der Kläger sein Unvermögen zur Finanzierung beispielsweise durch eine Kreditaufnahme dargelegt hätte, nicht schadensmindernd reagiert hätte. Wollte man also einen Verstoß gegen die Aufklärungspflichten annehmen, so wäre ein solcher für die Erhöhung des Schadens ohnehin nicht kausal gewesen. Davon abgesehen ist vom Geschädigten nicht zu verlangen, dass er für die Reparatur oder Ersatzbeschaffung Verpflichtungen eingeht, ohne zu wissen, ob er die entstehenden Unkosten vom Schädiger jemals ersetzt bekommen wird. Eine solche Ungewissheit besteht immer dann, wenn sich der Schädiger weigert, die Ersatzpflicht anzuerkennen (so schon BGH, Betr. 1956, 110; vergl. auch BGH NJW 1989, 290; OLG Saarbrücken, NZV 1990, 388). So liegt der Fall hier.

Bezüglich der Höhe der Nutzungsausfallentschädigung ist zwischen den Parteien unstreitig, dass bei einem Fahrzeug der Gruppe E zu einem Tagespreis von 43, – € auszugehen ist.

Da die Beklagte für die Dauer von 30 Tagen pro Tag 43,– €, insgesamt also 1.290,- € auf die Nutzungsentschädigung geleistet hat, verbleiben für die Dauer von 50 Tagen restliche 2.150,- €.

Die einzelnen Nutzungsausfälle wurden mit anwaltlichem Schreiben vom 16.12.2010 mit Fristsetzung bis zum 31.12.2010, mit Schreiben vom 04.01.2011 mit Fristsetzung zum 11.01.2011, mit Schreiben vom 25.01.2011 mit Fristsetzung zum 02.02.2011 und mit Schreiben vom 25.02.2011 mit Fristsetzung zum 04.03.2011 geltend gemacht.

Im Einzelnen wird auf die Ausführungen in der Klageschrift sowie die als Anlage eingereichten anwaltlichen Schriftsätze verwiesen. Aufgrund der einzelnen Fristsetzungen rechtfertigt sich der zugesprochene Zinsanspruch gem. §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 Abs. 1 ZPO.

Dr. …

Richterin am Amtsgericht

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