AG Düsseldorf verurteilt VHV Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten basierend auf der Schwacke-Liste (39 C 15693/10 vom 05.07.2011)

Mit Urteil vom 05.07.2011 (39 C 15693/10) hat das Amtsgericht Düsseldorf die VHV Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 261,29 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Auch dieses Gericht sieht bei der Geltendmachung durch den Vermieter keinen Verstoß gegen das RDG und schätzt die Höhe der Mietwagenkosten auf der Basis der Schwacke-Liste. Internet-Angebote sind nach diesem Urteil als Sondermarkt nicht zu berücksichtigen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist zum größten Teil begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus dem Unfallereignis vom xx.xx.2010 in D. gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 VVG, 249, 398 BGB ein restlicher Schadensersatzanspruch in Höhe von 261,29 EUR zu. Die volle Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden Fahrzeugs ist zwischen den Parteien im Grundsätzlichen unstreitig.

Die Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch Inhaberin des geltend gemachten Anspruchs. Die Unfallgeschädigte hat ihre Schadensersatzanspromüche hinsichtlich der Mietwagenkosten wirksam gemäß § 398 BGB an die Klägerin abgetreten.

Die Abtretung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen §§ 2, 3 bzw. 5 RDG gemäß § 134 BGB nichtig. Ein Verstoß gegen das RDG liegt nicht vor. Die Inkassotätigkeit der Klägerin ist als Nebenleistung gemäß § 5 Abs. 1 RDG ausnahmsweise erlaubnisfrei (vgl. u.a. AG Waiblingen vom 05.11.2010, Az.: 8 C 1039/10, zitiert nach juris).

Zur Hauptleistung der Klägerin, nämlich der Vermietung von Kraftfahrzeugen, gehört als Nebenleistung auch das Durchsetzen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Ansprüche. Es handelt sich um eine Nebenleistung zur Haupttätigkeit, die sowohl der Interessenlage des Geschädigten eines Verkehrsunfalls entspricht, als auch eine direkte Auseinandersetzung der eigentlichen Beteiligten an der Streitigkeit über die Höhe der erstattungsfähigen Mietwagenkosten erlaubt. Diese Auslegung des § 5 Abs.1 RDG entspricht dem ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers (BT-Drs., 16/3655, S.53/54, vgl. auch AG Mönchengladbach-Rheydt, Urteil vom 30.12.2010, Az. 11 C 124/10).

Der Anspruch des Klägers besteht in der geltend gemachten Höhe. Das Gericht schätzt gemäß § 287 ZPO den zu ersetzenden Schaden auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels 2009 für den Postleitzahlenbereich 402, Fahrzeugklasse 7, 3-Tages-Modus, und folgt im Wesentlichen der Berechnung der Klägerin.

Der entstandene Schaden ist in voller Höhe ersatzfähig. Der Geschädigte kann vom Schädiger und dessen Haftpflichtver-sicherer grundsätzlich nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand diejenigen Kosten ersetzt verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGH, NJW 2005, 51, 52). Der Geschädigte ist hierbei aufgrund des aus § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB folgenden Wirtschaftlichkeitspostulats gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen, den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlichen relevanten Markt erhältlichen Tarifen grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs wählen darf.

Die konkrete Höhe des zu ersetzenden Schadens – Normaltarif zuzüglich eines Aufschlages wegen unfallbedingter Mehraufwendungen – ist nach dieser Prämisse vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Dabei ist es nicht erforderlich, die Kalkulation des Mietwagenunternehmens konkret nachzuvollziehen (BGH NJW 2006, 1506, 1507). Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag auf den Normaltarif aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind.

Hier war der geltend gemachte Normaltarif zuzüglich des 20 prozentigen Aufschlages zur Schadensbeseitigung objektiv erforderlich. Der von der Klägerin in Anspruch genommene Tarif wies spezifische Leistungen für die Vermietung an Unfallgeschädigte auf, die einen Mehrpreis gegenüber dem Normaltarif betriebswirtschaftlich rechtfertigten. Die Vermietung erfolgte nämlich ohne eine Kautionszahlung oder andere Sicherheitsleistung. Es erfolgte auch keine Insolvenz oder Risikoprüfung der Mieterin, so dass das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Haftungsanteile am Unfallgeschehen allein beim Mietwagenunternehmen lag. Darüber hinaus beinhaltete der Mietvertrag auch keine Kilometerbeschränkung.

Zur Bestimmung der Schadenshöhe ist ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif in Höhe von 20 % gerechtfertigt. Ein solcher Aufschlag, unabhängig davon, in welchem Umfang im konkreten Fall unfallbedingte Zusatzleistungen des Autovermieters in Anspruch genommen wurden, erscheint als praktikabel und notwendig, um die Schadensabwicklung zu vereinheitlichen und zu erleichtern (vgl. OLG Köln, NZV2007, 199, 201).

Der Beklagten ist es nicht gelungen durch ihren Tatsachenvortrag konkrete Mängel dieser Schätzgrundlage aufzuzeigen, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken.

Auch die von der Beklagten dargelegten konkreten Internetangebote der Autovermietungen Sixt, Europcar und Avis sind nicht geeignet, den Schwacke-Mietpreisspiegel 2009 als Schätzgrundlage in Zweifel zu ziehen. Es handelt sich um bestimmte Einzelangebote, die jeweils zu dem darin angegebenen Zeitpunkt verfügbar waren. Grundsätzlich ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch bei Vorlage solcher konkret günstigerer Angebote anderer Anbieter zu überprüfen, ob hiermit Mängel an dem zugrunde gelegten Mietpreisspiegel Schwacke 2009 aufgezeigt werden. Hier fehlt es jedoch bereits an der hinreichenden Vergleichbarkeit. Zum Einen handelt es sich nicht um das entsprechende Datum des tatsächlichen Unfallgeschehens /Ersatzanmietung, sondern vielmehr um Screenshots einer Internetanfrage, die nachträglich für den benannten Zeitraum eingeholt wurde. Auch handelt es sich lediglich um ein Internetangebot, wobei nicht zu erfahren ist, ob eventuell bei einer telefonischen Anmietung der gleiche Preis genannt worden wäre.

Es ist ferner zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Internetangeboten um einen Sondermarkt handelt, der nicht ohne weiteres mit dem allgemeinen regionalen Mietwagenmarkt vergleichbar ist (vgl. BGH VersR 10 S. 2010, 683; LG Mönchengladbach Urt. v. 06.08.2010 Az.: 5 S 14/10; LG Köln Urt. v. 12.05.2010, Az.: 13 S 276/09 zitiert nach juris).

Die Kosten für Zustellung und Abholung sind der Klägerin ebenfalls zu ersetzen. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Unfall adäquat kausal dazu geführt hat, dass die Klägerin sich einen Ersatzfahrzeug mieten musste, welches ihr an der Reparaturwerkstatt zur Verfügung gestellt wurde und von dort auch wieder abgeholt wurde. Der Zedent ist nämlich nicht verpflichtet, selbst dafür zu sorgen, zu einer Mietwagenstation zu gelangen (vgl. auch LG Köln, Urteil vom 07.01.2010 (Az.: 20 O 279/09; OLG Köln, MZV 2007, 199, 202; OLG Köln MZV 2009, 447 ff.).

Die Klägerin kann auch den Ersatz des sich aus der Schwacke-Tabelle ergebenden und geltend gemachten Zweitfahrerzuschlags verlangen. Die Kosten für einen Zusatzfahrer sind dann zu erstatten, wenn auch das unfallbeschädigte Fahrzeug von einer weiteren Person (oder mehreren) gefahren wurde (vgl. OLG Köln NZV 2007; 199). Vorliegend hat die Klägerin ausreichend und unbestritten dazu vorgetragen, dass eine Fahrzeugnutzung auch durch Herrn X. vorlag.

Angesichts der unstreitigen Weigerung der Beklagten zur Zahlung weiteren Schadensersatzes befand sich die Beklagte auch ohne weitere Mahnung in Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB), weshalb auch die Zinsforderung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.06.2010 berechtigt sind (§§286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB).

Der Klägerin steht darüber hinaus auch ein Anspruch auf die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Als Schadensposten sind Rechtsverfolgungskosten gemäß § 249 BGB zu ersetzen, wenn die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes erforderlich und zweckmäßig war. Das trifft hier zu. Der Unfall war ursächlich für die aufgewendeten Rechtsanwaltskosten. Es ist einem Geschädigten eines Verkehrsunfalles regelmäßig nicht zuzumuten, die Rechtsverfolgung ohne rechtlichen Beistand durchzuführen. Insoweit kann die Klägerin hier auch Freistellung verlangen. Dieser Anspruch ist jedoch nicht zu verzinsen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie selbst Zinsen schuldet, von denen sie freizustellen wäre. Insoweit war die Klage nicht begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Danach können einer Partei die gesamten Prozesskosten auferlegt werden, wenn die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügige Kosten veranlasst hat. Hinsichtlich der Zuvielforderung liegt die Grenze bei 5 – 10 % des Streitwertes (Zöller/Herget, ZPO, 28. Auflage, § 92 Rn. 10). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Es gab durch die Mehrforderung weder kostenverursachende Maßnahmen wie einen Beweisaufnahme noch wurde aufgrund der Zuvielforderung eine Gebührenstufe überschritten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Soweit das AG Düsseldorf.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu AG Düsseldorf verurteilt VHV Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten basierend auf der Schwacke-Liste (39 C 15693/10 vom 05.07.2011)

  1. F-W Wortmann sagt:

    Hallo Babelfisch,
    hinsichtlich der von der Beklagten vorgebrachten Vergleichsangebote der Alternativfirmen und der Parade des Amtsrichters ein interessantes Urteil, hat sich der Amtsrichter doch zutreffenderweise voll auf die BGH-Rechtsprechung gestützt. Insoweit ein schönes Urteil.
    Die beklagten Haftpflichtversicherungen vergessen nämlich immer wieder, dass die angeblich günstigeren Vergleichsangebote zeitlich und räumlich passen müssen. Daran scheitert es häufig. Das hat aber hervorragend der Richter gesehen.
    Mit freundlichen Grüßen
    F-W Wortmann

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