AG Frankfurt am Main verurteilt Badische Allgemeine Versicherung zur Erstattung der durch die Badische Allgemeine gekürzten Sachverständigenkosten (32 C 4141/14 (48) vom 09.02.2015)

Zum Sonntag hier noch ein Urteil aus Frankfurt am Main. Mit Entscheidung vom 09.02.2015 [32 C 4141/14 (48)] wurde die Badische Allgemeine Versicherung AG durch das Amtsgericht Frankfurt am Main zur Erstattung der außergerichtlich durch die Badische Allgemeine Vers. (willkürlich und rechtswidrig) gekürzten Sachverständigenkosten verurteilt. Die Streitsache wurde durch das Gericht auf Grundlage des Schadensersatzrechts gem. § 249 BGB sowie der BGH-Rechtsprechung völlig korrekt und erfreulich kurz abgehandelt. Ein weiteres Musterurteil, das sich in die Urteilsliste bei Captain HUK einreiht.

Amtsgericht Frankfurt am Main
Aktenzeichen: 32 C 4141/14 (48)

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

Badische Allgemeine Versicherung AG, vertr. d.d. Vorstand, Durlacher Allee 56, 76131 Karlsruhe

Beklagte

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch die Richterin am Amtsgericht S. im schriftlichen Verfahren nach § 495a ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 09.02.2015 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 96,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.05.2014 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Abfassung eines Tatbestands wird gemäß § 313a I ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der restlichen
Gutachterkosten aus §§ 7 I StVG, 1 PflVersG, 115 I VVG.

Der Kläger ist Forderungsinhaber und deshalb aktivlegitimiert. Die von dem Kläger am 11.04.2014 erfolgte Sicherungsabtretung der Forderung an den Sachverständigengutachter ist nach vollständiger Bezahlung der Gutachterkosten durch den Kläger erloschen. Ein Bestreiten der Zahlung durch die Beklagte erscheint nach von dem Kläger vorgelegter Zahlungsbestätigung des Gutachters nicht hinreichend.

Die Ersatzpflicht der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig.

Der Kläger kann den offenen Teil der Sachverständigenkosten auch ungeschmälert fordern. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Sachverständigenkosten in Höhe des nicht erstatteten Teils unangemessen sind oder nicht. Der Geschädigte durfte als Teil seines Schadens Aufwendungen in Form der Sachverständigenkosten auf sich nehmen. Diese erscheinen jedenfalls nicht so offensichtlich überzogen hoch oder unangemessen, dass der Geschädigte dies hätte erkennen und vermeiden müssen. Das Gericht schließt sich der Auffassung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 11. Februar 2014 Az.: VI ZR 225/13 an.

Nach der Rechtsprechung des BGH genügt der Geschädigte seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 II 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 II 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 II 1 BGB eine maßgebende Rolle. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen, was hier nicht erkennbar oder vorgetragen ist. Dass der Kläger von vornherein hätte erkennen können, dass der Sachverständige nach der Behauptung der Beklagten überhöhte Nebenkosten ansetzen würde, wird im Rechtsstreit nicht behauptet. Dem Schädiger verbleibt in jedem Falle die Möglichkeit darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 I 2 BGB verstoßen hat, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte. Allein die in der Rechnung des Sachverständigen angesetzten Positionen für die einzelnen Nebenkosten rechtfertigt die Annahme eines solchen Verstoßes des Klägers allerdings noch nicht.

Insbesondere war es von dem Geschädigten nicht zu erwarten, dass er sich durch Recherche oder anderweitig vergewisserte, ob die von der Beklagten gerügten Positionen noch angemessen sind.

Zinsen kann die Klägerin von der Beklagten aus Verzug, §§ 288 II, 286 I, 280 II BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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4 Antworten zu AG Frankfurt am Main verurteilt Badische Allgemeine Versicherung zur Erstattung der durch die Badische Allgemeine gekürzten Sachverständigenkosten (32 C 4141/14 (48) vom 09.02.2015)

  1. Knurrhahn sagt:

    Hallo, Hans Dampf,

    da liest man eingangs in den Entscheidungsgründen:

    „Der Kläger kann den offenen Teil der Sachverständigenkosten auch ungeschmälert fordern. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Sachverständigenkosten in Höhe des nicht erstatteten Teils unangemessen sind oder nicht. “

    „….kann dahingestellt bleiben“ bedeutet doch nichts anderes, als das der unsubstantiierte Einwand einer behaupteten Überhöhung NICHT ERHEBLICH ist. Dann wäre nur noch ein Auswahlverschulden und ein kaum begründbarer Verstoß gegen eine vermeintliche Schadenminderungspflicht anzusprechen.

    Da weiterführend wohl auch unstreitig sein dürfte, dass der beauftragte Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfe des Unfallopfers, sondern des Schädigers ist, geht das Risiko aus der Tätigkeit des Sachverständigen bekanntlich zu Lasten des Schädigers, wie beim bekannten Werkstattrisiko gleichermaßen. Darin liegt ein Grund, dass der Bundesgrichtshof auch als überhöht behauptetet Honorare als regulierungspflichtig verdeutlicht hat.

    Daraus ist allerdings nicht abzuleiten, das nun jedwede Honorarhöhe zu regulieren wäre. Eine Grenze könnte ggf. bei einer Höhe angesiedelt sein, die beispielweise an der Wuchergrenze liegt, nicht jedoch bei Überschreitung der sog. „Üblichkeit“ oder „Ortsüblichkeit“ oder von Zahlen aus einem Honorartableau. Beide erstgenannten Eigenschaften konnten bezüglich der Honorarhöhe in der Vergangenheit durch vereidigte Honorarsachverständige nicht festgestellt werden, da es sich jeweils um individuelle Dienstleistungen handelt, deren äußerst unterschiedliche Art und Weise der Erbringung und dabei zu berücksichtigende Abhängigkeitsverhältnisse sowie vermeintliche Anpassungszwänge nicht geeignet sind, die Komplexität der beurteilungsrelevanten Randbedingungen in den Hintergrund zu schieben. Es sind also keine zu unterstellenden „Routinegutachten“, wie beispielsweise die HUK-Coburg-Versicherung bis heute immer noch behauptet.

    Unabhängig davon muss es Verwunderung auslösen, dass mit einer unsubstantiiert behaupteten Überhöhung oder auch Nichterforderlichkeit sich Gerichte ohne Prüfung der Verursachungsgegebenheiten sich ad hoc dennoch zu einer Überprüfung hinreißen lassen und dabei angeblich vergleichbare Zahlenwerte gegenüberstellen. Mit einer solchen Vorgehensweise wird die schadenersatzrechtliche Betrachtung zu Gunsten einer werkvertraglich ausgerichteten Beurteilung in den Hintergrund gedrängt, wenn auch Vorsatz dabei nicht zu unterstellen ist. Für genau diesen Verlauf haben aber die Versicherungen den Köder ausgelegt und nicht wenige Richter fallen leider immer wieder darauf herein, obwohl mit guten, schadenersatzrechtlich zu beachtenden Erwägungen der BGH gerade eine solche Überprüfungsnotwendigkeit verboten hat. Richtig schlimm wird es allerdings dann, wenn ein Richter sich auf den BGH bezieht, alle ansonsten dabei zu würdigenden Umstände jedoch ignoriert, sich zu einer „Schätzung“ gem. § 279 ZPO veranlasst sieht und dann die Position des damit besonders freigestellten Tatrichters dazu mißbraucht, prüfend und unkritisch das BVSK-Tableaus 2015 wie eine Gebührenordnung ex post zu handhaben und die ex ante Position des Unfallopfers nach Strich und Faden unter den Tisch fallen lässt.

    Knurrhahn

  2. Klartext sagt:

    Hi, Knurrhahn,

    da haste aber ins Schwarze getroffen! Ich frage mich, ob sich die Entscheidungsgründe vor diesem Hintergrund nicht drastisch abkürzen lassen? Einige bemerkenswerte Urteile von wohltuender Kürze weisen in diese Richtung, denn schadenersatzrechtlich bedarf es irgendwelcher Rechtfertigungsgründe für das abgerechnete Honorar nicht. Honorartableaus sind denknotwendig ebenfalls nicht entscheidungserheblich und dürfen vor allen Dingen nicht wie eine Gebührenordnung gehandhabt werden. Solche falschen Bezugnahmen haben mit dem zu bestimmenden Schadenersatz nichts zu tun und die künstlich hochstilisierte Frage der bezahlten oder noch unbezahlten Rechnung ändert an der Schadenersatzforderung ebenfalls nichts. Oder hast Du schon einmal gehört, das bei abgerechneten Reparaturkosten und vorliegender Reparaturkostenrechnung solche
    Beurteilungsansätze gleichermaßen in den Raum gestellt werden und ernsthaft zu diskutieren sind bzw. schadenersatzrechtlich greifen?

    Tatsächlich kommt es auf die Begleichung der Rechnung – anders als der BGH meint – nicht an, denn bereits die Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung steht der Bezahlung gleich, weil es keinen Unterschied machen kann, ob der Zahlungspflichtige eine Sekunde vor oder nach der Klageerhebung zahlt oder nicht. In beiden Fällen ist er in seiner Vermögenslage beeinträchtigt.

    Daher handelt es sich bei den berechneten Sachverständigenkosten auch um einen mit dem Unfallschaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensschaden (vgl. BGH DS 2007, 144 = NJW 2007, 1450).

    Alles andere beschränkt sich auf wilde Spekulation und Willkür und lässt sich mit dem Gesetz nicht
    nachvollziehbar in Einklang bringen.

    Klartext

  3. Rudi H. sagt:

    Wenn die Vorschrift des § 249 BGB den Schädiger grundsätzlich verpflichtet, im Rahmen seiner Haftung die dem Geschädigten entstandenen Nachteile vollständig auszugleichen, verstehe ich nicht den Riesenaufwand mit dem andere Entscheidungsgründe an der Vollständigkeit was auszusetzen haben, zumal im beurteilungsrelevanten Zusammenhang auch immer wieder zu Recht und nach dem Gesetz darauf hingewiesen wird, dass es eben nicht ein Anliegen der Norm ist, diese Haftung unter Inanspruchnahme des Geschädigten auf dessen Kosten zu mindern bzw. auszuhöhlen. Hab ich doch auch hier kürzlich so ähnlich schon gelesen, wenn ich mich nicht irre.-

    Rudi H.

  4. H.R. sagt:

    @ Klartext

    Geklagt wird regelmäßig doch nur bei rechtswidriger Kürzung entstandener Kosten für ein Gutachten .
    Ob bezahlt oder nicht bezahlt, ändert nichts an der gesetzlichen Erstattungsverpflichtung und dazu muss wohl noch einmal angemerkt werden, dass die bezahlte Rechnung der Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung gleich steht. Im Übrigen ist das Schadensersatzrecht kein Kostenerstattungsrecht. Ob die Kosten bezahlt sind oder nicht, darauf kommt es schadenersatzrechtlich nicht an. Seit wann ist ein Schuldnerverhalten (Abtretung, pleite, etc.) als Maßstab dafür herzunehmen, ob eine Schadensersatzforderung notwendig im Sinne des § 249 BGB ist? Dies ist anhand von objektiven Kriterien zu prüfen.

    Soweit der BGH in seiner Entscheidung vom 22.07.20114 – VI 357 /13 – ausgeführt hat, dass der Geschädigte seiner Darlegungslast regelmäßig durch Vorlage der von ihm beglichenen Rechnung genügt, und auch in dem der Entscheidung des BGH vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13 – zu Grunde liegenden Fall der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen bereits bezahlt hatte, folgt daraus nicht, dass einer noch nicht beglichenen Rechnung keine Indizwirkung für die zur Herstellung erforderlichen Kosten beigemessen werden kann, denn der Geschädigte, der selbst den Sachverständigen beauftragt hat, ist mit der Forderung des Sachverständigen belastet, auch wenn er die Rechnung noch nicht bezahlt hat. Auch nach der erfüllungshalber erfolgten Abtretung des Anspruchs auf Ersatz der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen muss der Geschädigte damit rechnen, wegen des Sachverständigenhonorars noch in Anspruch genommen zu werden, falls der Versicherer Zahlungen an den Sachverständigen abgelehnt ( vergleiche auch OLG München Beschluss vom 12.03.2015 – 10 U 579/15 – zitiert nach juris).“

    Damit ist auch der insoweit erhobene Einwand, dass die Sachverständigenkosten noch nicht bezahlt seien, schadenersatzrechtlichverfehlt.

    Dazu prägnant RA Imhof:

    „Indizwirkung nur bei „bezahlter“ Rechnung ist nicht schlüssig begründbar, denn eine solche Differenzierung nimmt das Gesetz selbst nicht vor und der BGH ist kein Ersatzgesetzgeber.

    Würde außerdem zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Unfallopfern führenden Liquiden und den Illiquiden, und damit den Gleichheitsgrundsatz verletzen.

    Bereits alleine die Belastung mit einer zu erfüllenden Verbindlichkeit stellt daher eine ersatzpflichtige Schadensposition auch und gerade für denjenigen Geschädigten dar,der nicht leistungsfähig ist, vgl. Palandt § 249 BGB Rz.4 mwN.

    Sollte der BGH daher künftig seine Tendenz zur Indizwirkung nur bei bezahlter Rechnung bekräftigen, so wird das BVerfG bemüht werden müssen.“

    H.R.

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