AG Frankfurt am Main verurteilt mit Urteil vom 15.6.2015 die Halterin des bei der VHV versicherten Fahrzeugs zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche wegen etwaiger Gutachtenkostenüberhöhungen des Sachverständigen

Sehr geehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

heute veröffentlichen wir ein Urteil des AG Frankfurt am Main, in dem die zuständige Amtsrichterin wegen der eingeklagten restlichen Sachverständigenkosten eine Zug-um-Zug-Verurteilung ausgesprochen hat, weil die beklagte Fahrzeughalterin des bei der VHV versicherten Unfallfahrzeugs von der Ausübung ihres Zurückbehaltungsrechtes hinsichtlich etwaiger Bereicherungsansprüche gegen den Sachverständigen gemäß § 255 BGB Gebrauch gemacht hat. Insoweit macht die Versicherungsnehmerin der VHV von dem Recht des Vorteilsausgleichs Gebrauch. Die Haftung hinsichtlich des in Frage stehenden Unfalls ist unstreitig. Die beklagte Halterin und die in diesem Fall nicht mitverklagte VHV haften als Gesamtschuldner auf vollen Schadensersatz. Insoweit muss die Beklagte auch vollen Schadensersatz leisten, ist allerdings nicht rechtlos, wenn sie der Auffassung ist, die Rechnung des Sachverständigen sei überhöht. Sie ist auf den Vorteilsausgleich verwiesen. Lest selbst das Urteil aus Frankfurt und gebt bitte Eure Kommentare ab. Leider ist das Aktenzeichen des Urteils geschwärzt. Dieses Mal veröffentlichen wir noch einmal ein Urteil ohne Aktenzeichen. Die Einsender werden daher noch einmal gebeten, das Aktenzeichen auf jeden Fall mitzuteilen, auch wenn das Rubrum anonymisiert ist. Besser ist eine komplette Übersendung. Wir nehmen die Anonymisierung von hier aus vor.

Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker 

Amtsgericht Frankfurt am Main

Verkündet lt. Protokoll am: 15.6.2015

Aktenzeichen: …………………………

Im  Namen   des  Volkes 

Urteil

In dem Rechtsstreit

…..

– Klägerin –

g e g e n

….. (Halterin des bei der VHV versicherten Fahrzeugs)

– Beklagte –

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch die Richterin am Amtsgericht S. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1.6.2015 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinn 99,15 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2014 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche wegen etwaiger Gutachtenkostenüberhöhung des SV-Büro für Kraftfahrzeuge G. hinsichtlich des Gutachtens Nr. …. vom …. Re-Nr. ….. .

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen die beklagte Fahrzeughalterin einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Gutachterkosten aus § 7 I StVG.

Die Klägerin ist als Geschädigte des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls aktivlegitimiert. Das Bestreiten der Beklagten ist insoweit nicht hinreichend. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin die Aktivlegitimation nicht mehr selbst innehaben sollte. Eine Forderungsabtretung an den Sachverständigen ist von keiner Seite vorgetragen. Die anteilige Zahlung des geforderten Schadensersatzes erfolgte vorgerichtlich auf das Anforderungsschreiben des Klägervertreters an die Klägerin (Anlage K2, Bl. 52 d.A.).

Die Ersatzpflicht der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig.

Der Höhe nach kann die Klägerin den offenen Teil der Sachverständigenkosten auch ungeschmälert fordern. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Sachverständigenkosten in Höhe des nicht erstatteten Teils unaangemessen sind. Der Geschädigte durfte als Teil seines Schadens erforderliche Aufwendungen in Form der Sachverständigenkosten auf sich nehmen. Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des BGH diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Das Gericht schließt sich der Auffassung des BGH im Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – (= BGH BeckRS 2014, 04270 = DS 2014, 90) und im Urteil vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13 – (= BGH BeckRS 2014, 16279) an, wonach die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen geören, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH Urt. v. 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (= BGH DS 2007, 144 = NJW 2007, 1450).

Der Geschädigte kann vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendnden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 II 1 BGB unter dem Gesihtspukt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Die Sachverständigenkosten sind zu ersetzen, soweit sie nicht für den Geschädigten erkennbar über dem ortüblichen Honorar für Sachverständige liegen ( LG Fulda Urt. v. 24.4.2015 – 1 S 168/14 – = BeckRS 2015, 08658). Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen.

Die streitgegenständlichen Sachverständigengutachterkosten erscheinen jedenfalls nicht so offensichtlich überzogen hoch oder unangemessen, dass der Geschädigte dies hätte erkennen und vermeiden müssen. Insbesondere war es von dem Geschädigten nicht zu erwarten, dass er sich durch Recherche  oder anderweitig vergewisserte, ob die von der Beklagten gerügten Posutionen noch angemessen sind. Konkrete Anhaltspunkte, weshalb die abgerechneten Kosten des Sachverständigen die branchenüblichen Kosten für den Geschädigten erkennbar übersteigen würden, hat die Beklagte nicht aufgezeigt. Auch aus dem Verhältnis der Nebenkosten zu dem veranschlagten Grundhonorr ist kein für den Kläger erkennbares auffälliges Missverhältnis zu entnehmen.

Die Beklagte hat nach § 273 BB von der Ausübung ihres Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich möglicher Ansprüche gegen den Sachverständigen nach § 255 BGB Gebrauch gemacht. Deshalb war Zug-um-Zug zu verurteilen, § 274 BGB.

Zinsen kann die Klägerin von der Beklagten aus Verzug nach erfolgloser Zahlungsfristsetzung verlangen, §§ 288 II, 286 I, 280 II BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 II Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

S. Richterin am Amtsgericht

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