AG Hamm zieht Bagatellschadengrenze bei 700 bis 800 € und verurteilt die Haftpflichtversicherung zur Zahlung der Sachverständigenkosten mit Urteil vom 3.9.2012 -24 C 567/11-.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

das Problem mit der sogenannten Bagatellschadensgrenze besteht schon seit längerem. Trotzdem wird von den eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherern immer wieder versucht, unter Ausdehnung der Bagatellschadensgrenze die notwendigen Sachverständigenkosten auf den Geschädigten abzuwälzen. Diesem Ansinnen hat die zuständige Richterin der 24. Zivilabteilung des AG Hamm einen Strich durch die Rechnung der Versicherer gemacht. Liegt der Schaden – nach laienhafter Einschätzung –  über 715,– €,   so ist der Geschädigte grundsätzlich berechtigt, ein Schadensgutachten in Auftrag zu geben. Die dadurch entstehenden Kosten sind erforderlicher Wiederherstellungsaufwand, weil die Begutachtung zur Wiederherstellung notwendig und zweckmäßig ist (BGH VI ZR 67/06) . Wenn die Begutachtung erforderlich ist, weil der Geschädigte ohne sachverständige Hilfe den Schaden alleine nicht beziffern kann, dann sind auch die Sachverständigenkosten der Höhe nach erforderlich (BGH DS 2012, 167, 168).  Lest aber selbst das Urteil des AG Hamm  und gebt Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker

24 C 567/11

Amtsgericht Hamm

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn …

Klägers,

gegen

die …

Beklagte,

hat das Amtsgericht Hamm

im vereinfachten Verfahren gem. § 495a ZPO am 03.09.2012

durch die Richterin …

für  R e c h t  erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 203,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2011 zu zahlen.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 46,41 € freizustellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

(ohne Tatbestand gemil § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO)

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte – nach Rückabtretung der zunächst durch den Kläger abgetretenen Schadensersatzforderung durch den Sachverständigen … – ein Zahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe gem. § 398 Satz 2 BGB i.V.m. §§ 7, 18 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG zu. Die volle Eintrittspflicht der beklagten Haftpflichtversicherung für den schadenursächiichen Verkehrsunfall vom 29.06.2011 ist zwischen den Parteien unstreitig.

Gemäß § 249 BGB hat die Beklagte mithin den Geldbetrag zu ersetzen, der zw Herstellung des Zustandes erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Hierzu zählen grundsätzlich auch die Kosten eines Sachverständigengutachtens, sofern die Begutachtung erforderlich und zweckmäßig war. Etwas anderes gilt nur für sog. Bagatellschäden, bei denen aus Gründen der Schadensminderungspflicht des Geschädigten von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abzusehen ist. Eine solche Grenze wird von der ganz überwiegenden Instanzrechtsprechung bei einem Schaden zwischen 700,00 € und 800,00 € angenommen (vgl. nur aus jüngerer Zeit mit weiteren Nachweisen AG Arnsberg, SP 2011, 340; AG Dresden, SP 2011,158; AG Dortmund, VRR 2010, 266; AG Hannover, SP 2009, 293; AG Mitte, SP 2009, 28). Gleichviel, ob man insoweit die vom Sachverständigen kalkulierten Brutto oder Nettoreparaturkosten zu Grunde zu legen hat (für Nettoreparaturkosten AG Mitte, a.a.O.), liegen die vom Sachverständigen seinem Gutachten vom 14.07.2011 kalkulierten Reparaturkosten oberhalb dieser Bagatellschadengrenze. Ein Verstoß des Klägers gegen seine Schadensminderungspflicht kann mithin im Streitfall nicht festgestellt werden.

Auch die Einwendung der Beklagten zur Höhe der erforderlichen Kosten verfangen nicht. Insoweit ist zwar nicht maßgeblich, was der Kläger mit dem Sachverständigen für eine Höhe der Rechnung vereinbart hat. Vielmehr ist maßgeblich, was als ortsüblich anzusehen ist. Bei einem Schaden kann als erforderlicher Schadensaufwand nur Ersatz derjenigen Kosten verlangt werden, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen, den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Es können daher nur diejenigen Kosten als ersatzfähiger Schadensbetrag in Ansatz gebracht werden, die üblicherweise anfallen. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, ob der Kläger mit der Geschädigten eventuell einen überhöhten Tarif vereinbart hat, vielmehr kommt es darauf an, ob sich der vereinbarte Betrag in den Grenzen des Üblichen hält. Nur in diesem Rahmen besteht eine Erstattungspflicht. Allerdings bewegen sich die vom Sachverständigen angesetzten Nebenkosten noch in den Grenzen dessen, was üblicherweise von Sachverständigen hinsichtlich gefertigter Lichtbilder abgerechnet wird (vgl. insoweit die BVSK-Honorarbefragung, die das Gericht in Übereinstimmung mit dem Landgericht Dortmund als taugliche Schätzgrundlage ansieht). Soweit die Beklagte einwendet, der Kläger sei gehalten gewesen, einen Sachverständigen aus Warstein zu beauftragen, ansonsten er die Fahrtkosten nicht erstattet verlangen könne, fehlt es bereits an der Darlegung der Beklagten, dass in Warstein überhaupt ein Sachverständiger zur Verfügung gestanden hätte.

Schließlich kann die Beklagte auch nicht damit gehört werden, dass dem Kläger jedenfalls kein Zahlungsanspruch zusteht. Zwar stand dem Kläger, da er die Rechnung vom 15.07,2011 unstreitig nicht ausgeglichen hat, zunächst nur ein Freistellungsanspruch gegen die Beklagte zu. Dieser hat sich jedoch durch die Abtretung an den Gläubiger in dessen Person in einen Zahlungsanspruch gewandelt. Durch die Rückabtretung hat der Zahlungsanspruch aber seinen rechtlichen Charakter nicht wieder verloren.

Die zuerkannten Zinsen rechtfertigen sich unter Verzugsgesichtspunkten aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1, 247 BGB. Die Erstattungsfähigkeit der vorgerichtiichen Rechtsverfolgungskosten, wegen derer der Kläger Freistellung begehrt, folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Streitwert: 203,49 Euro.

Urteilsliste “SV-Kosten” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu AG Hamm zieht Bagatellschadengrenze bei 700 bis 800 € und verurteilt die Haftpflichtversicherung zur Zahlung der Sachverständigenkosten mit Urteil vom 3.9.2012 -24 C 567/11-.

  1. Corinna sagt:

    Wenn das mal nicht auch Christoph Lütgert interessiert.-

    Da muss man ja als VN der HUK-Coburg damit rechnen, das man im Falle eines verschuldeten Verkehrsunfalls unerwartet noch verklagt wird, weil die eigene Versicherung rechtswidrig reguliert und immer mehr Rechtsanwälte nun plötzlich auf die Idee kommen, dann direkt auf den VN als Schädiger zurückzugreifen. Nein, danke. So unsicher will ich mich denn doch nicht versichern lassen, wenn es auch auch billiger ist.

    Ganz herzliche Grüsse

    Corinna

  2. DerHukflüsterer sagt:

    @Corinna
    „Da muss man ja als VN der HUK-Coburg damit rechnen, das man im Falle eines verschuldeten Verkehrsunfalls unerwartet noch verklagt wird, weil die eigene Versicherung rechtswidrig reguliert und immer mehr Rechtsanwälte nun plötzlich auf die Idee kommen, dann direkt auf den VN als Schädiger zurückzugreifen. “

    Keine Bange Corinna,
    hier handelt es sich nur um ca. 500.000 Einzelfälle, wo die HUK-Coburg nicht rechtskonform reguliert?
    Die Beschwerdestatistik bei dem Bafin zeigt das doch deutlich.
    Nimmt man zum Beispiel von der HUK an, dass 500.000 Leute durch ihre VN Unfall geschädigt werden, wird jeder einzelne nochmals persönlich von der HUK-Coburg, durch rechtswidrige Regulierung zusätzlich geschädigt!!
    Daher kommt der Begriff Einzelfall.
    Das alles ergibt die Kundenzufriedenheit mit der geworben wird bei Captain-Huk.LoL,LoL
    Ja,ja meine liebe Huk ,
    der zur Zeit wohl schlimmster Spuk?

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