AG HH-Wandsbek verurteilt den Halter des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten (716 C 165/13 vom 12.05.2014)

Mit Datum vom 12.05.2014 (716 C 165/13) hat das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek den Halter des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung weiterer 68,32 € zzgl. Zinsen, vorgerichtlichen RA-Kosten sowie den Kosten einer Halteranfrage verurteilt. Der vor einem Richterwechsel zuständige Richter hatte dem Kläger noch angeraten, die Klage hinsichtlich der Nebenkosten zurückzunehmen, da die „Voraussetzungen eines Verzuges nicht gegeben seien“. Zum Glück für den SV kam es zu dem Richterwechsel. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, die Berufung wurde zugelassen, obwohl sie von den Anwälten der Versicherung nicht beantragt worden war. Eingesandt und erstritten wurde dieses Urteil von der Kanzlei Hamburger Meile.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist überwiegend begründet.

Der Beklagte ist nach §§ 398, 823 I, 249 I11 BGB, 7,17 StVG verpflichtet, dem Kläger wei­tere 68,32 € Sachverständigenkosten als kausalen Unfallschaden nebst Zinsen zu erstatten. Auch die Nebenforderungen waren dem Kläger zuzusprechen.

1. Der Kläger ist durch die Abtretungsvereinbarung vom 18.01.2013 (Anlage K1, Bl. 15 d.A.) nach § 398 S. 2 BGB Inhaberin des Ersatzanspruchs des Herrn X gegen den Beklagten aus dem Verkehrsunfall vom xx.xx.2013 geworden, der auf Erstattung der Sachverständigenkosten gerichtet ist. Die Vereinbarung ist hinreichend bestimmt. Auch wenn in dem maßgeblichen Satz der Abtretungserklärung des Herrn X in der vom Kläger vorformulierten Textpassage nicht ausdrücklich der Zessionar benannt wird, er­gibt sich bei Auslegung der Erklärung aus dem unmittelbaren Textzusammenhang mit den vorherigen und nachfolgenden Sätzen zweifelsfrei, dass hiermit nur das „Sachver­ständigenbüro“ bzw. der Kläger als dessen Inhaber gemeint sein kann. Das Bestehen des abgetretenen Anspruchs dem Grunde nach ist im Übrigen zwischen den Parteien unstreitig, ebenso die volle Einstandspflicht des Beklagten.

2. Zu Unrecht hat der Beklagte den Anspruch des Klägers auf Ersatz der Sachverständi­genkosten um 68,32 € gekürzt.

Es ist höchstrichterlich gefestigt, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalles einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen darf und vom Unfallgegner im Rahmen seiner Ersatz­pflicht nach § 249 II 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderli­chen Sachverständigenkosten verlangen kann (BGH, Urteil vom 23.01.2007, VI ZR 67/06, VersR 2007, 560; BGH, Urteil vom 15.10.2013, VI ZR 471/12, VersR 2013, 1544; BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13, VersR 2014, 474). Als erforderlich sind dabei diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (BGH a.a.O.). Wenn der Geschädigte die Höhe der aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, ist er nach dem Rechtsgedanken des § 254 II BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminde­rungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (BGH a.a.O.). Das bedeutet aber nicht, dass der Ge­schädigte sich so in jedem Fall zu verhalten hat, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGH, Urteil vom 15.10.1991, VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364, 369; BGH, Urteil vom 11.02.2014, a.a.O.). Es ist vielmehr Rücksicht auf die spezielle Situation des Ge­schädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH a.a.O.). Bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschä­digte deshalb damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen und muss keine Marktforschung nach dem honorar­günstigsten Sachverständigen betreiben (BGH, Urteil vom 11.02.2014, a.a.O.). Als er­forderlich sind regelmäßig die von dem beauftragten Sachverständigen ausgewiesenen Kosten anzusehen, wenn sich nicht auch für den Geschädigten aufdrängt, dass die ge­troffene Preisvereinbarung erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (BGH, Urteil vom 11.02.2014, a.a.O.). Im Prozess obliegt es insoweit dem Schädiger, entspre­chende Umstände für einen solchen Verstoß des Geschädigten gegen seine Scha­densminderungspflicht darzulegen und ggf. unter Beweis zu stellen (BGH, Urteil vom 11.02.2014, a.a.O.).

Bei Anlegung dieser Grundsätze kann der Beklagte mit seinen Einwendungen gegen die Höhe des eingeklagten Sachverständigenhonorars nicht durchdringen. Es kann da­hinstehen, ob das Honorar tatsächlich die marktübliche Vergütung derartiger Sachver­ständigenleistungen übersteigt. Hiervon wird man wohl nicht ausgehen können, wenn das Honorar sich wie hier in dem Rahmen bewegt, der sich für vergleichbare Gutachten aus der maßgeblichen BVSK-Honorarbefragung ergibt (vgl. LG Dortmund, NJW-RR 2011, 321; AG Stuttgart, NZV 2011, 261; LG Zweibrücken, BeckRS 2012, 20217). Ei­ne Kürzung des klägerischen Ersatzanspruchs nach § 254 I11 BGB kommt nämlich nur in Betracht, wenn Herrn X als Geschädigten und ursprünglichen Anspruchsinhaber zugleich ein Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht vorzuwerfen wäre. Das steht vorliegend indes nicht fest, der Beklagte ist mithin beweisfällig geblieben.

Ein solcher Verstoß ist nicht allein damit zu begründen, dass das Honorar die in Honorarumfragen wie dem von der Haftpflichtversicherung des Beklagten vorgelegten „Honorartableau 2012 HUK-Coburg“ (Anlage B1, Bl. 35 d.A.) ausgewiesenen Durchschnittswerte oder -rahmen oder auch das im Wege des Sachverständigenbeweises ermittelte angemessene Honorar überschreitet. Dem Geschädigten müssten diese Erkenntnisquellen zudem bei Beauftragung des Sachverständigen zur Verfügung gestanden haben. Das ist nicht vorgetragen und entspricht auch nicht der Lebenswirklichkeit. Es bedurfte deshalb nicht der Einholung des von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens zur Angemessenheit derVergütung des Klägers.

Weitere Umstände, aus denen sich für Herrn X zumindest die Unangemessenheit der Sachverständigenvergütung des Klägers im Ganzen oder einzelner Bestandteile aufdrängen hätte müssen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ein Geschädigter wird regelmäßig keine Überlegungen anzustellen haben, inwieweit die Vereinbarung eines pauschalen Grundhonorars die gesonderte Geltendmachung einzelner Ne­benleistungen des Sachverständigen ausschließt. Anders wäre dies allenfalls dann, wenn daneben keine relevanten Leistungen verbleiben würden, die mit dem Grundhonorar abgegolten sind. Das ist hier aber nicht der Fall. Die behauptete Überhöhung der vom Beklagten konkret angegriffenen Nebenkosten (Fahrt-, Foto- und Telefonkosten) ist bei sachgerechter Beurteilung nicht derart massiv, dass sie Herrn X ins Auge fal­len hätte müssen. Der Geschädigte muss nämlich miteinrechnen, dass der Sachver­ständige bei der Abrechnung von Nebenkosten nicht einfach seine reinen Verbrauchs­kosten an ihn weitergibt, sondern einen Aufschlag für die Vorhaltung der Arbeitsmittel hinzurechnet. Unter Berücksichtigung solcher Aufschläge auf die vom Beklagten heran­gezogenen Vergleichswerte bleibt – ungeachtet der Frage, inwieweit diese den marktüblichen Preis für entsprechende Leistungen adäquat wiedergeben – kann aber von einem auffälligen Missverhältnis der Abrechnung nicht die Rede sein.

Das Zustandekommen einer den Klageanspruch begründenden Honorarvereinbarung zwischen dem Kläger und Herrn X und die Erbringung der abgerechneten Leistun­gen durch den Kläger sind im Übrigen unstreitig geblieben.

3. Daneben stehen dem Kläger nach §§ 291,288 I BGB Zinsen auf die Klageforderung jedenfalls ab dem 11.07.2013 zu, nachdem die Klage am 01.06.2013 rechtshängig ge­worden ist.

4. Der Kläger hat nach §§ 257, 398, 823 I, 249 II 1 BGB, 7, 17 StVG schließlich auch einen Anspruch auf Freihaltung von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 44,10 €, näm­lich 39,00 € vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und 5,10 € Gebühren für eine Halterauskunft.

Anwaltskosten sind als Kosten der Geltendmachung und Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs nach § 249 II 1 BGB ersatzfähig, wenn die Beauftragung eines An­walts hierfür erforderlich und zweckmäßig war (hierzu Palandt, 70. Aufl., § 249 BGB, Rn. 57 m.w.N.). Das ist bei der Regulierung von Verkehrsunfällen unter Beteiligung von Haftpflichtversicherern wie hier regelmäßig anzunehmen. Die Kosten sind auch angemessen, weil sie nach Maßgabe des RVG zutreffend berechnet wurden. Es handelt sich dabei nach Abtretung nicht i.S.v. § 15 II RVG um dieselbe Angelegenheit wie die Regulierung der übrigen nicht abgetretenen Ansprüche aus dem Verkehrsunfall, so dass der Ansatz eines eigenen Gegenstandswertes in Höhe der abgetretenen Forderung nicht zu beanstanden war (vgl. hierzu Mayer/Kroiß, 6. Aufl., § 15 RVG, Rn. 72 Unfallschadenregulierung).

Die der Höhe nach unstreitigen Gebühren für die Halterabfrage sind ebenfalls als Ko­sten der Rechtsverfolgung erstattungsfähig. Ungeachtet der Regelung des § 1 I PflVG ist nicht auszuschließen, dass Fahrzeughalter und Versicherungsnehmer der Haftpflichtversicherung verschiedene Personen sind. Selbst wenn die HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG dem Kläger bereits vor der Halterabfrage die Personalien ihres Ver­sicherungsnehmers mitgeteilt haben sollte, hatte der Kläger Veranlassung, die Halterei­genschaft zur Vermeidung von Kosten für die Inanspruchnahme einer falschen Person zu überprüfen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Soweit das AG HH-Wandsbek.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu AG HH-Wandsbek verurteilt den Halter des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten (716 C 165/13 vom 12.05.2014)

  1. Luminator sagt:

    Hallo, Babelfisch,
    Ein interessantes Urteil.
    Schön, dass hier ein Amtsrichter die Berufung zugelassen hat, zumal gerade im Landgerichtsbezirk Hamburg ja keineswegs eine einheitliche Rechtsprechung festzustellen ist. Unabhängig davon taucht bei mir mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder die Frage auf, warum denn nun die Amtsgerichte und einige wenige Landgerichte sich nicht an der aktuellen BGH-Entscheidung aus Februar 2014 orientieren, wo selbst die HUK-Coburg in Ihren Kürzungsschreiben darauf hinweist, wenn auch aus dem Zusammenhang gerissen und mit einer Umfärbung auf werkvertragliche Gesichtspunkte sowie falscher Unterstellung der Beweislast, um damit von vornherein jedweden Einwendungen das Wasser abzugraben.

    Luminator

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