AG Nürnberg verurteilt DEVK Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (18 C 7271 vom 10.03.2008)

Mit Urteil vom 10.03.2008 (18 C 7271) hat das AG Nürnberg die DEVK Allgemeine Versicherungs-AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 498,25 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht  wendet die Schwacke-Liste an und macht in der Urteilsbegründung Ausführungen zur Verpflichtung des Geschädigten, Angebote des Haftpflichtversicherers bei Mietwagen anzunehmen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte die Erstattung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 498,25 €  als Schadensersatzanspruch zu, §§ 823, 249 BGB. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten auf der Basis von einer Wochen- und einer Tagespauschale unter Zugrundelegung des arithmetischen Mittels des Postleitzahlengebietes (PLZ 904) der Anmietung des „Normaltarifs.“ nach- der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel 2006 (im Folgenden Schwacke-Liste) abzüglich 3% ersparter Eigenaufwendungen und zuzüglich Kosten für Haftungsbefreiung, Abholung/Zustellung und Mehrwertsteuer.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteile des BGH BGHZ 160, 377, 383.f.; 163, 19, 22 f.; vom 26. Oktober 2004 – VI ZR 300/03 – VersR 2005, 241, 242; vom 15. Februar 2005 – VI ZR 160/04 – VersR 2005, 569 und –VI ZR 74/04 VersR 2005, 568; vom 5. Juli 2005 – VI ZR 173/04 – VersR 2005, 1256, 1257; vom 25. Oktober 2005 – VI ZR 9/05 – VersR 2006, 133; vom 14. Februar 2006 – VI ZR 126/05 – VersR 2006, 669, 670. und – VI ZR 32/05 – VersR 2006, 564, 565; vom 4. April 2006 – VI ZR 338/04 – und vom Mai 2006 , VI ZR 117/05) kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs, (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zum Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem „Normaltarif“ teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs; mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem „Normaltarif höheren Preis bei Unternehmen dieser Art aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolge dessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind..

Inwieweit dies der Fall ist, hat grundsätzlich der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders frei gestellte Tatrichter – gegebenenfalls nach-Beratung durch einen Sachverständigen – zu schätzen (vgl. Urteile des BGH BGHZ 163, 19, 23; vom 14. Februar 2006 – VI ZR 126/05 – und – VI ZR 32/05 -, jeweils aaO; vom 4. April 2006 – VI ZR 338/04). Dabei kommt unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif in Betracht. Auch ist es nicht erforderlich, die Kalkulation des konkreten Unternehmens nachzuvollziehen. Vielmehr hat sich die Prüfung darauf zu beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte bei Unternehmen dieser Art den Mehrpreis rechtfertigen (vgl. Urteile des BGH vom 25. Oktober 2005 – VI ZR 9/05 – VersR 2006, 133; vom 14, Februar 2006 – VI ZR 126/05 – aaO und vom 4. April 2006-VI ZR 338/04).

„Normaltarif“ ist nicht der Tarif, der dem Unfallgeschädigten in seiner besonderen Situation angeboten wird, sondern derjenige, der dem Selbstzahler normalerweise angeboten und der unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet wird (BGH NJW 2005, 1933). Als Grundlage der Ermittlung des Normaltarifs zieht das Gericht das arithmetische Mittel der Schwacke-Liste heran. Diese Vorgehensweise ist vom Bundesgerichtshof ausdrücklich gebilligt worden (BGH NJW 2006, 2106; 2007, 1124, 1125). Das Gericht erachtet dies auch deswegen als adäquaten Anknüpfungspunkt, weil nicht ein einziger örtlicher Vermieter als Maßstab für den örtlichen Markt dient, sondern eine Reihe von Konkurrenten, aus deren Angeboten ein Schnitt gebildet wird. Gerade in Fällen, in denen Vermieter nur einen Tarif anbieten, erscheint es sachgerechter, nicht einen Mitbewerber als Maßstab zu nehmen, sondern den durchschnittlichen Preis mehrerer Mitbewerber. Auf diese Weise lässt sich der Vergleich objektivieren statt nur einen Ausschnitt aus dem Markt widerzuspiegeln.

Ausgehend van dem arithmetischen Mittel als Richtwert ist der Normaltarif für die Gesamtmietdauer mittels Kombination von Wochen-, Dreitages- und Tagespauschalen (vorliegend 1 x 7 Tage, l x 1 Tag) zu ermitteln, nicht durch bloße Multiplikation des Tagestarifs mit der Zahl der Miettage (vorliegend 8×1 Tag). Der Aufwand einer mehrtägigen Vermietung an einen Unfallgeschädigten ist in der Regel geringer als eintägige Vermietungen. Selbst bei nur täglicher Verlängerung der Mietdauer durch den Geschädigten fallen Kosten wie Reinigung, Vermittlungsaufwand, etc. nicht mehrfach an. Zumeist liegt dem Geschädigten außerdem frühzeitig ein Sachverständigengutachten vor, das die voraussichtliche Reparaturdauer des Fahrzeug angibt, so dass die Mietdauer konkretisiert und eine günstige Pauschale vereinbart werden kann.

Der der Klägerin zugesprochene Betrag von 498,25 € errechnet sich unter Zugrundelegung des arithmetischen Mittels des Normaltarifs der Gruppe 1 der Schwacke-Liste 2006 (PLZ 904) wie folgt:

381,00 €     1 Woche
+     68,00 €     1 Tag
449,00 €
./.    13,47 €     3 % Eigenersparnis
435,53 €
+   176,00 €     Haftungsbefreiung
611,53 €
+     18,00 €     Abholung/Zustellung
629,53 €     netto
+   100,72 €     Mehrwertsteuer
730,25 €     brutto
./.  232,00 €     von der Beklagten bereits reguliert
498,25 €

Die Kosten für Haftungsbefreiung und Abholung/Zustellung wurden von der Beklagten nicht bestritten. Winterreifen können nicht extra in Rechnung gestellt werden, sie sind vielmehr Bestandteil eines ordnungsgemäßen Mietfahrzeuges.

Über das objektiv erforderliche Maß hinaus kann die Geschädigte im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung den mit der Klage geltend gemachten, übersteigenden Betrag nur verlängert, wenn sie darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihr unter Berücksichtigung ihrer individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für sie bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in ihrer Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer „(Normal-)Tarif‘ zugänglich war (vgl. Urteile des BGH BGHZ 160, 377, 384; BGHZ 163, 19, 24 f.; vom 14. Februar 2006 – VI ZR 126/05 – aaO, 671; vom 4. April 2006 – VI ZR 338/04 – und vom 9. Mai 2006 – VI ZR 117/05). Hierbei handelt es sich nicht um eine Frage der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 BGB, sondern um eine Anspruchsvoraussetzung, für die die Klägerin die Beweislast trägt.

Für die Frage der Zugänglichkelt ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen. Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen (vgl. Urteile des BGH BGHZ 163, 19, 24 f.; vom 14. Februar 2006 – VI ZR 126/05 – aaO; vom 25. Oktober 2005 – VI ZR 9/05 – aaO; vom 9. Mai 2006 – VI ZR 117/05) kommt es insbesondere auf die Frage der Erkennbarkeit der Tarifunterschiede für die Geschädigte darauf an, ob eine vernünftige und wirtschaftlich denkende Geschädigte unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn sie Bedenken gegen die Angemessenheit des ihr an gebotenen Unfallersatztarifs haben muss, die sich insbesondere aus dessen Höhe ergeben können. Dabei kann es je nach Lage des Einzelfalls auch erforderlich sein, sich nach anderen Tarifen zu erkundigen und gegebenenfalls ein oder zwei Konkurrenzangebote einzuholen. In diesem Zusammenhang kann es auch eine Rolle spielen, wie schnell die Geschädigte ein Ersatzfahrzeug benötigt.

Hier sind keine Umstände aufgezeigt, aus denen hervorgeht, dass der Klägerin kern günstigerer Tarif zugänglich war. Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin sich im vorliegenden Fall nach anderen Tarifen hätte erkundigen und Konkurrenzangebote einholen können. Der Unfall erfolgte am Sonntag, den 29.10.2006. Erst fünf Tage später, am 03.11.2006, mietete die Klägerin ein Ersatzfahrzeug an. In dieser Zeitspanne hätte die Klägerin problemlos einen Preisvergleich vornehmen können. Allein das allgemeine Vertrauen darauf, der ihr vom Autovermieter angebotene Tarif sei auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnitten und sei „normal“, rechtfertigt es nicht, zu Lasten des Schädigers und seines Haftpflichtversicherers ungerechtfertigt Überhöhte und nicht durch unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters gedeckte Unfallersatztarife zu akzeptieren. Die Klägerin trägt selbst vor, dass sie sich nicht veranlasst sah, weitere Untersuchungen bzgl. der Mietwagenpreise anzustellen. Im vorlegenden Fall ist der Klägerin als Verstoß gegen ihre Schadensgeringhaltungspflicht anzulasten, dass sie bei der auf Vermittlung der Reparaturwerkstatt erfolgten Anmietung des Fahrzeuges keinerlei Erkundigungen über andere Anmietungsmöglichkeiten eingezogen hat. In Anbetracht des Umstandes, dass der angebotene Tarif auffällig hoch war, hätte es für die Klägerin nahe gelegen, sich nach anderen Tarifen zu erkundigen. Es sind keine Umstände substantiiert vorgetragen, die für eine besondere Eilbedürftigkeit der Anmietung und gegen eine Erkundungspflicht nach günstigeren Tarifen bzw. Anbietern sprechen könnten (vgl. hierzu Urteile des BGH BGHZ 163, 19′, 26; vom 25. Oktober 2005 – VI ZR 9/05 – VersR 2006, 133, 134; vom 4. April 2006 – VI ZR 338/04 – und vom 9. Mai 2006 – VI ZR 117/05 – sowie vom 13. Juni 2006 – VI ZR 161/05). Da sie die Anmietung fünf Tage nach dem Unfall an einem gewöhnlichen Wochentag, nämlich an einem Freitag, und zur üblichen Geschäftszeit vorgenommen hat, kann ihr dabei keine Eil- oder Notsituation bei der Anmietung zugute gehalten werden.

Es reicht für die Annahme der „Nicht-Zugänglichkeit“ eines günstigeren Tarifs auch nicht aus, dass die Vermieterfirma nur über einen einzigen Tarif verfügte. Unter diesen Umständen reicht allein der Hinweis darauf, dass der konkrete Vermieter keinen anderen Tarif angeboten hat, nicht aus, um anzunehmen, dass dem Kläger ein wesentlich günstigerer „Normaltarif“ nicht ohne weiteres zugänglich war.

Allein aus dem Umstand, dass der Klägerin bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges unter Offenlegung der Unfallsituation von einem Mietwagenunternehmen zunächst ausschließlich der Unfallersatztarif angeboten worden wäre, kann nicht der Schluss gezogen werden, alle Vermieter hätten die erforderliche Frage nach einem günstigeren Tarif für Selbstzähler wahrheitswidrig verneint.

In Anbetracht des Umstandes, dass der angebotene Tarif erheblich über den in der Schwacke-Liste aufgezeigten Tarifen lag und auffällig hoch war, hätte es für die Klägerin unter den Umständen des Streitfalls nahe gelegen, sich nach anderen Tarifen zu erkundigen. Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier -zwischen dem Unfall und der Anmietung des Ersatzfahrzeugs ein Zeitraum von fünf Tagen liegt und auch keine Anhaltspunkte für eine besondere Eilbedürftigkeit der Anmietung vorliegen, die gegen eine Erkundigungspflicht bezüglich günstigerer Tarife bzw. Anbieter sprechen könnten (vgl. hierzu Senatsurteile BGHZ 163, 19, 26; vom 25. Oktober 2Q05 – VI ZR 9/05- VersR 2006, 133, 134; vom 4. April 2006 – VI ZR 338/04 – und vom 9. Mai 2006 – VI ZR 117/05 -, jeweils z.V.b.). Unter diesen Umständen reicht allein der Hinweis darauf, dass der konkrete Vermieter keinen anderen Tarif angeboten hat, nicht aus, um anzunehmen, dass dem Kläger ein wesentlich günstigerer „Normaltarif nicht ohne weiteres zugänglich war,

Nach alledem hat die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts nicht den Beweis geführt, dass ihr kein günstigerer Tarif zugänglich war. Folglich steht der Klägerin die klageweise geltend gemachte Forderung nicht vollständig, sondern nur in dem oben berechneten Umfang von 498,25 € zu.

Entgegen der Auffassung der beklagten Partei ist die Klagepartei nicht gehalten gewesen, die von der beklagten Partei behauptete Mietmöglichkeit für 29,00 €. brutto pro Tag anzunehmen. Zwar Ist grundsätzlich die Klagepartei im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht verpflichtet, günstige Angebote anzunehmen. Jedoch müssen diese gemäß den allgemeinen Grundsätzen des BGB so formuliert sein, dass sie mit einem einfachen „ja“ angenommen werden können. Hierfür trägt jedoch die beklagte Partei nichts vor. Sie äußert lediglich pauschal, dass Sie die Klägerin auf die Möglichkeit hingewiesen habe, einen Mietwagenpreis für 29,00 € brutto zu nehmen. Ein konkretes Angebot einer Firma wurde dabei nicht dargelegt. Es war für die Klägerin nicht einmal erkennbar, wer Vertragspartner werden sollte. Ein solches Angebot kann auch nur durch den Versicherer und nicht durch die Klagepartei erzielt werden, da dieses im Preis deutlich unter dem Marktwert liegt. Dies begründet sich daraus, dass seitens des Versicherers erhebliche Chargen abgenommen werden. Diese sind aber der Klagepartei ohne konkretes, sofortannahmefähiges Angebot nicht zuzumuten. Insoweit kann diese zum Marktpreis anmieten. Eine konkrete Anmietungsmöglichkeit unter dem Marktpreis durch ein Angebot des Versicherers, ist nicht im erforderlichen Umfang dargetan.

Die Klägerin kann von der Beklagten vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 24,15 € gem. §§ 823, 249 BGB ersetzt verlangen. Die Klägerin ging von einem Gegenstandswert von 2.214,01 € aus. Unter Zugrundelegung, dass der Klägerin weitere Mietwagenkosten in Höhe von 498,25 € und nicht in Höhe von 708,34 € zustehen, ergibt dies einen Gegenstandswert von 2.003,92 €, so dass der Klägerin die Zahlung von 24,16 € verfangen kann.

Soweit das AG Nürnberg.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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