AG Wiesbaden spricht Fachwerkstattlöhne dem Geschädigten zu ( 93 C 537/08-40 vom 06.03.2009)

Die Amtsrichterin der 93. Zivilabteilung des Amtsgerichts Wiesbaden hat mit Urteil vom 06.03.2009 (93 C 537/08-40) die Württembergische Versicherung AG verurteilt, an den Kläger 396,01 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Kosten des Rechtstreites hat die Beklagte zu tragen. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten weiteren Schadensersatz aus einem Verkehrs­unfallereignis, welches sich am 17.07.2007 in Wiesbaden zugetragen hat.

Der Kläger, welcher Eigentümer eines Pkws der Marke Nissan Micra, erstmals zugelas­sen am 20.03.1997, mit dem amtlichen Kennzeichen WI-…. ist, fuhr an dem ge­nannten Tag mit seinem Pkw die Straße „Am Hochfeld“ von der Berliner Straße kom­mend in Richtung Tempelhafer Straße. Vor ihm fuhr das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen MZ-…, welches von der Fahrbahn zu­nächst nach links auf einen der dort befindlichen Parkplätze fuhr, dann aber wieder, um zu wenden, zurückstieß und dabei mit dem vorbeifahrenden klägerische Fahrzeug kolli­dierte. Die volle Haftung der Beklagten für die dem Kläger unfallbedingt entstandenen Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig.

Das Fahrzeug des Klägers, welches am Unfalltag eine Laufleistung von etwa 37.700 Kilometern aufwies, wurde durch die Kollision im Bereich der linksseitigen Karosserie beschädigt. Zum Zwecke der Schadensermittlung holte der Kläger vorgerichtlich ein Schadensgutachten bei dem Ingenieur-Büro G.+ K. (BI.7-23 d.A.) ein, auf dessen genauen Inhalt Bezug genommen wird. Bei den Lohnkosten wurden die durch­schnittlichen Stundenverrechnungssätze markengebundener Fachwerkstätten zugrunde gelegt. Der Kläger ließ sein Fahrzeug bislang nicht reparieren. Gegenüber der Beklag­ten machte er neben weiteren Schadenpositionen seinen Sachschaden deshalb auf der Grundlage des eingeholten Schadengutachtens geltend, wonach sich die Netto-Reparaturkosten am klägerischen Pkw auf 2.476.07 € belaufen. Diesen vorgerichtlich vom Kläger geltend gemachten Reparaturkostenbetrag rechnete die Beklagte mit Schreiben vom 17.08.2007 (BI.24 d.A.) jedoch lediglich in Höhe eines Teilbetrages von 2.037,81 € ab und überwies diesen sodann an den Kläger. Hinsichtlich der Berechnung der seitens der Beklagten regulierten Schadensumme wird auf den Prüfbericht der Fir­ma Control Expert GmbH vom 10.08.2007 (BI.98/97 d.A.) Bezug genommen, welchen die Beklagte ihrem Schreiben vom 17.08.2007 beifügte. Darüber hinaus regulierte die Beklagte aus der Klägerseits geltend gemachten Gesamtschadensumme von 3.002,42 € die vorgerichtlich dem Kläger entstandenen Rechtsanwaltsgebühren ebenfalls in Höhe eines Teilbetrages von 318,18 €. Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.08.200? (BI.25-28 d.A.) ließ der Kläger die Beklagte zur Zahlung der nicht regulierten Differenzbeträge auf­fordern. Mit Schreiben vom 29.08.2007 lehnte die Beklagte jedoch jegliche weitere Re­gulierung ab. Mit dem Klageantrag zu 1.) begehrt der Kläger von der Beklagten mithin den sich aus seiner Reparaturkostenkalkulation ergebenden nicht regulierten Differenz­betrag von 438,26 €, mit dem Klageantrag zu 2.) die teilweise noch nicht regulierten Rechtsanwaltsgebühren in Höhe eines Betrages von 43,32 €.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe auch bei der von ihm gewählten Schadensabrech­nung auf Gutachtenbasis bei der Reparaturkostenkalkulation einen Anspruch auf Erstat­tung der Lohnkosten unter Zugrundelegung der ortsüblichen Stundensätze markenge­bundener Fachwerkstätten. Er behauptet, die in der gutachterlichen Schadenkalkulation des Ingenieur-Büros G.+K. vom 20.07.2007 zugrunde gelegten Stundensätze entsprächen den ortsüblichen Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt für die Fahrzeugmarke des Klägers in der Region um seinen Wohnsitz im Unfallzeitpunkt. Auch seien die in dem Gutachten bei den Lohnkosten für Instandsetzung Einzel- und Verbundarbeiten veranschlagten, nach der teilweisen Klagerück­nahme verbleibenden 87 Arbeitswerte zur Schadensbeseitigung erforderlich. Denn die mit 4 AW in der Kalkulation enthaltene Arbeitsmaßnahme „Seitenscheibe hinten links abkleben“ sei in den 17 AW für die Vorbereitung der Lackierung nicht enthalten und deshalb gesondert zu berechnen. Der in dem Sachverständigengutachten enthaltene Ersatzteilzuschlag von 10% entspreche ebenfalls dem durchschnittlichen Ersatzteilzu­schlag, welcher von sämtlichen regionalen Nissan-Werkstätten in der Region um den Wohnsitz des Klägers im Unfallzeitpunkt berechnet werde. Schließlich ist die Beklag­te der Ansicht, der Kläger müsse sich hinsichtlich reparierter Vorschäden an seinem Fahrzeug erklären, insbesondere inwieweit diese in einer Nissan-Vertragswerkstatt re­pariert worden seien.

Der Kläger hat ursprünglich beantragt,

  • 1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 438,26 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2007 zu zahlen,
  • 2. die Beklagte zu verurteilen. Für den Kläger an die Rechtsanwälte D. M. und H. aus W. 43,32 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Pro­zentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.02,2008 zahlen.

Mit Schriftsatz vom 05.06.2008 hat der Kläger die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1.) in Höhe eines Betrages von 42,25 € teilweise zurückgenommen. Mit Beschluss vom 20.08.2008 (Bl. 170-173 d.A.) hat das Gericht die Beklagte darauf hingewiesen, dass von ihrer Einwilligung in die teilweise Klagerücknahme auszugehen ist, wenn sie dieser nicht binnen einer Frist von zwei Wochen widerspricht. Ein Widerspruch der Be­klagte ist binnen der Frist nicht eingegangen.

Der Kläger beantragt deshalb nunmehr mit dem Klageantrag zu 1.),

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 396,01 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Schadengutachten des Ingenieur-Büros G. + K. sei als Abrechnungsgrundlage für den dem Kläger unfallbedingt entstandenen Sachschaden ungeeignet, da es bei den kalkulierten Lohnkosten ohne Angabe einer konkreten Reparaturwerkstatt zum einen von einem durchschnittlichen und nicht einem konkreten Stundensatz ausgehe und zum anderen nicht die Stundensätze der freien Karosserie- und Lackierwerkstätten in der Region des Wohnsitzes des Klägers zugrun­de lege. Die Beklagte behauptet, für eine fachgerechte Reparatur des klägerischen Fahrzeugs ausreichend und angemessen seien Lohnkosten im Bereich Karosserie und Mechanik in Höhe von lediglich netto 76,- € pro Stunde und im Bereich Lack in Höhe von lediglich 98,80 € pro Stunde inklusive Lackmaterial. Diese Stundensätze würden in der Region des Wohnsitzes des Klägers von der Firma F. berechnet. Die ebenfalls in der Region des Wohnsitzes des Klägers ansässige Firma Auto-Dienst B.  berechne bei Karosserie- und Mechanikarbeiten Stundensätze von 78,50 € und für Lackierarbeiten 104,40 € inklusive Lackmaterial. Bei beiden Werkstätten handele es sich jeweils um Fachwerkstätten für Karosserie- und Unfallinstandsetzungen, welche die Qualitätskriterien von Fachwerkstätten für Karosserie- und Lackierarbeiten erfüllen würden, weshalb sie gegenüber einer Reparatur des klägerischen Fahrzeugs in einer Nissan-Vertragswerkstatt zumindest wirtschaftlich und technisch gleichwertig seien. Die Durchführung der Reparatur in einer der beiden Werkstätten sei dem Kläger nach Auf­fassung der Beklagten mithin zumutbar. Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass der in dem Schadengutachten G.+K. bei den Ersatzteilen berechnete UPE-Aufschlag ohne Nachweis einer vollständig durchgeführten Reparatur nicht erstattungs­fähig sei. Ebenfalls nicht erstattungsfähig seien die für die Fahrzeugverbringung in einer Lackiererei veranschlagten Kosten in Höhe von 84,50 €, solange der Kläger nicht nach­weise, dass er sein Fahrzeug in einer Werkstatt habe reparieren lassen, die über keine eigene Lackiererei verfüge.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitig einge­reichten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 15.D8.2008 (Bl. 195/196 d.A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Er­gebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. M. G. vom 08.01.2009 (Bf.221-242 d.A.).

Die Klage wurde der Beklagten ausweislich der in der Akte befindlichen Postzustel­lungsurkunde (Bl. 37.d.A.) am 20.02.2008 zugestellt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist hinsichtlich des noch rechtshängigen Klageantrags zu 1.) begründet, hin­sichtlich des Klageantrags zu 2.) unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Artspruch auf weiteren Schadensersatz aus § 3 Ziff.1 PflVG in Höhe des mit dem Klageantrags zu 1.) nach der teilweisen Klagerücknahme noch geltend gemachten Betrages von 398,01 €.

Nach Auffassung des Gerichts ist der Kläger im Rahmen der von ihm zur Regulierung seines Unfallschadens gewählten fiktiven Schadensberechnung auf Gutachtenbasis be­rechtigt, die Reparaturkosten hinsichtlich der Lohnkosten auf der Grundlage der durch­schnittlichen ortsüblichen Stundensätze der markengebundenen Nissan – Fachwerkstät­ten seiner Region zum Unfallzeitpunkt zu berechnen.

Zwar ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadens­behebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwen­denden Kosten beeinflussen kann {BGHZ 115, 364/368; 132. 373/378). Doch genügt der Geschädigte diesen Anforderungen regelmäßig, wenn er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt dem kon­kreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden (BGH „Porsche-Urteil“ vom 29.04.2003 Az.: VI ZR 398/02). Diese Vorausset­zungen erfüllt das vom Kläger eingeholte Schadengutachten des Ingenieur-Büros G.+ K. vom 20.07.2007.

Anders als im o.a. „Porsche-Urteil“ des BGH liegt im hiesigen Rechtsstreit auf Klägerseite nicht das Schadengutachten einer konkreten markengebundenen Fachwerkstatt vor, sondern das Sachverständigen-Büro G.+K. hat bei seiner Berechnung die durchschnittlichen ortsüblichen Stundensätze der markengebundenen Nissan – Fach­werkstätten in der Region um den Wohnsitz des Klägers zum Unfallzeitpunkt zugrunde gelegt. Umgekehrt hat die Beklagte – ebenfalls abweichend von der genannten BGH-Entscheidung – gegenüber dem Gutachten G.+K. nicht einen niedrigeren abs­trakten Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region eingewandt, sondern den Kläger auf zwei ganz konkrete, am Wohnort des Klägers geschäftsansässige (nicht markengebundene) freie Fachwerkstätten für Karosserie und Lackierung (Unfallinstandsetzung) verwiesen. Die Entscheidung des BGH kann deshalb nicht ohne weiteres auf den hiesigen Fall übertra­gen werden. Hinzu kommt, dass der BGH für die Entscheidung des hiesigen Rechts­streits wesentliche Aspekte in seiner Entscheidung offen gelassen hat.

Wesentlich für die Entscheidung des hiesigen Rechtsstreits ist nach Auffassung des er­kennenden Gerichts, dass sich der genannten BGH-Entscheidung entnehmen lässt, dass ein Geschädigter bei einer fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis der Reparatur­kostenkalkulation die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerk­statt zugrunde legen darf, also nicht von vornherein verpflichtet ist, den Stundenver­rechnungssatz der günstigsten – auch freien – Fachwerkstatt zu wählen. Da das deut­sche Schadenrecht die fiktive Abrechnung eines konkreten Schadens ausdrücklich zulässt, muss es dem Geschädigten zudem auch ohne Nennung einer konkreten Repara­turwerkstatt gestattet sein, im Rahmen einer derartigen fiktiven Abrechnung bei den Stundenverrechnungssätzen einen Mittelwert zugrunde zu legen. Soweit die Beklagte insoweit anführt, aus dem „Porsche-Urteil“ des BGH ergebe sich, dass ein derartiger Schnittsatz als lediglich statistisch ermittelte Rechengröße nicht den zur Wiederherstel­lung erforderlichen Betrag repräsentiere, so ist darauf hinzuweisen, dass diese Aussage vom BGH zugunsten des Geschädigten getroffen wurde, dahingehend, dass er sich ei­nen derartigen Schnittsatz bei einer Kostenkalkulation auf der Grundlage einer konkre­ten markengebundenen Fachwerkstatt nicht entgegenhalten lassen muss. Umgekehrt schließt dies aber nicht aus, dass der Geschädigte selbst einen derartigen Schnittsatz der an seinem Wohnort ansässigen markengebundenen Fachwerkstätten seiner Kos­tenkalkulation zugrunde legen darf. Denn es kann nicht sein, dass der Geschädigte zwingend eine konkrete Reparaturwerkstatt benennen muss, umgekehrt bei der abstrak­ten Abrechnung aber gerade berechtigt ist, eine Reparatur tatsächlich bei einer anderen Werkstatt oder aber überhaupt nicht durchzuführen. Nach Auffassung des Gerichts muss sich der Geschädigte auch nicht auf die Möglichkeit einer kostengünstigeren Re­paratur in einer freien Fachwerkstatt verweisen lassen. Denn nach Auffassung des Ge­richts ist es als gerichtsbekannt anzusehen, dass der Marktwert einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt nach wie vor höher anzusetzen ist, als derjenige in einer freien Fachwerkstatt. Bei Markenwerkstätten wird in der Bevölkerung nach wie vor gemeinhin unterstellt, dass sie über das für eine fachgerechte Reparatur dieses Fahrzeugtyps erforderliche Wissen und die für eine fachgerechte Reparatur erforderliche technische Ausstattung einschließlich der passenden Ersatzteile verfügen. Es kann nicht Aufgabe des Geschädigten sein, im Falle einer Weiterveräußerung des Fahrzeugs dem Kaufinteressenten die Gleichwertigkeit der freien Werkstatt im Vergleich zu der marken­gebundenen Fachwerkstatt im Einzelnen zu vermitteln und notfalls mit erheblichem Aufwand nachzuweisen. Wenn aber der Geschädigte sich bei einer konkreten Repara­turabrechnung nicht auf eine kostengünstigere freie Fachwerkstatt verweisen lassen muss, dann muss dies spiegelbildlich auch für die abstrakte Abrechnung gelten. Weist der Schädiger allerdings nach, dass es in der Region um den Wohnsitz des Klägers eine markengebundene Fachwerkstatt mit erheblich günstigeren Stundensätzen als den vom Sachverständigen zugrunde gelegten durchschnittlichen Stundensätzen gibt, dann müsste der Kläger sich dies im Rahmen der fiktiven Abrechnung entsprechend den Aus­führungen des BGH als eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit entgegenhalten lassen. Einen solchen Nachweis hat die Beklagte aber im vorliegenden Fall nicht geführt.

Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Beurteilung sprechen zudem praktische Erwä­gungen für die Zulässigkeit der vom Kläger gewählten Abrechnungsweise. Bei der fikti­ven Abrechnung von Unfallschäden auf der Grundlage von Schadengutachter., welche bei den Lohnkosten – nach den obigen Ausführungen zulässigerweise – die durchschnitt­lichen Stundensätze markengebundener Fachwerkstätten zugrunde legen, handelt es sich um Massenverfahren. Würde man entsprechend der Rechtsansicht der Beklagten die Verweisungsmöglichkeit auf eine kostengünstigere freie Fachwerkstatt zulassen, so würde dies bedeuten, dass die Gerichte in jedem einzelnen Fall – da die Gleichwertigkeit der von Schädigerseite angeführten freien Fachwerkstätten mit einer markengebunde­nen Fachwerkstatt von den Geschädigten regelmäßig bestritten wird – diesbezüglich jeweils eine umfangreiche und kostenintensive und vom Ergebnis her völlig offene Be­weisaufnahme durchzuführen hätten, welche zu der möglichen wirtschaftlichen Erspar­nis auf Schädigerseite – was im konkreten Fall durch die eingeklagte Schadenssumme deutlich wird – völlig außer Verhältnis steht. Schließlich kann dem Kläger bei der von ihm vorgenommenen Abrechnungsweise auch weder das Alter seines Fahrzeugs entgegengehalten werden, noch kann er zu besonde­ren Darlegungen zu reparierten Vorschäden verpflichtet werden. Der BGH hat in dem erwähnten „Porsche-Urteil“ diesbezüglich klar ausgeführt, dass dann, wenn der vom Geschädigten gewählte Weg zur Schadensbehebung dem Wirtschaftlichkeitsgebot ent­spricht und der erforderliche Reparaturaufwand – wie hier – durch ein den Anforderungs­kriterien entsprechendes Sachverständigengutachten nachgewiesen ist, allein das Alter des Fahrzeugs keine weitere Darlegungslast des Geschädigten begründet. Dies deckt sich mit dem Einwand des Klägervertreters im hiesigen Verfahren, wonach es nicht Auf­gabe eines jeden Fahrzeugeigentümers sein kann, im Vorgriff auf einen möglichen Unfallschaden rein vorsorglich eine „Lebensakte“ über sein Fahrzeug zu führen und diese im Falle der Weiterveräußerung an den Erwerber weiter zu reichen.

Die in dem Schadengutachten veranschlagten Stundensätze in Höhe von 84,50 € bei den Instandsetzungs – Einzel- und Verbundarbeiten und 87,50 € zzgl. 35% Lackiermate­rial bei der Lackierung entsprechen nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing.  M. G. auch den ortsüblichen Stundenverrechnungssätzen der mar­kengebundenen Nissan-Fachwerkstätten in der Region um den Wohnsitz des Klägers im Unfallzeitpunkt. Bereits das Ingenieur-Büro G+K hatte in seinem Schreiben vom 25.04.2008 (BI.139 d.A.) auf Nachfrage des Klägervertreters mitgeteilt, dass es die in dem streitgegenständlichen Schadengutachten veranschlagten Verrechnungslöh­ne quartalsweise bei den regional ansässigen Nissan-Vertragswerkstätten abfragen und kontrollieren würde. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.- lng. M. G. hat zur Ermittlung der ortsüblichen Stundensätze bei insgesamt 8 regional ansässigen Nissan-Vertragswerkstätten telefonisch deren aktuelle Stundenverrechnungssätze abge­fragt. Aus den in der Anlage 3 und 4 seines Gutachten aufgeführten Umfrageergebnis­sen ergibt sich für die Karosseriearbeiten ein Mittelwert von 85,38 € und für die Lackier­arbeiten ein Mittelwert von 88.71 €. Für Lackmaterial wird ein Zuschlag von 30 bis 40% berechnet. Diese Mittelwerte liegen etwas höher als die in dem Schadengutachten des Ingenieur-Büros G.+K. veranschlagten Stundensätze, was durch eine mögli­che Preissteigerung in den Setzten 1 1/2 Jahren erklärt werden kann. Damit aber ergibt sich, dass die in dem streitgegenständlichen Schadengutachten veranschlagten Stun­densätze den Stundenverrechnungssätzen der markengebundenen Nissan-Fachwerkstätten in der Region um den Wohnsitz des Klägers im Unfallzeitpunkt ent­sprechen.

Die in dem Sachverständigengutachten bei den Lohnkosten für die Instandsetzungs-, Einzel- und Verbundarbeiten kalkulierten und abzüglich der 5 AW für die Notreparatur, hinsichtlich derer der Kläger die Klage in Höhe von 42,50 € teilweise zurückgenommen hat, verbleibenden 87 AW sind für die Schadensbeseitigung an dem klägerischen Fahr­zeug auch erforderlich. Zwischen den Parteien war insoweit streitig, ob die mit 4 AW veranschlagte Position „Seitenscheibe hinten links abkleben“ in der mit 17 AW veran­schlagten Position „Vorbereitungszeit zur Lackiere!“ bereits enthalten ist. Der Sachver­ständige Dipl.-Ing. M. G. hat zu diesem Zweck den konkreten Schaden am klägeri­schen Pkw mit dem DAT-Kalkulationssystem nachkalkuliert und bei zwei Abwandlun­gen ein Mal die Seitenscheibe hinten links nebst Dichtungsgummi ausgebaut und ein weiteres Mal die Instandsetzung und die Lackierung des linken hinteren Seitenteils ganz aus der Kalkulation herausgelassen, ohne dass sich an dem Lackierungsvorbearbeitungaufwand von 17 AW etwas verändert hat. Da in den beiden Alternativberechnungen ein Abkleben der Seitenscheibe jeweils nicht erforderlich gewesen wäre, schließt der Sachverständige aus den vorgenommenen Alternativberechnungen nachvollziehbar, dass die Arbeitsposition „Seitenscheibe hinten links abkleben“ nicht in dem Vorbereitungsauf­wand von 17 AW enthalten ist und deshalb zu Recht gesondert berechnet wurde.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Erstattung der in der Reparaturkostenkalkulation des Schadensgutachtens des Ingenieurbüros G.+ K. enthaltenen Ersatzteilzuschlages von 10%. Der Ersatzteilzuschlag gehört nach Auffas­sung des Gerichts zu den üblicherweise anfallenden Rechnungsposten einer Fahrzeug­reparatur und deshalb zu den nach § 249 Abs. 1 BGB vom Schädiger zu ersetzenden Schadenpositionen. Denn ein Kunde erhält Ersatzteile von einem Reparaturbetrieb re­gelmäßig nicht ohne Zuschlag auf die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers. Soweit in der Rechtsprechung zum Teil die Auffassung vertreten wird, es handele sich bei den Ersatzteilzuschlägen lediglich um mögliche, nicht aber um notwendige Repara­turkosten, deren Notwendigkeit sich erst bei tatsächlicher Durchführung einer Reparatur ergebe, kann dem im Hinblick auf den bereits dargelegten, vom BGH vertretenen abs­trakten Schadensbegriff im Rahmen einer fiktiven Abrechnung auf Reparaturkostenbasis nicht gefolgt werden (so auch statt weiterer AG Wiesbaden Urteil vom 30.11.2006, Az.: 92 C 3811/06; AG Berlin-Mitte Urteil vom 27.11.2007, Az.: 111 C 3246/06; AG Frank­furt/M. Urteil vom 15.02.2008, Az.: 31 C 2529/07). Nach den Ausführungen des Sach­verständigen Dipl.-Ing. M. G. auf der Grundlage der von ihm am 07.01.2009 im Zuge der Erstattung des Sachverständigengutachtens erfolgten Umfrage bei insge­samt 10 Nissan-Vertragshändlem in der Region um den Wohnsitz des Klägers berech­nen denn auch alle diese Reparaturbetriebe einen Ersatzteilzuschlag, welcher sich auf durchschnittlich 12,25% beläuft. Der in dem Gutachten des Ingenieurbüros G. + K. kalkulierte Ersatzteilzuschlag von 10% liegt damit sogar unterhalb des durch­schnittlich erhobenen Ersatzteilzuschlags und ist deshalb nicht zu beanstanden.

Gleiches gilt für die Verbringungskosten in Höhe von 84,50 € für die Verbringung des Fahrzeugs in eine externe Lackiererei. Auch diese gehören, da die Kfz-Reparaturbetriebe regelmäßig nicht über eine eigene Lackiererei verfügen, zu den übli­cherweise anfallenden Reparaturkosten und sind entsprechend den Ausführungen zu dem Ersatzteilzuschlag von dem Schädiger und damit von der Beklagten zu ersetzen. Insoweit gehört es bei der Abrechnung auf Gutachtenbasis nicht zu den Aufgaben des Geschädigten im Wege einer „Marktanalyse“ für die Geltendmachung von Verbringungskosten zu ermitteln, ob keine der Nissan-Vertragswerkstätten in der Region über eine eigene Lackiererei verfügt. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass für einen Abzug der Verbringungskosten bei Abrechnung auf Gutachtenbasis die Darlegungslast dafür, dass jedenfalls eine der in der Region um den Wohnsitz des Geschädigten ansässigen markengebundenen Fachwerkstätten Ober eine eigene Lackierer verfügt, bei dem Schädiger, hier also bei der Beklagten liegt. Die Beklagte hat aber trotz entsprechendem Hinweis im gerichtlichen Beschluss vom 20.06.2008 (BI. 170-173 d.A.) nicht vorgetragen, dass eine der Nissan-Vertragswerkstätten in der Region um den Wohnort des Klägers über eine eigene Lackiererei verfügt. Soweit eine der beiden von der Beklagten genann­ten Fachwerkstätten über eine eigene Lackiererei verfügt, kommt es hierauf aufgrund des dargelegten Anspruchs des Klägers auf eine Reparatur in einer markengebunden Fachwerkstatt nicht an {so auch statt weiterer LG Wiesbaden Urteil vom 20.08.2004, Az.: 3 O 6/04; AG Wiesbaden Urteil vom 30.11.2006, Az.: 92 C 3811/06). Die veran­schlagten Verbringungskosten in Höhe von 84,50 € sind nach der Anlage 4 des Sach­verständigengutachtens bei den regionalen Nissan-Vertragswerkstätten auch ortsüblich, weshalb sie der Höhe nach nicht zu beanstanden sind.

Unter dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 286 Abs. 1, 280 Abs.2, 288 Abs.1, 247 BGB hat der Kläger gegen die Beklagte den hinsichtlich der Hauptforderung geltend gemach­ten Zinsanspruch.

Einen Anspruch auf Zahlung der von der Beklagten teilweise nicht regulierten vorgericht­lichen Rechtsanwaltsgebühren hat der Kläger gegen die Beklagte hingegen nicht. Durch die teilweise Klagerücknahme in Höhe von 42,25 €, welche dem mit 5 AW in dem Scha­dengutachten G.+K. im Rahmen einer fiktiven Abrechnung auf Reparaturkos­tenbasis zu Unrecht kalkulierten Aufwand für eine Notreparatur entspricht, reduziert sich die dem Kläger zustehende Gesamtschadensumme, welche dem Gegenstandswert der anwaltlichen Gebührenabrechnung entspricht, auf 2.960,17 €. Aus diesem Gegenstandswert kann der klägerische Prozessbevollmächtigte nur noch eine 1,3 Geschäftsgebühr in Höhe von 245,70 € geltend machen. Zuzüglich der Aussagenpauschale in Höhe von 20,- € und der Mehrwertsteuer in Höhe von 50,48 € ergibt sich eine Gesamtsumme von 316,18 €. welche die Beklagte bereits vorgerichtlich reguliert hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO. Die teilweise Klagerücknahme wirkt sich mangels Gebührensprung und die teilweise Klageabweisung hinsichtlich der mit dem Klageantrag zu 2.) geltend gemachte Nebenforderung wegen § 43 Abs.1 GKG auf die Kostenentscheidung nicht aus.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Ziff. 11.711 ZPO.

Die Berufung wurde auf Antrag beider Parteien zur Sicherung einer einheitlichen Recht­sprechung zugelassen, § 511 Abs.4 ZPO.

So die Amtsrichterin der 93. Zivilabteilung des AG Wiesbaden.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu AG Wiesbaden spricht Fachwerkstattlöhne dem Geschädigten zu ( 93 C 537/08-40 vom 06.03.2009)

  1. Janine K. sagt:

    Hallo Willi Wacker,
    wieder einmal ein erfreulich, aber allerdings lang, begründetes Urteil zu Fachwerkstattlöhnen und Verbringungskosten. Während meines Jurapraktikums bin ich bei meinem Ausbilder auf CH hingewiesen worden. Von Ihrem Blog kann man einiges lernen. Auch an der Uni sollte auf CH verwiesen werden.
    Ich wünsche Ihnen auch weiterhin viel Erfolg.
    MfG
    Janine K.

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