Amtsrichterin des AG Darmstadt verurteilt Schädiger zur Zahlung der von der Versicherung nicht regulierten Sachverständigenkosten mit Urteil vom 26.4.2012 – 316 C 268/11 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

zum Wochenende noch ein interessantes Urteil aus dem südlichen Hessen, genauer gesagt aus Darmstadt. Und wieder ging es um restliche Sachverständigenkosten. Geklagt hat der Geschädigte. Verklagt wurde der Schädiger direkt. So sollte es sein. Der Kfz-Haftpflichtversicherer sollte gar nicht in den Prozess einbezogen werden. Jetzt erfährt der Schädiger auch, dass er bei seiner Versicherung nicht gut versichert ist, wenn diese es zuläßt, dass er – zu Recht, wie das Urteil beweist – vor das Gericht gezogen wird. Bei korrekter Regulierung wäre das nicht passiert. Wenn die Versicherung nicht korrekt reguliert, muss eben der Schädiger für den Rest haften und verurteilt werden. Das Urteil wurde erstritten und dem Autor zugesandt durch das Anwaltsbüro RAe. Dr. Imhof und Partner in Aschaffenburg.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker

Amtsgericht Darmstadt                                Verkündet am: 26.04.12
Aktenzeichen: 316 C 268/11

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn I. V.  aus  M.-W.

Kläger

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. I.  u. K. aus Aschaffenburg

gegen

Herrn P. A.  K. aus W.

Beklagter

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte W. aus  F.

wegen Sachverständigenkosten hat das Amtsgericht Darmstadt durch die Richterin am Amtsgericht … im Verfahren nach billigem Ermessen gemäß § 495 a ZPO ohne mündliche Verhandlung mit einem Verfahrensstand am 23.02.2012 für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 275,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.10.2011 zu bezahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtiiche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 44,99 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.10.2011 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 275,48 € festgesetzt.

Tatbestand:

Von der Abfassung eines Tatbestandes wurde nach pflichtgemäßer gerichtlicher Prüfung abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§ 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 275,48 € gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, 115 VVG aufgrund des Verkehrsunfalls am 16.09.2011 in Weiterstadt zu.

Die vollumfängliche Haftung des Beklagten für den Verkehrsunfall ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger ist auch aktivlegitimiert. Er hatte den Schadensersatzanspruch aus dem Unfallgeschehen auf Erstattung der Gutachterkosten nur erfüllungshalber an den Sachverständigen … abgetreten. Unter dem 06.02.2012 hatte dieser den Anspruch an den Kläger zurück abgetreten. Zwar hat die Beklagte die Befürchtung geäußert, sie könnte zweimal in Anspruch genommen werden, nämlich vom Kläger und vom Sachverständigenbüro. Die Beklagte hat aber auf die Anfrage des Gerichts, wann das Sachverständigenbüro ihn bzw. seine Versicherung zur Leistung aufgefordert habe, keine Stellung genommen. Im Übrigen ist ihm durch den hiesigen Rechtsstreit bekannt, dass das Sachverständigenbüro den Anspruch rückabgetreten hat. Dies kann er, falls der Sachverständige wider Erwarten doch an ihn herantritt, dem Sachverständigen entgegenhalten. Eine Gefahr der doppelten Inanspruchnahme sieht das Gericht als nicht gegeben an. Über dies hätte der Beklagte, nachdem der Kläger die Rückabtretungserklärung vorgelegt hat, näher darlegen müssen, warum er diese bestreitet. Allein die Tatsache, dass das Sachverständigenbüro in anderen Verfahren restliche Sachverständigengebühren selbst einzieht reicht insoweit nicht aus.

Der Anspruch besteht auch in der geltend gemachten Höhe. Die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Schadensumfang nach einem Verkehrsunfall sind als Kosten der Schadensfeststellung Teil des zu ersetzenden Schadens des Geschädigten im Sinne des § 249 BGB. Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen sind. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwenden Kosten beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 23.01.2007, VI ZR 67/06, NJW 2007, S. 1450 (1451); LG Krefeld, Urteil vom 20.12.2007, 3 S 29/07, juris Rdnr. 16).

Der Geschädigte ist nicht verpflichtet eine Marktforschung durchzuführen und mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen. Ein Kostenvoranschlag wird vom Geschädigten auch ohne Inaugenscheinnahme durch einen Sachverständigen nicht möglich sein(OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2006, 4 U 49/05, juris Rdnr. 51).

Es ist nur schwer denkbar, dass ein Sachverständiger zu einem Geschädigten fährt nur um einen Kostenvoranschlag für die Sachverständigenkosten abzugeben. Noch dazu wird ihm dies ohne nähere Begutachtung nicht möglich sein, da die überwiegende Anzahl an Sachverständigen ihr Honorar anhand der Schadenshöhe festlegt.

Es verbleibt für den Geschädigten aber das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist. Der Einwand der Überhöhung des Sachverständigenhonorars führt aber nur dann zu einer Kürzung des Anspruchs des Geschädigten, wenn für diesen als Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festgesetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten ein Auswahlverschulden zur Last fällt (OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2006, 4 U 49/05, juris Rdnr. 51).

Es ist nicht erkennbar, dass der Sachverständige sein Honorar willkürlich festgesetzt hat oder evident zu hoch berechnet hat bzw. dem Kläger ein Auswahlverschulden zur Last fällt. Die als Ergebnis des Gutachtens ermittelten Reparaturkosten liegen bei 6.143,50 € netto und 7.310,77 € brutto. Da der Wiederbeschaffungswert lediglich bei 2.100,00 € liegt und die Reparaturkosten daher mehr als 130 % des Wiederbeschaffungswertes ausmachen, war für die Ermittlung, ob das berechnete Grundhonorar im Korridor VKS Honorarumfrage 2011 liegt, auf den Wiederbeschaffungswert abzustellen. Danach ergibt sich für eine Schadenshöhe von bis zu 2.250,00 € ein Grundhonorar-Korridor von 274,00 € bis 382,00 €. Der Sachverständige … hat ein Grundhonorar von 340,00 € angenommen, was deutlich unter dem Höchstwert des Korridors liegt.

Auch die Nebenkosten sind nicht zu beanstanden.

Hinsichtlich der bemängelten Fahrtkosten ist anzumerken, dass der Sachverständige für Fahrtkosten und Fahrtzeit zusammen 1,80 € pro Kilometer annimmt, was an sich schon als angemessen anzusehen ist. Bei angenommenen 71 km, würde dies einen Betrag von 127,80 € ergeben. Tatsächlich hat er einen Maximalbetrag von 100,00 € angenommen, was rechnerisch einer geringeren Fahrtleistung entspricht.

Über dies ist es für das Gericht nicht zu beanstanden, dass der Kläger einen Sachverständigen mit Sitz in Dieburg ausgewählt hat. Der Kläger selbst wohnt in Mörfelden-Walldorf. Sicher gibt es auch in Mörfelden-Walldorf, Langen, Frankfurt am Main und Neu-Isenburg Kfz- Sachverständige. Nach Auffassung des Gerichtes kann es aber genau wie bei der Ermittlung eines günstigeren Preises dem Geschädigten nicht auferlegt werden zunächst zu erforschen, welcher Sachverständige am nächsten an seinem Wohnort ist. Dies zumindest dann, wenn, wie hier, kein übermäßig weiter Weg zwischen dem Wohnort des Geschädigten und dem Betrieb des Sachverständigen liegt. Der Kläger hat auch dargelegt, dass er aufgrund einer Empfehlung aus der Verwandtschaft gerade den Sachverständigen … ausgewählt hat, was für das Gericht nachvollziehbar ist.

Für die Ermittlung des Restwertes mittels einer Restwertbörse sieht die Honorarumfrage einen Wert von 15,00 bis 35,00 € vor. Der Sachverständige … hat hier 28,00 € in Rechnung gestellt, was nach Ansicht des Gerichtes nicht überhöht ist. Auch die Kosten für Telefon/EDV/Büromaterial/Porto/Schreibkosten liegen innerhalb des Nebenkosten Korridors nach der BVKS- Honorarumfrage und sind demgemäß nicht zu beanstanden. Selbiges gilt für die Kosten der Lichtbilder.

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 280, 286, 288 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten regulierte mit Schreiben vom 06.10.2011 lediglich einen Teilbetrag der Gutachterkosten. Mit Schreiben vom 27.09.2011 setzte der Klägervertreter eine Zahlungsfrist bis zum 11.10.2011, so dass Verzug zum 12.10.2011 eingetreten ist.

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 44,99 € nach §§ 280, 286 BGB.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 280, 286, 288 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit gründet auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

So und jetzt bitte Eure vielzähligen Kommentare.

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3 Antworten zu Amtsrichterin des AG Darmstadt verurteilt Schädiger zur Zahlung der von der Versicherung nicht regulierten Sachverständigenkosten mit Urteil vom 26.4.2012 – 316 C 268/11 -.

  1. G.Gladenbach sagt:

    Hi Willi,
    und wieder zeigt sich, wie wichtig es ist, nur den Schädiger, nicht die dahinter stehende Versicherung, zu verklagen. Mittlerweile wird auch schon in Seminaren propagiert, nicht mehr den Versicherer zu verklagen. Der Schädiger ist derjenige, der den Schaden angerichtet hat, und der muss auch wissen, in welcher Höhe der Schaden besteht. Also nur noch den Schädiger in Anspruch nehmen. Das werde ich jetzt nur noch tun.
    Grüße aus Hessen
    G. Gladenbach

  2. Versicherungsanwalt sagt:

    @Gladenbach
    leider dauert es nun schon über zehn Jahre,in denen sich diese Erkenntniss allenfalls sporadisch durchgesetzt hat.
    Ich habe aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben,dass sich die isolierte VN-Klage in der Breite durchsetzen wird.
    Die Marktführer unter den Versicherern glauben das aushalten zu können,die Kleineren sind da sehr skeptisch,ich meine zu Recht.
    Nach meiner Erfahrung wird die Klage gegen z.B.den DEVK-VN grundsätzlich von der Versicherung nach Klagezustellung anerkannt.
    Bei der HUK zeigt sich ein differenziertes Bild:
    Anerkenntnisse der HUK 24 finden kaum statt;
    Anerkenntnisse der HUK Allgemeinen mit einer Quote von ca.1/3 bis 1/2
    Anerkenntnisse der HUK-Beamten finden mit einer Quote von ca.2/3 und mehr statt.
    Warum das so ist?
    Naja,an dem Willen,die Rechtslage zu beachten, kann dieses Phänomen jedenfalls nicht liegen,vielleicht schon eher an der Bedeutung des VN und der Furcht vor Konsequenzen,weil der VIP-VN alle Verträge kündigt,wenn die HUK ihm nicht schleunigst diese Klage vom Halse schafft.
    Die allermeisten VN sind noch niemals in ihrem Leben verklagt worden und kommen daher mit einer solchen Situation kaum zurecht.Auch sind viele VN einsichtig und fühlen sich moralisch zur Wiedergutmachung des Schadens verpflichtet;sie verlangen zu Recht,dass ihre Versicherung den Schaden reguliert,schliesslich haben sie sich ja den Versicherungsschutz mit ihrer Hände Arbeit teuer erkauft und werden nun auch noch hochgestuft,bezahlen also gewissermassen den Schaden zum Teil sowieso aus der eigenen Tasche.
    Dass der Druck solcher Leute gegen die eigene Versicherung hinter vielen Klageanerkenntnissen steht,scheint mir nachvollziehbar zu sein.
    Also merkt euch,Kollegen!:Der Unfallgegner deines Mandanten kann dein legitimer Regulierungsgehilfe werden.
    Man muss ihn nur geschickt aktivieren.
    Ich hörte auch schon die Bezeichnung:“Regulierungsbooster“.

  3. G.Gladenbach sagt:

    Hi Versicherungsanwalt,
    als solcher schreibst du mir aber geschädigtengeneigt. Nun zum Thema. Ich finde es gut, dass sich diese Erkenntnis nun nach und nach durchsetzt. Zwar etwas langsam, aber immerhin. Besser langsam und gut als schnell und falsch.
    Bei den HUK-Beamten ist doch schon Bewegung zu erkennen. Da will die HUK die Versicherungskunden aus der Beamten- und Lehrerschaft und aus dem öffentlichen Dienst nicht verlieren. Bei der HUK 24 AG ist kaum Bewegung zu erkennen, aber da sind die Kunden auch weniger interessant.
    Also, wenn jetzt jeder nur noch den Schädiger direkt in Anspruch nimmt, wird sich relativ schnell ein Umdenken auch bei der HUK-Coburg einstellen. So naiv können die in der Vorstandsetage in Coburg doch nicht sein.
    Grüße aus dem regnerischen Hessen
    G. Gladenbach

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